Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wurde in Gegenwart einer Menge Militärs aller Grade und während auf der
andern Seite' des Platzes eine Musikbande spielte, ausgeführt. Untergeordnete-
ahmten die Härte der Obern vielfach nach. So konnte bei einem Kriegsgericht,
welches über einen der Verbreitung kossuthischer Proclamationen nur ver¬
dächtigen Gutsbesitzer abzuurtheilen hatte, der Auditor mit dem Vorsitzenden,
einem alten Kroatenmajor, nicht Übereinkommen. Ersterer wollte den Gefangenen
lossprechen, letzterer drang auf Verurtheilung. Haynau, hiervon benachrichtigt,
fragte den Auditor, warum er den Gefangenen nicht habe verurtheilen wollen.
..Excellenz." entgegnete derselbe, "es liegen keine genügenden Beweise vor. und
selbst wenn es ihm bewiesen werden könnte, würde sein Vergehen nach den
Kriegsartikeln nicht mit dem Tode zu bestrafen sein." Nun enthielten aber
die damalige" Kriegsartikel fast nur "Strang", "Pulver und Bin" und "Strang"
in lieblichster Abwechslung. Demungeachtet rief Haynau: "Was sollen die
Kriegsartikel, die jetzt viel zu mild sind. Richten Sie sich nur nach meiner
Proclamation, und wenn Sie auch dann nicht den Kerl aufhängen können, so
wird es schon ein anderer Auditor thun."

Gleichwohl pardonnirte er den von einem neu zusammenberufenen Kriegs¬
gerichte wirklich zum Tode Verurtheilten, weil "die Sache denn doch zweifel¬
haft sein könne". Ueberhaupt besaß er mehr Gerechtigkeitsliebe, als man nach
dem Gesagten erwarten möchte, und besonders ließ er sich durch Rang und
Vermögen des Betreffenden nicht im mindesten beeinflussen. Er war gleich
hart gegen alle, aber gegen die Vornehmen fast noch mehr als gegen die Ge-
nügen. Jede Eigenmächtigkeit, welche sich seine Soldaten zu Schulden kommen
Aeßen. wurde unnachsichtlich mit der äußersten Strenge bestraft, da er aber
zugleich aufs Beste für alle Bedürfnisse der Mannschaften sorgte und überdies
stets eine außerordentliche Unerschrockenheit zeigte, so war er trotzdem beim
gemeinen Manne beliebt, obgleich er nie um dessen Gunst sich bewarb.

Dafür konnte der hohe Adel ihm niemals verzeihen, daß er auch gar keinen
Unterschied in der Behandlung der Schuldigen machte und auf den aus den
vornehmen Kreisen ihm ertheilten Rath oder Einspruch durchaus nicht achtete.
Ein Offizier wurde ihm von mehren Cavalieren zur besonderen Berücksichtigung
anempfohlen, und man hob dabei hervor, daß es in seiner Macht gewesen sei,
den Ungarn große Dienste zu leisten, er es aber unterlassen habe. "Dahaben
S'e sehr klug gehandelt; denn sonst hätte ich Sie hängen lassen!" Mit diesen
Worten war die Sache erledigt. Man erzählt sogar, daß. als einst von einer
sehr hohen Persönlichkeit (welche durch ihre zweideutige Haltung zur Entwicklung
der Revolution sehr viel beigetragen und eben darum es mit beiden Parteien
verdorben) die Rede war. Haynau bemerkt habe: "Nun Er verließ das Land
gerade noch im letzten Momente, und ich habe mir schon oft Glück gewünscht,
daß das alles sich noch vor meiner Ankunft abgewickelt hat." Aus die Frage,


wurde in Gegenwart einer Menge Militärs aller Grade und während auf der
andern Seite' des Platzes eine Musikbande spielte, ausgeführt. Untergeordnete-
ahmten die Härte der Obern vielfach nach. So konnte bei einem Kriegsgericht,
welches über einen der Verbreitung kossuthischer Proclamationen nur ver¬
dächtigen Gutsbesitzer abzuurtheilen hatte, der Auditor mit dem Vorsitzenden,
einem alten Kroatenmajor, nicht Übereinkommen. Ersterer wollte den Gefangenen
lossprechen, letzterer drang auf Verurtheilung. Haynau, hiervon benachrichtigt,
fragte den Auditor, warum er den Gefangenen nicht habe verurtheilen wollen.
..Excellenz." entgegnete derselbe, „es liegen keine genügenden Beweise vor. und
selbst wenn es ihm bewiesen werden könnte, würde sein Vergehen nach den
Kriegsartikeln nicht mit dem Tode zu bestrafen sein." Nun enthielten aber
die damalige» Kriegsartikel fast nur „Strang", „Pulver und Bin" und „Strang"
in lieblichster Abwechslung. Demungeachtet rief Haynau: „Was sollen die
Kriegsartikel, die jetzt viel zu mild sind. Richten Sie sich nur nach meiner
Proclamation, und wenn Sie auch dann nicht den Kerl aufhängen können, so
wird es schon ein anderer Auditor thun."

