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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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wie ein andrer Mensch, sich geirrt habe. Er verwandte dieses Ergebniß zur
Polemik gegen das Christenthum; die apologetischen Bemühungen der Kirchen¬
väter gegen ihn haben uns glücklicherweise noch einiges aus diesen seinen Unter¬
suchungen erhalten.

Sehr genau stimmt die Schilderung der griechischen Zeit mit der wirklichen
Geschichte überein, und zwar wird sie immer specieller, je mehr sie sich der Zeit
des Verfassers nähert. Die Geschichte des Epiphanes wird uns hier nicht blos
in seinem Verhältniß zu Israel, sondern auch zu Aegypten sehr eingehend ge¬
schildert. Sein wahnsinniger Eifer gegen die Religion Israels tritt hier eben¬
so deutlich hervor, wie in den beiden Makkabäerbüchern. Aber der Verfasser
steht noch inmitten der Verwüstung, welche er von der Abstellung der täglichen
Opfer an (im Jahre 168) auf 3Vs Jahr (das Schwanken der Zahlen ist sehr
gering) anschlägt. Da er unmittelbar nach Ablauf derselben den Eintritt des
Gottesreichs erwartet, dieses aber in Wirklichkeit damals nicht eingetreten ist,
so müssen wir schließen, daß er noch vor Ablauf dieser Jahre geschrieben hat,
und zwar, da seine Hoffnungen auf Rettung rein ideale, ohne allen Anhalt in
den wirklichen Ereignissen sind, noch vor den Siegen des großen Judas Makka-
bäus und der Reinigung des Tempels und der Wiederherstellung der Opfer
durch denselben im December 165. Ein so bedeutsames Ereigniß, wie das
letztere, welches seit der Zeit immer durch ein jährliches Fest gefeiert wurde,
hätte der Verfasser sicher auf irgendeine Weise hervorgehoben, wenn er es
schon erlebt hätte; den Umstand, daß es genau drei Jahre nach der Entweihung
des Altars stattfand, hätte er sicher nicht verschwiegen. Aber er steht noch in
der schrecklichsten Finsterniß und trauert über die Abstellung der Opfer. Also
schrieb er im Jahre 167 oder 166 v. Chr. Geb.

Sehr erklärlich ist es nun, wenn der Verfasser die Geschichte der alten
Reiche nicht so genau kennt, wie die der griechischen, und hinsichtlich ihrer mehre
Fehler begeht. Wenn er das babylonische Reich nicht durch Cyrus, sondern
durch den Meder Darius, den Sohn des Ahasverus (Terxes), einnehmen läßt
(6.1; 9,1). so hat man in neuerer Zeit vergeblich gesucht, hierin die Spur
einer richtigen Tradition zu finden. Das Verhältniß des medischen Reichs,
welches nur durch den einen König Darius "präsentirt wird, zum persischen
ist dem Verfasser unklar. Diesen Darius scheint er mit Darius Hystaspis zu
verwechseln, da er ihm die Einrichtung von 120 Satrapien beilegt (6, 1), wie
jener wirklich das Reich in solche theilte, freilich nur in 20. Das Buch Daniel
kennt nur vier Perscrkönige (11.2); vermuthlich kommt dieser Irrthum daher,
daß in den sonstigen Büchern des Alten Testaments allerdings zufällig nur vier
Namen persischer Könige vorkommen (freilich mehr Personen), nämlich Cyrus,
Darius. Xerxes und Artaxerxes. Cap. 11 V. 2 wird deutlich der Zug des Xerxes
nach Griechenland mit dem Kampfe des letzten Darius gegen Alexander ver-


wie ein andrer Mensch, sich geirrt habe. Er verwandte dieses Ergebniß zur
Polemik gegen das Christenthum; die apologetischen Bemühungen der Kirchen¬
väter gegen ihn haben uns glücklicherweise noch einiges aus diesen seinen Unter¬
suchungen erhalten.

Sehr genau stimmt die Schilderung der griechischen Zeit mit der wirklichen
Geschichte überein, und zwar wird sie immer specieller, je mehr sie sich der Zeit
des Verfassers nähert. Die Geschichte des Epiphanes wird uns hier nicht blos
in seinem Verhältniß zu Israel, sondern auch zu Aegypten sehr eingehend ge¬
schildert. Sein wahnsinniger Eifer gegen die Religion Israels tritt hier eben¬
so deutlich hervor, wie in den beiden Makkabäerbüchern. Aber der Verfasser
steht noch inmitten der Verwüstung, welche er von der Abstellung der täglichen
Opfer an (im Jahre 168) auf 3Vs Jahr (das Schwanken der Zahlen ist sehr
gering) anschlägt. Da er unmittelbar nach Ablauf derselben den Eintritt des
Gottesreichs erwartet, dieses aber in Wirklichkeit damals nicht eingetreten ist,
so müssen wir schließen, daß er noch vor Ablauf dieser Jahre geschrieben hat,
und zwar, da seine Hoffnungen auf Rettung rein ideale, ohne allen Anhalt in
den wirklichen Ereignissen sind, noch vor den Siegen des großen Judas Makka-
bäus und der Reinigung des Tempels und der Wiederherstellung der Opfer
durch denselben im December 165. Ein so bedeutsames Ereigniß, wie das
letztere, welches seit der Zeit immer durch ein jährliches Fest gefeiert wurde,
hätte der Verfasser sicher auf irgendeine Weise hervorgehoben, wenn er es
schon erlebt hätte; den Umstand, daß es genau drei Jahre nach der Entweihung
des Altars stattfand, hätte er sicher nicht verschwiegen. Aber er steht noch in
der schrecklichsten Finsterniß und trauert über die Abstellung der Opfer. Also
schrieb er im Jahre 167 oder 166 v. Chr. Geb.

