Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.ihm den Titel des "ersten Bürgers von Köln" streitig machen. Aber weder Sprechen wir, als von dem mehr Aeußern und Anerkannten, zunächst von Mit geringer Zuversicht sprechen wir natürlich von den Talenten, die unter ihm den Titel des „ersten Bürgers von Köln" streitig machen. Aber weder Sprechen wir, als von dem mehr Aeußern und Anerkannten, zunächst von Mit geringer Zuversicht sprechen wir natürlich von den Talenten, die unter <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0344" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283697"/> <p xml:id="ID_969" prev="#ID_968"> ihm den Titel des „ersten Bürgers von Köln" streitig machen. Aber weder<lb/> aus dem Aristoteles noch aus dem Montesquieu oder Bentham läßt sich der<lb/> Nachweis führen, daß der „erste Bürger" und der Parteiführer Begriffe seien,<lb/> welche sich decken, — während es nicht schwer ist zu erkennen, daß sowohl in<lb/> der Person als in der Stellung des Genannten Mängel stecken, die mit der<lb/> Borstellung von einem rechten politischen Führer unvereinbar sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_970"> Sprechen wir, als von dem mehr Aeußern und Anerkannten, zunächst von<lb/> der Stellung. Wir sehen einen bürgerlichen Parvenü vor uns, den Sohn<lb/> wenig bemittelter Eltern aus dem unbedeutenden Rheinstädtchen Sinzig, der<lb/> nach Köln kommt, ein Geschäft begründet, es in Flor bringt und stufenweise ein<lb/> Vermögen erwirbt; aber ohne sich deshalb, gleichviel aus was für Ursachen,<lb/> wie die meisten andern Seinesgleiches mit aristokratischen Ansprüchen und Ge¬<lb/> sinnungen zu erfüllen. Vielmehr wird es bald sein Ehrgeiz und am Ende sein<lb/> Ruhm, den Wortführer des mittleren und niederen Bürgerstandes in jeder Art<lb/> von Opposition zu machen. Als solcher hat er nicht am seltensten die großen<lb/> bürgerlichen Familien Kölns zu bekämpfen gehabt, deren exclusive Stellung so<lb/> häufig Haß und Neid herausfordert. Der Liberalismus dieser Optimaten oder<lb/> „Potenten", wie man sie am Rhein nennt, ist zwar niemals sonderlich kraftvoll<lb/> gewesen und hat sich schon seit Jahren völlig auf sein eignes glückliches Selbst¬<lb/> bewußtsein zurückgezogen; allein sie hängen natürlich vielfach mit den ent¬<lb/> sprechenden Kreisen anderer rheinischen Städte und Gegenden zusammen, in<lb/> denen der Freiheitsgeist ein weniger latentes Leben führt, und durch diese Ver¬<lb/> bindung entsteht für ihre örtlichen Widersacher eine Gefahr, die uns gleichgiltig<lb/> lassen könnte, wenn es sich lediglich um die Stadt Köln handelte. Solche<lb/> städtische Demokraten mögen leicht den Gegensatz, in welchem ihre communale<lb/> Thätigkeit sich vorzugsweise bewegt, auf die größeren Verhältnisse des Staates<lb/> übertragen und so dieselben einseitig, ja engherzig beurtheilen und behandeln.<lb/> Es ist nicht anzunehmen, daß sie die Bundesgenossenschaft liberaler Aristokraten,<lb/> so sehr dieselbe sachlich geboten sein mag, jemals unbefangen und loyal er¬<lb/> greifen. Läge solche Erhebung zu hohen und weiten Gesichtspunkten aber auch<lb/> im Bereich ihres Gcistesvermögcns, so ist es immer noch fraglich, ob Bundes¬<lb/> genossen der bezeichneten Art als gemeinsamen Führer einen Demokraten accep-<lb/> tiren würden, der sich daheim grade im Kampfe gegen sie erst überall einen<lb/> Namen gemacht hätte. Und das ist genau der Fall des Herrn Classen-Kappel¬<lb/> mann.</p><lb/> <p xml:id="ID_971" next="#ID_972"> Mit geringer Zuversicht sprechen wir natürlich von den Talenten, die unter<lb/> dem „schlichten grauen Rocke" stecken sollen, welchen der Biograph Herrn Classen<lb/> in der „Gartenlaube" ein für alle Mal angezogen hat. Manche schöpferische<lb/> Geister entfalten sich früh, andere spät; warum sollte Herr Classen nicht zu den<lb/> letzteren gehören? Nur scheint es uns erstens nicht eben ein Zeichen emporstrebenden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0344]
ihm den Titel des „ersten Bürgers von Köln" streitig machen. Aber weder
aus dem Aristoteles noch aus dem Montesquieu oder Bentham läßt sich der
Nachweis führen, daß der „erste Bürger" und der Parteiführer Begriffe seien,
welche sich decken, — während es nicht schwer ist zu erkennen, daß sowohl in
der Person als in der Stellung des Genannten Mängel stecken, die mit der
Borstellung von einem rechten politischen Führer unvereinbar sind.
