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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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erze werden in bedeutender Menge gefördert, viele sonstige nutzbare Mineralien,
u. a. Walkererde, edler Thon, Marmor und zum Hoch-, Weg- und Straßenbau
geeignete Gesteine gewonnen.")

Zu dem natürlichen Reichthum des Landes kommt eine auf dem wirth¬
schaftlichen Gebiet ausgebildete Gesetzgebung. Für den Betrieb der Landwirth¬
schaft bestehen ausführliche Vorschriften über das Verfahren bei Bewässerungs¬
und Entwässerungsanlagen, über Güterconsolivation (Verkoppelung oder Zu¬
sammenlegung von Grundstücken zu vortheilhaften Landwirthschaftsbetriebe
und zu Culturverbesscrungen); der Bergbau ist durch eine ausführliche Berg-
vrdnung geregelt; in Bezug auf Handel und Gewerbe die Gewerbefreiheit durch
das Gesetz vom 9. Juni 1860, das deutsche Handelsgesetzbuch mit dem deutschen
Wechselrecht eingeführt, in Maß und Gewicht eine Annäherung an das fran¬
zösische Decimalsystem oder dieses selbst erzielt. Eine Landesbank giebt zur
Ablösung von Neallasten und Erbleihen gegen den doppelten Betrag des Dar¬
lehens an Liegenschaften im Herzogthum oder den fünffachen SchätzungSwerth
an Zecheneigenthum als Unterpfand Darlehen. Für die in den verschiedenen
Diensten angestellten Beamten und Geschäftsführer sind strenge Staatsprüfungen
vorgeschrieben, die Schulen in vorgerückter Ausbildung, namentlich für die Real-
fächer ist durch Einrichtung von Realschulen und Realgymnasien vorgesehen,
jeder Zwang dagegen in der Wahl der Universität (bis zum Jahre 1848 war
der Besuch der Universität Göttingen vorgeschrieben) beseitigt. Die ganze
wirthschaftliche Entwickelung des Landes gipfelt sich, so zu sagen, in der sehr
vereinfachten Einrichtung des Budgets, das alle Jahre festgestellt wird, inso¬
fern alles, was von den eigentlichen Staatsausgaben (die Ausgaben für den
Hof werden aus der von der Landeskasse getrennten Domänenkasse gedeckt)
nicht durch Staatsgefälle: indirecte Steuern, Regalien, Gebühren ze. aufgebracht
werden kann, durch nach Simplen erhobene directe Steuern, Grund-, Gebäude-
und Gewerbesteuer aufgebracht wird, d. h. man stellt die Ausgaben fest, zieht
davon die Staatsgefälle ab und wirft den Rest auf die directen Steuern. Auch
insofern ist eine rationelle Vereinfachung durchgeführt, als unter dem Titel
Gewerbesteuer die Steuer von Staatseinkommen, von Gehalten der Staats-
diener u. s. w. begriffen ist. Es erklärt sich daraus, wenn bei der vorletzten
Landtagswahl von einer Anzahl liberaler Wähler zur ersten Kammer gegen den
Eintrag von 43 Geistlichen in die Wählerliste der höchstbesteuerten Gewerbe¬
treibenden protestirt wurde. Den Geistlichen, die man zur Herbeiführung re¬
gierungsfreundlicher Wahlen herbeigezogen hatte, war nämlich die Grundsteuer
von den Besoldungsgütern zu ihrer Gewerbesteuer zugerechnet worden. Die



") Aus dem Mineralwasserdebit flössen in die Domauienkasse des Herzogs 18"4 385.S02 si-,
aus den Weinbergen 11S.000 si" aus den Berg-, Hütten -c, -Werken 202.0V0 si.

erze werden in bedeutender Menge gefördert, viele sonstige nutzbare Mineralien,
u. a. Walkererde, edler Thon, Marmor und zum Hoch-, Weg- und Straßenbau
geeignete Gesteine gewonnen.")