Sehr erklärlich ist es nun, wenn der Verfasser die Geschichte der alten
Reiche nicht so genau kennt, wie die der griechischen, und hinsichtlich ihrer mehre
Fehler begeht. Wenn er das babylonische Reich nicht durch Cyrus, sondern
durch den Meder Darius, den Sohn des Ahasverus (Terxes), einnehmen läßt
(6.1; 9,1). so hat man in neuerer Zeit vergeblich gesucht, hierin die Spur
einer richtigen Tradition zu finden. Das Verhältniß des medischen Reichs,
welches nur durch den einen König Darius «präsentirt wird, zum persischen
ist dem Verfasser unklar. Diesen Darius scheint er mit Darius Hystaspis zu
verwechseln, da er ihm die Einrichtung von 120 Satrapien beilegt (6, 1), wie
jener wirklich das Reich in solche theilte, freilich nur in 20. Das Buch Daniel
kennt nur vier Perscrkönige (11.2); vermuthlich kommt dieser Irrthum daher,
daß in den sonstigen Büchern des Alten Testaments allerdings zufällig nur vier
Namen persischer Könige vorkommen (freilich mehr Personen), nämlich Cyrus,
Darius. Xerxes und Artaxerxes. Cap. 11 V. 2 wird deutlich der Zug des Xerxes
nach Griechenland mit dem Kampfe des letzten Darius gegen Alexander ver-


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[0354] wie ein andrer Mensch, sich geirrt habe. Er verwandte dieses Ergebniß zur Polemik gegen das Christenthum; die apologetischen Bemühungen der Kirchen¬ väter gegen ihn haben uns glücklicherweise noch einiges aus diesen seinen Unter¬ suchungen erhalten. Sehr genau stimmt die Schilderung der griechischen Zeit mit der wirklichen Geschichte überein, und zwar wird sie immer specieller, je mehr sie sich der Zeit des Verfassers nähert. Die Geschichte des Epiphanes wird uns hier nicht blos in seinem Verhältniß zu Israel, sondern auch zu Aegypten sehr eingehend ge¬ schildert. Sein wahnsinniger Eifer gegen die Religion Israels tritt hier eben¬ so deutlich hervor, wie in den beiden Makkabäerbüchern. Aber der Verfasser steht noch inmitten der Verwüstung, welche er von der Abstellung der täglichen Opfer an (im Jahre 168) auf 3Vs Jahr (das Schwanken der Zahlen ist sehr gering) anschlägt. Da er unmittelbar nach Ablauf derselben den Eintritt des Gottesreichs erwartet, dieses aber in Wirklichkeit damals nicht eingetreten ist, so müssen wir schließen, daß er noch vor Ablauf dieser Jahre geschrieben hat, und zwar, da seine Hoffnungen auf Rettung rein ideale, ohne allen Anhalt in den wirklichen Ereignissen sind, noch vor den Siegen des großen Judas Makka- bäus und der Reinigung des Tempels und der Wiederherstellung der Opfer durch denselben im December 165. Ein so bedeutsames Ereigniß, wie das letztere, welches seit der Zeit immer durch ein jährliches Fest gefeiert wurde, hätte der Verfasser sicher auf irgendeine Weise hervorgehoben, wenn er es schon erlebt hätte; den Umstand, daß es genau drei Jahre nach der Entweihung des Altars stattfand, hätte er sicher nicht verschwiegen. Aber er steht noch in der schrecklichsten Finsterniß und trauert über die Abstellung der Opfer. Also schrieb er im Jahre 167 oder 166 v. Chr. Geb. Sehr erklärlich ist es nun, wenn der Verfasser die Geschichte der alten Reiche nicht so genau kennt, wie die der griechischen, und hinsichtlich ihrer mehre Fehler begeht. Wenn er das babylonische Reich nicht durch Cyrus, sondern durch den Meder Darius, den Sohn des Ahasverus (Terxes), einnehmen läßt (6.1; 9,1). so hat man in neuerer Zeit vergeblich gesucht, hierin die Spur einer richtigen Tradition zu finden. Das Verhältniß des medischen Reichs, welches nur durch den einen König Darius «präsentirt wird, zum persischen ist dem Verfasser unklar. Diesen Darius scheint er mit Darius Hystaspis zu verwechseln, da er ihm die Einrichtung von 120 Satrapien beilegt (6, 1), wie jener wirklich das Reich in solche theilte, freilich nur in 20. Das Buch Daniel kennt nur vier Perscrkönige (11.2); vermuthlich kommt dieser Irrthum daher, daß in den sonstigen Büchern des Alten Testaments allerdings zufällig nur vier Namen persischer Könige vorkommen (freilich mehr Personen), nämlich Cyrus, Darius. Xerxes und Artaxerxes. Cap. 11 V. 2 wird deutlich der Zug des Xerxes nach Griechenland mit dem Kampfe des letzten Darius gegen Alexander ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/354>, abgerufen am 15.01.2025.