Gleichwohl pardonnirte er den von einem neu zusammenberufenen Kriegs¬
gerichte wirklich zum Tode Verurtheilten, weil „die Sache denn doch zweifel¬
haft sein könne". Ueberhaupt besaß er mehr Gerechtigkeitsliebe, als man nach
dem Gesagten erwarten möchte, und besonders ließ er sich durch Rang und
Vermögen des Betreffenden nicht im mindesten beeinflussen. Er war gleich
hart gegen alle, aber gegen die Vornehmen fast noch mehr als gegen die Ge-
nügen. Jede Eigenmächtigkeit, welche sich seine Soldaten zu Schulden kommen
Aeßen. wurde unnachsichtlich mit der äußersten Strenge bestraft, da er aber
zugleich aufs Beste für alle Bedürfnisse der Mannschaften sorgte und überdies
stets eine außerordentliche Unerschrockenheit zeigte, so war er trotzdem beim
gemeinen Manne beliebt, obgleich er nie um dessen Gunst sich bewarb.

Dafür konnte der hohe Adel ihm niemals verzeihen, daß er auch gar keinen
Unterschied in der Behandlung der Schuldigen machte und auf den aus den
vornehmen Kreisen ihm ertheilten Rath oder Einspruch durchaus nicht achtete.
Ein Offizier wurde ihm von mehren Cavalieren zur besonderen Berücksichtigung
anempfohlen, und man hob dabei hervor, daß es in seiner Macht gewesen sei,
den Ungarn große Dienste zu leisten, er es aber unterlassen habe. „Dahaben
S'e sehr klug gehandelt; denn sonst hätte ich Sie hängen lassen!" Mit diesen
Worten war die Sache erledigt. Man erzählt sogar, daß. als einst von einer
sehr hohen Persönlichkeit (welche durch ihre zweideutige Haltung zur Entwicklung
der Revolution sehr viel beigetragen und eben darum es mit beiden Parteien
verdorben) die Rede war. Haynau bemerkt habe: „Nun Er verließ das Land
gerade noch im letzten Momente, und ich habe mir schon oft Glück gewünscht,
daß das alles sich noch vor meiner Ankunft abgewickelt hat." Aus die Frage,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0035" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283388"/>
          <p xml:id="ID_82" prev="#ID_81"> wurde in Gegenwart einer Menge Militärs aller Grade und während auf der<lb/>
andern Seite' des Platzes eine Musikbande spielte, ausgeführt. Untergeordnete-<lb/>
ahmten die Härte der Obern vielfach nach. So konnte bei einem Kriegsgericht,<lb/>
welches über einen der Verbreitung kossuthischer Proclamationen nur ver¬<lb/>
dächtigen Gutsbesitzer abzuurtheilen hatte, der Auditor mit dem Vorsitzenden,<lb/>
einem alten Kroatenmajor, nicht Übereinkommen. Ersterer wollte den Gefangenen<lb/>
lossprechen, letzterer drang auf Verurtheilung. Haynau, hiervon benachrichtigt,<lb/>
fragte den Auditor, warum er den Gefangenen nicht habe verurtheilen wollen.<lb/>
..Excellenz." entgegnete derselbe, &#x201E;es liegen keine genügenden Beweise vor. und<lb/>
selbst wenn es ihm bewiesen werden könnte, würde sein Vergehen nach den<lb/>
Kriegsartikeln nicht mit dem Tode zu bestrafen sein." Nun enthielten aber<lb/>
die damalige» Kriegsartikel fast nur &#x201E;Strang", &#x201E;Pulver und Bin" und &#x201E;Strang"<lb/>
in lieblichster Abwechslung. Demungeachtet rief Haynau: &#x201E;Was sollen die<lb/>
Kriegsartikel, die jetzt viel zu mild sind. Richten Sie sich nur nach meiner<lb/>
Proclamation, und wenn Sie auch dann nicht den Kerl aufhängen können, so<lb/>
wird es schon ein anderer Auditor thun."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_83"> Gleichwohl pardonnirte er den von einem neu zusammenberufenen Kriegs¬<lb/>
gerichte wirklich zum Tode Verurtheilten, weil &#x201E;die Sache denn doch zweifel¬<lb/>
haft sein könne". Ueberhaupt besaß er mehr Gerechtigkeitsliebe, als man nach<lb/>
dem Gesagten erwarten möchte, und besonders ließ er sich durch Rang und<lb/>
Vermögen des Betreffenden nicht im mindesten beeinflussen. Er war gleich<lb/>
hart gegen alle, aber gegen die Vornehmen fast noch mehr als gegen die Ge-<lb/>
nügen. Jede Eigenmächtigkeit, welche sich seine Soldaten zu Schulden kommen<lb/>
Aeßen. wurde unnachsichtlich mit der äußersten Strenge bestraft, da er aber<lb/>
zugleich aufs Beste für alle Bedürfnisse der Mannschaften sorgte und überdies<lb/>
stets eine außerordentliche Unerschrockenheit zeigte, so war er trotzdem beim<lb/>
gemeinen Manne beliebt, obgleich er nie um dessen Gunst sich bewarb.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_84" next="#ID_85"> Dafür konnte der hohe Adel ihm niemals verzeihen, daß er auch gar keinen<lb/>
