Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.i>'e klare und sichere Berechnung, mit der er die Momente, die für eine Be- Innerhalb dieser Linieaber, an der er unerschütterlich festhält, hat er i>'e klare und sichere Berechnung, mit der er die Momente, die für eine Be- Innerhalb dieser Linieaber, an der er unerschütterlich festhält, hat er <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0397" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283750"/> <p xml:id="ID_1137" prev="#ID_1136"> i>'e klare und sichere Berechnung, mit der er die Momente, die für eine Be-<lb/> schleunigung oder eine Verzögerung der Katastrophe sprachen, gegen einander<lb/> abwägt. — Was ferner seine Charakterfestigkeit betrifft, so wurzelt dieselbe<lb/> durchaus nicht etwa in der Vorliebe für eine bestimmte politische Doctrin,<lb/> oder in der Anhänglichkeit an eine bestimmte Person, sondern, was ihn<lb/> von der Mehrzahl der französischen Staatsmänner unterscheidet, in seinem<lb/> stolzen Unabhängigkeitssinne. Er verzichtet auf die Aussicht gewählt zu<lb/> werden (1837), nur um seine Wahl nicht der wider seinen Willen ihm ge¬<lb/> währten officiellen Unterstützung des ihm nahe befreundeten Ministers Mol6<lb/> -u verdanken; er will von officiellen Kandidaturen (die jedenfalls sehr viel zu<lb/> der Untergrabung des constitutionellen Systems in Frankreich beigetragen und<lb/> une gesunde Parteibildung gehindert haben) nichts wissen. In seiner parla¬<lb/> mentarischen Opposition wird er stets durch sachliche, nicht durch persönliche<lb/> Gründe bestimmt. Nach dem Falle der Monarchie schließt er sich der Republik<lb/> an. die er nicht gewünscht hat, und zu deren Dauer er sehr geringes Vertrauen<lb/> hat. in deren Consolidirung, wofern sie möglich sei, er aber doch noch die letzte<lb/> Aussicht für die Freiheit in Frankreich steht. Unversöhnlich ist er gegen den<lb/> Napoleonismus; mit einer Negierung. deren Princip die Unterdrückung der<lb/> Freiheit ist. kann er sich nicht vertragen.<lb/> '</p><lb/> <p xml:id="ID_1138" next="#ID_1139"> Innerhalb dieser Linieaber, an der er unerschütterlich festhält, hat er<lb/> vielmehr die Neigung, sich zu verständigen und auszugleichen, als zu bekämpfen.<lb/> Es tritt dieser Zug. der für sein ganzes Wesen besonders charakteristisch ist. in<lb/> seinen Briefen aufs klarste hervor. Mit der energischsten Concentration seiner<lb/> Bestrebungen auf ein bestimmtes Ziel vereinigt sich in ihm eine seltene geistige<lb/> Elasticität, die ihn befähigt, sich mit Persönlichkeiten der verschiedensten Rich¬<lb/> tungen in einen nahen und oft innigen Verkehr zu setzen. Ueberall weiß er<lb/> sich, ohne seine Ueberzeugung zu verläugnen. der fremden Anschauungsweise<lb/> anzuschmiegen und mit jedem die Gegenstände zu verhandeln, für die er bei<lb/> 'hin el» besonderes Interesse glaubt voraussetzen zu können. Mit dem Einen<lb/> bespricht er die politischen Zustände Englands, mit dem Andern die großen<lb/> socialen Fragen der Gegenwart, mit einem Dritten verhandelt er über die<lb/> Stellung, welche die Kirche in den Verwickelungen der Politik einzunehmen hat.<lb/> Der briefliche Verkehr ist für ihn ein fortgesetztes Studium, ein beständiger<lb/> Austausch oft erst in der Bildung begriffener Gedanken. Er gestattet den ver¬<lb/> schiedensten Ideen die freieste und weiteste Entwickelung, sobald sie nur nicht<lb/> seinen Freihcitsidcalen feindlich gegenübertreten. Die Leichtigkeit, mit der er<lb/> 'n fremde Anschauungsweisen eingeht, ist für ihn durchaus bezeichnend; niemals<lb/> aber erscheint diese Anbequemung als schwächliche oder charakterlose nachgiebig,<lb/> keit. vielmehr spricht sich grade' in ihr seine hohe geistige Überlegenheit, die<lb/> Gewalt, die er über alle Gemüther ausübte, vermöge deren er die verschieden-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0397]
