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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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übertriebenen Diensteifer gehandelt, und glaubte er sich nun der bisherigen
Verbindlichkeiten enthoben, fühlte er, daß er das Maß überschritten habe und
wollte er dieses nun in Vergessenheit bringen, -- oder war es bloße Opposition
und wollte er jenen, die ihn gestürzt hatten, neuen Verdruß bereiten --
genug, er trug die größte Heiterkeit zur Schau, suchte die verschiedenartigsten
Vergnügungen auf, war herablassend und ziemlich gesprächig, äußerte bei ver¬
schiedenen Gelegenheiten seinen Zweifel, daß das in Oestreich eingeführte System
der Strenge und der Ueberwachung zu einem guten Ende führen könne und
schien sich überhaupt zu ziemlich liberalen Anschauungen bekehrt zu haben. Er
kaufte in Ungarn weitausgedehnte Besitzungen an und würde sich daselbst, wenn
er länger gelebt hätte, vielleicht vollständig nationalisirt haben. Er hatte, was
den übrigen militärischen Machthabern jener Zeit nicht nachgerühmt werden
kann, auf die Beschränkung der Presse niemals großes Gewicht gelegt, nun
aber schien er für die unbedingteste Preßfreiheit gesinnt zu sein. Es geschah
nicht selten, daß er in einer Gesellschaft die auf ihn gemachten Witze wieder¬
erzählte oder lachend die in verschiedenen illustrirten Blättern erschienenen Cari-
caturen seiner Person herumzeigte. Die dieses Genre besonders eifrig pflegen¬
den "Leuchtkugeln" versetzten ihn stets in die beste Laune. Doch wäre es nicht
unmöglich, daß er sich über diese Angriffe nur darum so wenig ereiferte, weil es
ihm in seiner unfreiwilligen Zurückgezogenheit doch noch lieber war, daß übel,
als daß gar nicht von ihm gesprochen wurde.

Hatte er schon früher im Umgange mit Höheren und Gleichgestellten eine
auf die Forderungen der Höflichkeit nur geringe Rücksicht nehmende Derb¬
heit gezeigt, so kannte jetzt, da er nichts zu hoffen oder zu fürchten, wohl aber
an Manchem sein Müthchen zu kühlen hatte, seine Grobheit oft keine Grenzen.
Der Graf Grünne und andere Höflinge mußten sich von ihm bei mehren Ge¬
legenheiten schlimme Dinge sagen lassen. Ein mit Haynau befreundeter Prinz,
welcher seinen hohen militärischen Nang jedenfalls mehr seiner Geburt als
seinen militärischen Leistungen zu verdanken hatte, kam einst zu dem General,
um ihm mitzutheilen, daß man ihn bei der Besetzung eines wichtigen Postens
übergangen habe. "Wir Ausländer." klagte der Prinz, "werden jetzt überall
zurückgesetzt. Das sehen Sie an sich, und ich habe es nun auch erfahren.
Denken Sie nur, da haben die in Wien dem General C. ein Corpscommando
gegeben." -- "Was. dem C.?" -- rief Haynau überrascht. "Nicht wahr", sagte
der durch diesen zustimmenden Ausruf erfreute Prinz, "Sie finden es auch
absurd, daß man einem solchen Manne diesen Posten giebt." -- "Das ist ge¬
rade so absurd." antwortete Haynau, "wie wenn man Ihnen diesen Posten gegeben
hätte." Ein ungarischer Kavalier, dessen Sohn wegen Betheiligung an dem
Aufstande verurtheilt, von Haynaus Nachfolger aber begnadigt worden und
dann durch Protektion sehr schnell zum Rittmeister avancirt war, stellte den-


übertriebenen Diensteifer gehandelt, und glaubte er sich nun der bisherigen
Verbindlichkeiten enthoben, fühlte er, daß er das Maß überschritten habe und
wollte er dieses nun in Vergessenheit bringen, — oder war es bloße Opposition
und wollte er jenen, die ihn gestürzt hatten, neuen Verdruß bereiten —
genug, er trug die größte Heiterkeit zur Schau, suchte die verschiedenartigsten
Vergnügungen auf, war herablassend und ziemlich gesprächig, äußerte bei ver¬
schiedenen Gelegenheiten seinen Zweifel, daß das in Oestreich eingeführte System
der Strenge und der Ueberwachung zu einem guten Ende führen könne und
schien sich überhaupt zu ziemlich liberalen Anschauungen bekehrt zu haben. Er
kaufte in Ungarn weitausgedehnte Besitzungen an und würde sich daselbst, wenn
er länger gelebt hätte, vielleicht vollständig nationalisirt haben. Er hatte, was
den übrigen militärischen Machthabern jener Zeit nicht nachgerühmt werden
kann, auf die Beschränkung der Presse niemals großes Gewicht gelegt, nun
aber schien er für die unbedingteste Preßfreiheit gesinnt zu sein. Es geschah
nicht selten, daß er in einer Gesellschaft die auf ihn gemachten Witze wieder¬
erzählte oder lachend die in verschiedenen illustrirten Blättern erschienenen Cari-
caturen seiner Person herumzeigte. Die dieses Genre besonders eifrig pflegen¬
den „Leuchtkugeln" versetzten ihn stets in die beste Laune. Doch wäre es nicht
unmöglich, daß er sich über diese Angriffe nur darum so wenig ereiferte, weil es
ihm in seiner unfreiwilligen Zurückgezogenheit doch noch lieber war, daß übel,
als daß gar nicht von ihm gesprochen wurde.

Hatte er schon früher im Umgange mit Höheren und Gleichgestellten eine
auf die Forderungen der Höflichkeit nur geringe Rücksicht nehmende Derb¬
heit gezeigt, so kannte jetzt, da er nichts zu hoffen oder zu fürchten, wohl aber
an Manchem sein Müthchen zu kühlen hatte, seine Grobheit oft keine Grenzen.
Der Graf Grünne und andere Höflinge mußten sich von ihm bei mehren Ge¬
legenheiten schlimme Dinge sagen lassen. Ein mit Haynau befreundeter Prinz,
welcher seinen hohen militärischen Nang jedenfalls mehr seiner Geburt als
seinen militärischen Leistungen zu verdanken hatte, kam einst zu dem General,
um ihm mitzutheilen, daß man ihn bei der Besetzung eines wichtigen Postens
übergangen habe. „Wir Ausländer." klagte der Prinz, „werden jetzt überall
zurückgesetzt. Das sehen Sie an sich, und ich habe es nun auch erfahren.
Denken Sie nur, da haben die in Wien dem General C. ein Corpscommando
gegeben." — „Was. dem C.?" — rief Haynau überrascht. „Nicht wahr", sagte
der durch diesen zustimmenden Ausruf erfreute Prinz, „Sie finden es auch
absurd, daß man einem solchen Manne diesen Posten giebt." — „Das ist ge¬
rade so absurd." antwortete Haynau, „wie wenn man Ihnen diesen Posten gegeben
hätte." Ein ungarischer Kavalier, dessen Sohn wegen Betheiligung an dem
Aufstande verurtheilt, von Haynaus Nachfolger aber begnadigt worden und
dann durch Protektion sehr schnell zum Rittmeister avancirt war, stellte den-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/38>, abgerufen am 15.01.2025.