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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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festem Gesetz, damit sie in diesem und nicht in der Gnade des Königs die
Stützen ihrer Existenz finde, dann aber vermehre man ihre innere Stärke, so¬
weit die Mittel des Staats dies irgend zulassen, das erscheint als das einzig
Richtige. Den Staat aber zu verbessern, indem man seine Heeresmacht mög¬
lichst zu schwächen sucht, heißt den Staat selber schwächen, führt nothgedrungen
zum Untergang desselben.

Wer in Preußen eine kräftige Militärmacht für nothwendig erachtet und
doch die Verkürzung der Dienstzeit erstrebt, muß deshalb einen Ersatz für den
hieraus folgenden geringern Grad der Ausbildung wollen; diesen bietet nichts
in dem Maße wie die Gründung stehender Lager. Der Vollheit, daß auch die
Generale eine ihnen sonst nicht gebotene Gelegenheit zu ihrer Ausbildung :c.
erhalten, würde damit außerdem gewährt und die augenblickliche Schlagfertigkeit
des Heeres bedeutend erhöht werden.

Reducirt man die Stärke der preußischen Infanterie um einen Jahrgang
Leute, was ja die Folge einer Reduction der Dienstzeit von drei auf zwei Jahr
sein würde, so bleibt die Armee etwas über 100,000 Köpfe stark und soll jeder
Soldat einmal im Lager zubringen, so bedürften wir für die Infanterie allein
einer Lagereinrichtung für circa 50,000 Mann; mit dem dritten Theil der an¬
dern Waffen gäbe dies ein Erforderniß von 66,000 Mann. -- Die Franzosen
haben zwar nur Lagereinrichtungen für circa 50,000 Mann, aber sie haben
permanente Kriegsverhältnisse in Algier und zur Zeit in Mexiko, und sie haben
eine Garnison von 80,000 Mann in Paris, welche in ihrem intensiven Nacht¬
dienst und in den steten großen Uebungen dort eine kriegerische Vorbildung
erhalten, wie in keiner unsrer Garnisonen. Die Franzosen besitzen aber auch
durch ihr Stellvertretungswesen sehr viel mehr alte Soldaten als wir, und bei
ihnen gilt die Dienstzeit von 7 Jahren, von denen der Einzelne mindestens
5 Jahre bei der Fahne ist.

Folgen wir nun der oben angedeuteten Berechnung der Unkosten des Lagers
von Chalons, so ergeben sich incl. der Zinsen für das aufgewandte Capital
für 30.000 Mann jährlich ungefähr 300,000 Thlr., also für 66,000 Mann
660,000 Thlr.; der diesjährige Staatshaushaltsetat Preußens wirft für Ma-
növeruntvsten und Vorspann 211,000 Thlr. aus; es würde also durch das
Lager ein Mehr von 450,000 Thlr. gefordert. Dieses Mehr wird an sich auf¬
gehoben durch die verbesserte Ausbildung der Armee und durch die Verringerung
der Dienstzeit, welche den Präsenzstand um 50,000 Mann vermindert und die
arbeitende Bevölkerung um ebenso viel erhöht. Der gemeine Soldat kostet
dem Staat jährlich ungefähr 80 Thlr., ergiebt also eine positive Ersparniß
von 4 Mill. Thlr.. von denen Mill. für die Lager verwandt werden könnte.

Diese würden ungefähr in folgender Weise über die Monarchie verbreitet
werden können: bei Frankfurt a. O. aus den schon angeführten Gründen für


festem Gesetz, damit sie in diesem und nicht in der Gnade des Königs die
Stützen ihrer Existenz finde, dann aber vermehre man ihre innere Stärke, so¬
weit die Mittel des Staats dies irgend zulassen, das erscheint als das einzig
Richtige. Den Staat aber zu verbessern, indem man seine Heeresmacht mög¬
lichst zu schwächen sucht, heißt den Staat selber schwächen, führt nothgedrungen
zum Untergang desselben.

Wer in Preußen eine kräftige Militärmacht für nothwendig erachtet und
doch die Verkürzung der Dienstzeit erstrebt, muß deshalb einen Ersatz für den
hieraus folgenden geringern Grad der Ausbildung wollen; diesen bietet nichts
in dem Maße wie die Gründung stehender Lager. Der Vollheit, daß auch die
Generale eine ihnen sonst nicht gebotene Gelegenheit zu ihrer Ausbildung :c.
erhalten, würde damit außerdem gewährt und die augenblickliche Schlagfertigkeit
des Heeres bedeutend erhöht werden.

Reducirt man die Stärke der preußischen Infanterie um einen Jahrgang
Leute, was ja die Folge einer Reduction der Dienstzeit von drei auf zwei Jahr
sein würde, so bleibt die Armee etwas über 100,000 Köpfe stark und soll jeder
Soldat einmal im Lager zubringen, so bedürften wir für die Infanterie allein
einer Lagereinrichtung für circa 50,000 Mann; mit dem dritten Theil der an¬
dern Waffen gäbe dies ein Erforderniß von 66,000 Mann. — Die Franzosen
haben zwar nur Lagereinrichtungen für circa 50,000 Mann, aber sie haben
permanente Kriegsverhältnisse in Algier und zur Zeit in Mexiko, und sie haben
eine Garnison von 80,000 Mann in Paris, welche in ihrem intensiven Nacht¬
dienst und in den steten großen Uebungen dort eine kriegerische Vorbildung
erhalten, wie in keiner unsrer Garnisonen. Die Franzosen besitzen aber auch
durch ihr Stellvertretungswesen sehr viel mehr alte Soldaten als wir, und bei
ihnen gilt die Dienstzeit von 7 Jahren, von denen der Einzelne mindestens
5 Jahre bei der Fahne ist.