Zu dem natürlichen Reichthum des Landes kommt eine auf dem wirth¬
schaftlichen Gebiet ausgebildete Gesetzgebung. Für den Betrieb der Landwirth¬
schaft bestehen ausführliche Vorschriften über das Verfahren bei Bewässerungs¬
und Entwässerungsanlagen, über Güterconsolivation (Verkoppelung oder Zu¬
sammenlegung von Grundstücken zu vortheilhaften Landwirthschaftsbetriebe
und zu Culturverbesscrungen); der Bergbau ist durch eine ausführliche Berg-
vrdnung geregelt; in Bezug auf Handel und Gewerbe die Gewerbefreiheit durch
das Gesetz vom 9. Juni 1860, das deutsche Handelsgesetzbuch mit dem deutschen
Wechselrecht eingeführt, in Maß und Gewicht eine Annäherung an das fran¬
zösische Decimalsystem oder dieses selbst erzielt. Eine Landesbank giebt zur
Ablösung von Neallasten und Erbleihen gegen den doppelten Betrag des Dar¬
lehens an Liegenschaften im Herzogthum oder den fünffachen SchätzungSwerth
an Zecheneigenthum als Unterpfand Darlehen. Für die in den verschiedenen
Diensten angestellten Beamten und Geschäftsführer sind strenge Staatsprüfungen
vorgeschrieben, die Schulen in vorgerückter Ausbildung, namentlich für die Real-
fächer ist durch Einrichtung von Realschulen und Realgymnasien vorgesehen,
jeder Zwang dagegen in der Wahl der Universität (bis zum Jahre 1848 war
der Besuch der Universität Göttingen vorgeschrieben) beseitigt. Die ganze
wirthschaftliche Entwickelung des Landes gipfelt sich, so zu sagen, in der sehr
vereinfachten Einrichtung des Budgets, das alle Jahre festgestellt wird, inso¬
fern alles, was von den eigentlichen Staatsausgaben (die Ausgaben für den
Hof werden aus der von der Landeskasse getrennten Domänenkasse gedeckt)
nicht durch Staatsgefälle: indirecte Steuern, Regalien, Gebühren ze. aufgebracht
werden kann, durch nach Simplen erhobene directe Steuern, Grund-, Gebäude-
und Gewerbesteuer aufgebracht wird, d. h. man stellt die Ausgaben fest, zieht
davon die Staatsgefälle ab und wirft den Rest auf die directen Steuern. Auch
insofern ist eine rationelle Vereinfachung durchgeführt, als unter dem Titel
Gewerbesteuer die Steuer von Staatseinkommen, von Gehalten der Staats-
diener u. s. w. begriffen ist. Es erklärt sich daraus, wenn bei der vorletzten
Landtagswahl von einer Anzahl liberaler Wähler zur ersten Kammer gegen den
Eintrag von 43 Geistlichen in die Wählerliste der höchstbesteuerten Gewerbe¬
treibenden protestirt wurde. Den Geistlichen, die man zur Herbeiführung re¬
gierungsfreundlicher Wahlen herbeigezogen hatte, war nämlich die Grundsteuer
von den Besoldungsgütern zu ihrer Gewerbesteuer zugerechnet worden. Die



") Aus dem Mineralwasserdebit flössen in die Domauienkasse des Herzogs 18«4 385.S02 si-,
aus den Weinbergen 11S.000 si„ aus den Berg-, Hütten -c, -Werken 202.0V0 si.
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[0400] erze werden in bedeutender Menge gefördert, viele sonstige nutzbare Mineralien, u. a. Walkererde, edler Thon, Marmor und zum Hoch-, Weg- und Straßenbau geeignete Gesteine gewonnen.") Zu dem natürlichen Reichthum des Landes kommt eine auf dem wirth¬ schaftlichen Gebiet ausgebildete Gesetzgebung. Für den Betrieb der Landwirth¬ schaft bestehen ausführliche Vorschriften über das Verfahren bei Bewässerungs¬ und Entwässerungsanlagen, über Güterconsolivation (Verkoppelung oder Zu¬ sammenlegung von Grundstücken zu vortheilhaften Landwirthschaftsbetriebe und zu Culturverbesscrungen); der Bergbau ist durch eine ausführliche Berg- vrdnung geregelt; in Bezug auf Handel und Gewerbe die Gewerbefreiheit durch das Gesetz vom 9. Juni 1860, das deutsche Handelsgesetzbuch mit dem deutschen Wechselrecht eingeführt, in Maß und Gewicht eine Annäherung an das fran¬ zösische Decimalsystem oder dieses selbst erzielt. Eine Landesbank giebt zur Ablösung von Neallasten und Erbleihen gegen den doppelten Betrag des Dar¬ lehens an Liegenschaften im Herzogthum oder den fünffachen SchätzungSwerth an Zecheneigenthum als Unterpfand Darlehen. Für die in den verschiedenen Diensten angestellten Beamten und Geschäftsführer sind strenge Staatsprüfungen vorgeschrieben, die Schulen in vorgerückter Ausbildung, namentlich für die Real- fächer ist durch Einrichtung von Realschulen und Realgymnasien vorgesehen, jeder Zwang dagegen in der Wahl der Universität (bis zum Jahre 1848 war der Besuch der Universität Göttingen vorgeschrieben) beseitigt. Die ganze wirthschaftliche Entwickelung des Landes gipfelt sich, so zu sagen, in der sehr vereinfachten Einrichtung des Budgets, das alle Jahre festgestellt wird, inso¬ fern alles, was von den eigentlichen Staatsausgaben (die Ausgaben für den Hof werden aus der von der Landeskasse getrennten Domänenkasse gedeckt) nicht durch Staatsgefälle: indirecte Steuern, Regalien, Gebühren ze. aufgebracht werden kann, durch nach Simplen erhobene directe Steuern, Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer aufgebracht wird, d. h. man stellt die Ausgaben fest, zieht davon die Staatsgefälle ab und wirft den Rest auf die directen Steuern. Auch insofern ist eine rationelle Vereinfachung durchgeführt, als unter dem Titel Gewerbesteuer die Steuer von Staatseinkommen, von Gehalten der Staats- diener u. s. w. begriffen ist. Es erklärt sich daraus, wenn bei der vorletzten Landtagswahl von einer Anzahl liberaler Wähler zur ersten Kammer gegen den Eintrag von 43 Geistlichen in die Wählerliste der höchstbesteuerten Gewerbe¬ treibenden protestirt wurde. Den Geistlichen, die man zur Herbeiführung re¬ gierungsfreundlicher Wahlen herbeigezogen hatte, war nämlich die Grundsteuer von den Besoldungsgütern zu ihrer Gewerbesteuer zugerechnet worden. Die ") Aus dem Mineralwasserdebit flössen in die Domauienkasse des Herzogs 18«4 385.S02 si-, aus den Weinbergen 11S.000 si„ aus den Berg-, Hütten -c, -Werken 202.0V0 si.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/400>, abgerufen am 15.01.2025.