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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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wie er dieses verstehe, entgegnete er: "Nun, es wäre doch sehr unangenehm
für mich gewesen, wenn er zufällig in meine Hände gefallen wäre und ich
dann mit ihm so wie mit den Uebrigen hätte verfahren müssen." Diese Aeu¬
ßerung -- wenn er sie überhaupt gethan hat -- mußte allein hinreichen, um
Haynau in Ungnade zu bringen.

Seit dem Beginn des ungarischen Feldzuges befand er sich unaufhörlich
im Zwiespalt mit dem Marschall Paskiewitsch, und einmal ließ er sich von
seinem Zorne so weit hinreißen, daß er, als wegen der Uebergabe der Festung
Arad einige Schwierigkeiten entstanden, dem mit einem Armeecorps dort be¬
findlichen Grafen Schlick befahl, die Nüssen ohne weiteres mit den Waffen
zu vertreiben -- ein Auftrag, den der tingere Schlick wohlweislich uner¬
füllt ließ.

Ueber die Leistungen Haynaus in diesem Feldzuge sind sehr abweichende
Urtheile gefällt worden. Wahr ist es, daß sein Vorrücken von Pesth abwärts
mehr ein wildes Drauflosgehcn mit den Truppen, die eben nachkommen konnten,
als eine nach den Regeln der Kunst ausgeführte Operation war. Die ungarische
Armee mußte wirklich schon in einer üblen Verfassung sein, wenn sie die sich
mehrmals bietende Gelegenheit nicht besser benutzte und unvermuthet über ihren
Verfolger herfiel, statt denselben in weitläufigen Defensivstellungen zu erwarten
und ihm dadurch erst Zeit zum Sammeln zu geben. Die Sache hätte dann
sehr übet für die östreichischen Truppen enden können. Aber Haynau mochte
seine Gegner kennen, und daß seine Operationen doch nicht ohne allen Plan
waren, wie einige Verehrer der methodischen Kriegführung behauptet haben,
geht daraus hervor, daß in den drei Schlachten .bei Szcgedin, Szörcg und
Temeswar so ziemlich alles zusammenklappte, und daß namentlich die Ver¬
pflegung sehr gut geregelt war und trotz aller Gewaltmärsche aus Erschöpfung
niedersinkende Leute nur selten zu sehen waren, was der östreichischen Armee
im Feldzuge 1869, wo jene Methodiker an der Spitze standen, nicht nachge¬
rühmt werden kann, obgleich die meisten-Verhältnisse günstiger als zehn Jahre
früher in Ungarn waren. Zudem aber that ein rasches Vorrücken Noth.
Paskiewitsch, der sich zu jener Zeit bereits ganz überlebt hatte, ließ sich un¬
nötigerweise fünf Tage an der Theiß festhalten und ging überhaupt nur zögernd
vor, weil er seine Russen schonen wollte. Wäre nun Haynau nicht so blitzschnell
vorgedrungen, so hätte sich Temesvar ergeben müssen, die auf diesen Platz
dirigirten Heerestheile der Ungarn hätten sich vereinigt und zwischen dieser
Festung und Arad Stellung genommen, und Bein hätte zuerst Haynau erdrückt
und sich dann auf Paskiewitsch geworfen. Die weiteren Folgen wären ganz
unberechenbar gewesen.

Nachdem die Krieger ihre Arbeit beendet, kam der Henker an die Reihe.
Obgleich sich Haynau hier in seiner ganzen Furchtbarkeit zeigte, herrschte in den


wie er dieses verstehe, entgegnete er: „Nun, es wäre doch sehr unangenehm
für mich gewesen, wenn er zufällig in meine Hände gefallen wäre und ich
dann mit ihm so wie mit den Uebrigen hätte verfahren müssen." Diese Aeu¬
ßerung — wenn er sie überhaupt gethan hat — mußte allein hinreichen, um
Haynau in Ungnade zu bringen.

Seit dem Beginn des ungarischen Feldzuges befand er sich unaufhörlich
im Zwiespalt mit dem Marschall Paskiewitsch, und einmal ließ er sich von
seinem Zorne so weit hinreißen, daß er, als wegen der Uebergabe der Festung
Arad einige Schwierigkeiten entstanden, dem mit einem Armeecorps dort be¬
findlichen Grafen Schlick befahl, die Nüssen ohne weiteres mit den Waffen
zu vertreiben — ein Auftrag, den der tingere Schlick wohlweislich uner¬
füllt ließ.

Ueber die Leistungen Haynaus in diesem Feldzuge sind sehr abweichende
Urtheile gefällt worden. Wahr ist es, daß sein Vorrücken von Pesth abwärts
mehr ein wildes Drauflosgehcn mit den Truppen, die eben nachkommen konnten,
als eine nach den Regeln der Kunst ausgeführte Operation war. Die ungarische
Armee mußte wirklich schon in einer üblen Verfassung sein, wenn sie die sich
mehrmals bietende Gelegenheit nicht besser benutzte und unvermuthet über ihren
Verfolger herfiel, statt denselben in weitläufigen Defensivstellungen zu erwarten
und ihm dadurch erst Zeit zum Sammeln zu geben. Die Sache hätte dann
sehr übet für die östreichischen Truppen enden können. Aber Haynau mochte
seine Gegner kennen, und daß seine Operationen doch nicht ohne allen Plan
waren, wie einige Verehrer der methodischen Kriegführung behauptet haben,
geht daraus hervor, daß in den drei Schlachten .bei Szcgedin, Szörcg und
Temeswar so ziemlich alles zusammenklappte, und daß namentlich die Ver¬
pflegung sehr gut geregelt war und trotz aller Gewaltmärsche aus Erschöpfung
niedersinkende Leute nur selten zu sehen waren, was der östreichischen Armee
im Feldzuge 1869, wo jene Methodiker an der Spitze standen, nicht nachge¬
rühmt werden kann, obgleich die meisten-Verhältnisse günstiger als zehn Jahre
früher in Ungarn waren. Zudem aber that ein rasches Vorrücken Noth.
Paskiewitsch, der sich zu jener Zeit bereits ganz überlebt hatte, ließ sich un¬
nötigerweise fünf Tage an der Theiß festhalten und ging überhaupt nur zögernd
vor, weil er seine Russen schonen wollte. Wäre nun Haynau nicht so blitzschnell
vorgedrungen, so hätte sich Temesvar ergeben müssen, die auf diesen Platz
dirigirten Heerestheile der Ungarn hätten sich vereinigt und zwischen dieser
Festung und Arad Stellung genommen, und Bein hätte zuerst Haynau erdrückt
und sich dann auf Paskiewitsch geworfen. Die weiteren Folgen wären ganz
unberechenbar gewesen.

Nachdem die Krieger ihre Arbeit beendet, kam der Henker an die Reihe.
Obgleich sich Haynau hier in seiner ganzen Furchtbarkeit zeigte, herrschte in den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/36>, abgerufen am 15.01.2025.