Folgen wir nun der oben angedeuteten Berechnung der Unkosten des Lagers
von Chalons, so ergeben sich incl. der Zinsen für das aufgewandte Capital
für 30.000 Mann jährlich ungefähr 300,000 Thlr., also für 66,000 Mann
660,000 Thlr.; der diesjährige Staatshaushaltsetat Preußens wirft für Ma-
növeruntvsten und Vorspann 211,000 Thlr. aus; es würde also durch das
Lager ein Mehr von 450,000 Thlr. gefordert. Dieses Mehr wird an sich auf¬
gehoben durch die verbesserte Ausbildung der Armee und durch die Verringerung
der Dienstzeit, welche den Präsenzstand um 50,000 Mann vermindert und die
arbeitende Bevölkerung um ebenso viel erhöht. Der gemeine Soldat kostet
dem Staat jährlich ungefähr 80 Thlr., ergiebt also eine positive Ersparniß
von 4 Mill. Thlr.. von denen Mill. für die Lager verwandt werden könnte.

Diese würden ungefähr in folgender Weise über die Monarchie verbreitet
werden können: bei Frankfurt a. O. aus den schon angeführten Gründen für


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[0416] festem Gesetz, damit sie in diesem und nicht in der Gnade des Königs die Stützen ihrer Existenz finde, dann aber vermehre man ihre innere Stärke, so¬ weit die Mittel des Staats dies irgend zulassen, das erscheint als das einzig Richtige. Den Staat aber zu verbessern, indem man seine Heeresmacht mög¬ lichst zu schwächen sucht, heißt den Staat selber schwächen, führt nothgedrungen zum Untergang desselben. Wer in Preußen eine kräftige Militärmacht für nothwendig erachtet und doch die Verkürzung der Dienstzeit erstrebt, muß deshalb einen Ersatz für den hieraus folgenden geringern Grad der Ausbildung wollen; diesen bietet nichts in dem Maße wie die Gründung stehender Lager. Der Vollheit, daß auch die Generale eine ihnen sonst nicht gebotene Gelegenheit zu ihrer Ausbildung :c. erhalten, würde damit außerdem gewährt und die augenblickliche Schlagfertigkeit des Heeres bedeutend erhöht werden. Reducirt man die Stärke der preußischen Infanterie um einen Jahrgang Leute, was ja die Folge einer Reduction der Dienstzeit von drei auf zwei Jahr sein würde, so bleibt die Armee etwas über 100,000 Köpfe stark und soll jeder Soldat einmal im Lager zubringen, so bedürften wir für die Infanterie allein einer Lagereinrichtung für circa 50,000 Mann; mit dem dritten Theil der an¬ dern Waffen gäbe dies ein Erforderniß von 66,000 Mann. — Die Franzosen haben zwar nur Lagereinrichtungen für circa 50,000 Mann, aber sie haben permanente Kriegsverhältnisse in Algier und zur Zeit in Mexiko, und sie haben eine Garnison von 80,000 Mann in Paris, welche in ihrem intensiven Nacht¬ dienst und in den steten großen Uebungen dort eine kriegerische Vorbildung erhalten, wie in keiner unsrer Garnisonen. Die Franzosen besitzen aber auch durch ihr Stellvertretungswesen sehr viel mehr alte Soldaten als wir, und bei ihnen gilt die Dienstzeit von 7 Jahren, von denen der Einzelne mindestens 5 Jahre bei der Fahne ist. Folgen wir nun der oben angedeuteten Berechnung der Unkosten des Lagers von Chalons, so ergeben sich incl. der Zinsen für das aufgewandte Capital für 30.000 Mann jährlich ungefähr 300,000 Thlr., also für 66,000 Mann 660,000 Thlr.; der diesjährige Staatshaushaltsetat Preußens wirft für Ma- növeruntvsten und Vorspann 211,000 Thlr. aus; es würde also durch das Lager ein Mehr von 450,000 Thlr. gefordert. Dieses Mehr wird an sich auf¬ gehoben durch die verbesserte Ausbildung der Armee und durch die Verringerung der Dienstzeit, welche den Präsenzstand um 50,000 Mann vermindert und die arbeitende Bevölkerung um ebenso viel erhöht. Der gemeine Soldat kostet dem Staat jährlich ungefähr 80 Thlr., ergiebt also eine positive Ersparniß von 4 Mill. Thlr.. von denen Mill. für die Lager verwandt werden könnte. Diese würden ungefähr in folgender Weise über die Monarchie verbreitet werden können: bei Frankfurt a. O. aus den schon angeführten Gründen für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/416>, abgerufen am 15.01.2025.