Unterschied in der Behandlung der Schuldigen machte und auf den aus den<lb/>
vornehmen Kreisen ihm ertheilten Rath oder Einspruch durchaus nicht achtete.<lb/>
Ein Offizier wurde ihm von mehren Cavalieren zur besonderen Berücksichtigung<lb/>
anempfohlen, und man hob dabei hervor, daß es in seiner Macht gewesen sei,<lb/>
den Ungarn große Dienste zu leisten, er es aber unterlassen habe. &#x201E;Dahaben<lb/>
S'e sehr klug gehandelt; denn sonst hätte ich Sie hängen lassen!" Mit diesen<lb/>
Worten war die Sache erledigt. Man erzählt sogar, daß. als einst von einer<lb/>
sehr hohen Persönlichkeit (welche durch ihre zweideutige Haltung zur Entwicklung<lb/>
der Revolution sehr viel beigetragen und eben darum es mit beiden Parteien<lb/>
verdorben) die Rede war. Haynau bemerkt habe: &#x201E;Nun Er verließ das Land<lb/>
gerade noch im letzten Momente, und ich habe mir schon oft Glück gewünscht,<lb/>
daß das alles sich noch vor meiner Ankunft abgewickelt hat." Aus die Frage,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0035] wurde in Gegenwart einer Menge Militärs aller Grade und während auf der andern Seite' des Platzes eine Musikbande spielte, ausgeführt. Untergeordnete- ahmten die Härte der Obern vielfach nach. So konnte bei einem Kriegsgericht, welches über einen der Verbreitung kossuthischer Proclamationen nur ver¬ dächtigen Gutsbesitzer abzuurtheilen hatte, der Auditor mit dem Vorsitzenden, einem alten Kroatenmajor, nicht Übereinkommen. Ersterer wollte den Gefangenen lossprechen, letzterer drang auf Verurtheilung. Haynau, hiervon benachrichtigt, fragte den Auditor, warum er den Gefangenen nicht habe verurtheilen wollen. ..Excellenz." entgegnete derselbe, „es liegen keine genügenden Beweise vor. und selbst wenn es ihm bewiesen werden könnte, würde sein Vergehen nach den Kriegsartikeln nicht mit dem Tode zu bestrafen sein." Nun enthielten aber die damalige» Kriegsartikel fast nur „Strang", „Pulver und Bin" und „Strang" in lieblichster Abwechslung. Demungeachtet rief Haynau: „Was sollen die Kriegsartikel, die jetzt viel zu mild sind. Richten Sie sich nur nach meiner Proclamation, und wenn Sie auch dann nicht den Kerl aufhängen können, so wird es schon ein anderer Auditor thun." Gleichwohl pardonnirte er den von einem neu zusammenberufenen Kriegs¬ gerichte wirklich zum Tode Verurtheilten, weil „die Sache denn doch zweifel¬ haft sein könne". Ueberhaupt besaß er mehr Gerechtigkeitsliebe, als man nach dem Gesagten erwarten möchte, und besonders ließ er sich durch Rang und Vermögen des Betreffenden nicht im mindesten beeinflussen. Er war gleich hart gegen alle, aber gegen die Vornehmen fast noch mehr als gegen die Ge- nügen. Jede Eigenmächtigkeit, welche sich seine Soldaten zu Schulden kommen Aeßen. wurde unnachsichtlich mit der äußersten Strenge bestraft, da er aber zugleich aufs Beste für alle Bedürfnisse der Mannschaften sorgte und überdies stets eine außerordentliche Unerschrockenheit zeigte, so war er trotzdem beim gemeinen Manne beliebt, obgleich er nie um dessen Gunst sich bewarb. Dafür konnte der hohe Adel ihm niemals verzeihen, daß er auch gar keinen Unterschied in der Behandlung der Schuldigen machte und auf den aus den vornehmen Kreisen ihm ertheilten Rath oder Einspruch durchaus nicht achtete. Ein Offizier wurde ihm von mehren Cavalieren zur besonderen Berücksichtigung anempfohlen, und man hob dabei hervor, daß es in seiner Macht gewesen sei, den Ungarn große Dienste zu leisten, er es aber unterlassen habe. „Dahaben S'e sehr klug gehandelt; denn sonst hätte ich Sie hängen lassen!" Mit diesen Worten war die Sache erledigt. Man erzählt sogar, daß. als einst von einer sehr hohen Persönlichkeit (welche durch ihre zweideutige Haltung zur Entwicklung der Revolution sehr viel beigetragen und eben darum es mit beiden Parteien verdorben) die Rede war. Haynau bemerkt habe: „Nun Er verließ das Land gerade noch im letzten Momente, und ich habe mir schon oft Glück gewünscht, daß das alles sich noch vor meiner Ankunft abgewickelt hat." Aus die Frage,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/35
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/35>, abgerufen am 15.01.2025.