Sprechen wir, als von dem mehr Aeußern und Anerkannten, zunächst von
der Stellung. Wir sehen einen bürgerlichen Parvenü vor uns, den Sohn
wenig bemittelter Eltern aus dem unbedeutenden Rheinstädtchen Sinzig, der
nach Köln kommt, ein Geschäft begründet, es in Flor bringt und stufenweise ein
Vermögen erwirbt; aber ohne sich deshalb, gleichviel aus was für Ursachen,
wie die meisten andern Seinesgleiches mit aristokratischen Ansprüchen und Ge¬
sinnungen zu erfüllen. Vielmehr wird es bald sein Ehrgeiz und am Ende sein
Ruhm, den Wortführer des mittleren und niederen Bürgerstandes in jeder Art
von Opposition zu machen. Als solcher hat er nicht am seltensten die großen
bürgerlichen Familien Kölns zu bekämpfen gehabt, deren exclusive Stellung so
häufig Haß und Neid herausfordert. Der Liberalismus dieser Optimaten oder
„Potenten", wie man sie am Rhein nennt, ist zwar niemals sonderlich kraftvoll
gewesen und hat sich schon seit Jahren völlig auf sein eignes glückliches Selbst¬
bewußtsein zurückgezogen; allein sie hängen natürlich vielfach mit den ent¬
sprechenden Kreisen anderer rheinischen Städte und Gegenden zusammen, in
denen der Freiheitsgeist ein weniger latentes Leben führt, und durch diese Ver¬
bindung entsteht für ihre örtlichen Widersacher eine Gefahr, die uns gleichgiltig
lassen könnte, wenn es sich lediglich um die Stadt Köln handelte. Solche
städtische Demokraten mögen leicht den Gegensatz, in welchem ihre communale
Thätigkeit sich vorzugsweise bewegt, auf die größeren Verhältnisse des Staates
übertragen und so dieselben einseitig, ja engherzig beurtheilen und behandeln.
Es ist nicht anzunehmen, daß sie die Bundesgenossenschaft liberaler Aristokraten,
so sehr dieselbe sachlich geboten sein mag, jemals unbefangen und loyal er¬
greifen. Läge solche Erhebung zu hohen und weiten Gesichtspunkten aber auch
im Bereich ihres Gcistesvermögcns, so ist es immer noch fraglich, ob Bundes¬
genossen der bezeichneten Art als gemeinsamen Führer einen Demokraten accep-
tiren würden, der sich daheim grade im Kampfe gegen sie erst überall einen
Namen gemacht hätte. Und das ist genau der Fall des Herrn Classen-Kappel¬
mann.
Mit geringer Zuversicht sprechen wir natürlich von den Talenten, die unter
dem „schlichten grauen Rocke" stecken sollen, welchen der Biograph Herrn Classen
in der „Gartenlaube" ein für alle Mal angezogen hat. Manche schöpferische
Geister entfalten sich früh, andere spät; warum sollte Herr Classen nicht zu den
letzteren gehören? Nur scheint es uns erstens nicht eben ein Zeichen emporstrebenden
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