i>'e klare und sichere Berechnung, mit der er die Momente, die für eine Be-
schleunigung oder eine Verzögerung der Katastrophe sprachen, gegen einander
abwägt. — Was ferner seine Charakterfestigkeit betrifft, so wurzelt dieselbe
durchaus nicht etwa in der Vorliebe für eine bestimmte politische Doctrin,
oder in der Anhänglichkeit an eine bestimmte Person, sondern, was ihn
von der Mehrzahl der französischen Staatsmänner unterscheidet, in seinem
stolzen Unabhängigkeitssinne. Er verzichtet auf die Aussicht gewählt zu
werden (1837), nur um seine Wahl nicht der wider seinen Willen ihm ge¬
währten officiellen Unterstützung des ihm nahe befreundeten Ministers Mol6
-u verdanken; er will von officiellen Kandidaturen (die jedenfalls sehr viel zu
der Untergrabung des constitutionellen Systems in Frankreich beigetragen und
une gesunde Parteibildung gehindert haben) nichts wissen. In seiner parla¬
mentarischen Opposition wird er stets durch sachliche, nicht durch persönliche
Gründe bestimmt. Nach dem Falle der Monarchie schließt er sich der Republik
an. die er nicht gewünscht hat, und zu deren Dauer er sehr geringes Vertrauen
hat. in deren Consolidirung, wofern sie möglich sei, er aber doch noch die letzte
Aussicht für die Freiheit in Frankreich steht. Unversöhnlich ist er gegen den
Napoleonismus; mit einer Negierung. deren Princip die Unterdrückung der
Freiheit ist. kann er sich nicht vertragen.
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Innerhalb dieser Linieaber, an der er unerschütterlich festhält, hat er
vielmehr die Neigung, sich zu verständigen und auszugleichen, als zu bekämpfen.
Es tritt dieser Zug. der für sein ganzes Wesen besonders charakteristisch ist. in
seinen Briefen aufs klarste hervor. Mit der energischsten Concentration seiner
Bestrebungen auf ein bestimmtes Ziel vereinigt sich in ihm eine seltene geistige
Elasticität, die ihn befähigt, sich mit Persönlichkeiten der verschiedensten Rich¬
tungen in einen nahen und oft innigen Verkehr zu setzen. Ueberall weiß er
sich, ohne seine Ueberzeugung zu verläugnen. der fremden Anschauungsweise
anzuschmiegen und mit jedem die Gegenstände zu verhandeln, für die er bei
'hin el» besonderes Interesse glaubt voraussetzen zu können. Mit dem Einen
bespricht er die politischen Zustände Englands, mit dem Andern die großen
socialen Fragen der Gegenwart, mit einem Dritten verhandelt er über die
Stellung, welche die Kirche in den Verwickelungen der Politik einzunehmen hat.
Der briefliche Verkehr ist für ihn ein fortgesetztes Studium, ein beständiger
Austausch oft erst in der Bildung begriffener Gedanken. Er gestattet den ver¬
schiedensten Ideen die freieste und weiteste Entwickelung, sobald sie nur nicht
seinen Freihcitsidcalen feindlich gegenübertreten. Die Leichtigkeit, mit der er
'n fremde Anschauungsweisen eingeht, ist für ihn durchaus bezeichnend; niemals
aber erscheint diese Anbequemung als schwächliche oder charakterlose nachgiebig,
keit. vielmehr spricht sich grade' in ihr seine hohe geistige Überlegenheit, die
Gewalt, die er über alle Gemüther ausübte, vermöge deren er die verschieden-
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