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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Häupter des Aufstandes entschlüpfen ließ oder begnadigte, andere aber trotz
der Fürsprache der höchsten Würdenträger an den Galgen oder auf den Sand¬
haufen schickte. Ließ er doch sogar Personen hinrichten, welche von andern
Befehlshabern bereits begnadigt worden waren. Ein gewisser Ruby, früher
östreichischer Offizier, war von dem Kriegsgerichte in Temeswar zum Tode ver¬
urtheilt, aber von dem dortigen Festungscommandanten, General Rutavina
pardonirt worden und begegnete, als er eben einen Paß zur Reise in seine
Heimat lösen wollte, dem Feldzeugmeister, welcher ihn fragte, was er im Haupt¬
quartier wolle. "Sie find begnadigt worden," rief Haynau, als jener sein
Geschick erzählt, "hier aber hat niemand etwas zu begnadigen." "Lassen Sie
den Menschen da augenblicklich wieder hinausführen", sagte er zu einem Ad¬
jutanten, indem er nach der Gegend hindeutete, wo gewöhnlich die Füsiiaden
vorgenommen wurden. Alles Bitten war erfolglos, bis endlich ein Offizier
bemerkte, daß Haynau als Theresiensordensritter doch das von einem andern
Theresiensordensritter gegebene Wort achten müsse. Wie er die warme Für¬
sprache der russischen Generale für die ungarischen Offiziere, welche sich ihnen
ergeben, berücksichtigte, ist bekannt. Indessen darf man nicht vergessen, daß
Haynau auch bei mehren andern Gelegenheiten achtbare Frauen und Mädchen
auf empörende Weise züchtigen ließ, und daß später auch untergeordnete Befehls¬
haber das von ihrem Feldherrn gegebene Beispiel nachahmten.*)

Wäre übrigens der Feldzeugmeister auch zur Milde geneigt gewesen,
so hätten sicherlich einige Personen aus seiner Umgebung seinen Sinn umge¬
stimmt. Zu diesen gehörte vorzüglich ein Auditor, welcher von den Ungarn
mit jenen^ Blutrichtern aus der Zeit der General" Caraffa, Spankau und Heister
verglichen wurde und einem Fouquier Tinville zur Seite gestellt werden konnte.
Er wurde später in Lemberg aus offener Straße erdolcht. Wer in die Hände
dieses Mannes siel, war als verurtheilt anzusehn. Auch der General, welcher
als Personalchef des Hauptquartiers fungirte, war von mehr als gewöhnlicher
Strenge und Energie. Er ließ einst achtzig Bauern, welche mit ihren Borspann¬
wagen den ihnen angewiesenen Warteplatz verlassen und durch die ihnen nach¬
geschickte Cavallerie zurückgebracht worden, der Reihe nach' mit vierzig bis
fünfzig Stockprügeln bctheilen. Diese Execution, wobei immer zehn bis zwölf
Delinquenten zugleich abgefertigt wurden, dauerte über zwei Stunden und



") Noch im Jahre 1850 ereignete sich ein derartiger Vorfall in Siebenbürgen. Ein Ritt-
meister und ein Lieutenant hatten entdeckt, daß die Gräfin, in deren Schloß sie wohnten, und
deren Tochter lebhafte Sympathien für die Sache ihrer Landsleute hegten. Indem sie nach
wie vor die Gastfreundschaft ihrer Wirthinnen im vollsten Maße benujzten, spürten sie alles
aus und fanden endlich einige dreifarbige Bänder und ein Porträt Kossuths, Sie hielten nun
Gericht, verurtheilten die beiden Damen zu einer Anzahl von Stockstreichen und ließen diese
empörende Strafe in ihrer Gegenwart durch Corvorale vollziehen.

Häupter des Aufstandes entschlüpfen ließ oder begnadigte, andere aber trotz
der Fürsprache der höchsten Würdenträger an den Galgen oder auf den Sand¬
haufen schickte. Ließ er doch sogar Personen hinrichten, welche von andern
Befehlshabern bereits begnadigt worden waren. Ein gewisser Ruby, früher
östreichischer Offizier, war von dem Kriegsgerichte in Temeswar zum Tode ver¬
urtheilt, aber von dem dortigen Festungscommandanten, General Rutavina
pardonirt worden und begegnete, als er eben einen Paß zur Reise in seine
Heimat lösen wollte, dem Feldzeugmeister, welcher ihn fragte, was er im Haupt¬
quartier wolle. „Sie find begnadigt worden," rief Haynau, als jener sein
Geschick erzählt, „hier aber hat niemand etwas zu begnadigen." „Lassen Sie
den Menschen da augenblicklich wieder hinausführen", sagte er zu einem Ad¬
jutanten, indem er nach der Gegend hindeutete, wo gewöhnlich die Füsiiaden
vorgenommen wurden. Alles Bitten war erfolglos, bis endlich ein Offizier
bemerkte, daß Haynau als Theresiensordensritter doch das von einem andern
Theresiensordensritter gegebene Wort achten müsse. Wie er die warme Für¬
sprache der russischen Generale für die ungarischen Offiziere, welche sich ihnen
ergeben, berücksichtigte, ist bekannt. Indessen darf man nicht vergessen, daß
Haynau auch bei mehren andern Gelegenheiten achtbare Frauen und Mädchen
auf empörende Weise züchtigen ließ, und daß später auch untergeordnete Befehls¬
haber das von ihrem Feldherrn gegebene Beispiel nachahmten.*)

Wäre übrigens der Feldzeugmeister auch zur Milde geneigt gewesen,
so hätten sicherlich einige Personen aus seiner Umgebung seinen Sinn umge¬
stimmt. Zu diesen gehörte vorzüglich ein Auditor, welcher von den Ungarn
mit jenen^ Blutrichtern aus der Zeit der General« Caraffa, Spankau und Heister
verglichen wurde und einem Fouquier Tinville zur Seite gestellt werden konnte.
Er wurde später in Lemberg aus offener Straße erdolcht. Wer in die Hände
dieses Mannes siel, war als verurtheilt anzusehn. Auch der General, welcher
als Personalchef des Hauptquartiers fungirte, war von mehr als gewöhnlicher
Strenge und Energie. Er ließ einst achtzig Bauern, welche mit ihren Borspann¬
wagen den ihnen angewiesenen Warteplatz verlassen und durch die ihnen nach¬
geschickte Cavallerie zurückgebracht worden, der Reihe nach' mit vierzig bis
fünfzig Stockprügeln bctheilen. Diese Execution, wobei immer zehn bis zwölf
Delinquenten zugleich abgefertigt wurden, dauerte über zwei Stunden und



") Noch im Jahre 1850 ereignete sich ein derartiger Vorfall in Siebenbürgen. Ein Ritt-
meister und ein Lieutenant hatten entdeckt, daß die Gräfin, in deren Schloß sie wohnten, und
deren Tochter lebhafte Sympathien für die Sache ihrer Landsleute hegten. Indem sie nach
wie vor die Gastfreundschaft ihrer Wirthinnen im vollsten Maße benujzten, spürten sie alles
aus und fanden endlich einige dreifarbige Bänder und ein Porträt Kossuths, Sie hielten nun
Gericht, verurtheilten die beiden Damen zu einer Anzahl von Stockstreichen und ließen diese
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/34>, abgerufen am 15.01.2025.