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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Anordnungen wohl noch niemand aufgeklärt worden sein wird. Denn bald
scheint dieses künftige "Reichsmuseum" eine Vereinigung aller im ganzen Reiche
aufzutreibenden Natur- und Kunstmerkwürdigkeiten werden zu sollen, bald will
man nur die derzeit vereinzelten Gallerten und Sammlungen Wiens in ein
Ganzes vereinigen, ja zuweilen betrachtet man das Institut nur als eine Art
von permanenter Kunst- und Industrieausstellung. Sehr wahrscheinlich ist,
daß von alledem gar nichts erreicht werden wird. Man wollte sich hier wie
bei noch andern Gelegenheiten das Ansehn geben, als beabsichtige man nicht
nur den "Wohlstand und die Schönheit der Stadt, sondern auch das Aufblühen
der schönen Künste und Wissenschaften zu befördern"; aber die Eilfertigkeit, mit
weicher man an das Werk ging, und alle übrigen Anordnungen zeigten nur
zu deutlich das geringe Verständniß für derlei Dinge bei dem Anordnenden,
und welche verkehrten Vorstellungen derselbe einerseits von seiner Machtvoll¬
kommenheit und andrerseits von dem Endzweck bei der Gründung von In¬
stituten dieser Art hegte. Aus Ungeduld, da man bis zur Vollendung eines
zweckentsprechenden Gebäudes hätte zu lange warten müssen, vielleicht auch aus
gewohnter Anhänglichkeit an provisorische Zustände, errichtete man vorläufig
ein proviforisches Museum. Es ist kein Zweifel, daß sich unter den daselbst
befindlichen Gegenständen mehre an sich recht merkwürdige Stücke befinden.
Wurden doch von den verschiedenen Privat- und öffentlichen Sammlungen
Beiträge begehrt und auch gesendet, aber bei dem ersten Blicke in eines der
fünf Gemächer muß sich jedem die höchst armselige Auswahl, die durch den
beschränkten Raum bedingte schlechte Zusammenstellung, kurz die Werthlostgkeit
des Ganzen als Ganzes klar vor Augen stellen. Und erst die äußere Hülle
dieses Kunstinstituts! Dieselbe wurde noch vor wenigen Jahren als Stall für
die Pferde und als Remise für die Wagen irgendeines Hvfbediensteten ver¬
wendet und in einigen Tagen mit ganz unbedeutenden Kosten in ein "k. k. östrei¬
chisches Museum für Kunst und Industrie", wie auf einer über dem Eingange
angebrachten riesigen Tafel zu lesen ist, umgewandelt. Und doch wimmelt diese
armselige Baracke stets von Besuchern, weil es eben das einzige Institut dieser
Art oder wenigstens die einzige Sammlung in Wien ist, in welcher die ge¬
nauere Betrachtung und das Abzeichnen der ausgestellten Gegenstände ge¬
stattet wird.

Desto freigebiger und bedächtiger verfuhr man dagegen bei dem Bau des
noch immer unvollendeten Opernhauses. Die riesigen Dimensionen desselben
und der zu dessen Ausschmückung bewilligte Aufwand sowie die Preisaus¬
schreibungen für die von den Architekten, Malern und Bildhauern einzusenden¬
den Entwürfe und Modelle hätten auf eine ernstgemeinte Absicht zur Beför¬
derung der schönen Künste schließen lassen, wäre es nicht auch hier mehr das
Handwerk als die Kunst gewesen, worauf man Tausende verwendete, und hätte


Anordnungen wohl noch niemand aufgeklärt worden sein wird. Denn bald
scheint dieses künftige „Reichsmuseum" eine Vereinigung aller im ganzen Reiche
aufzutreibenden Natur- und Kunstmerkwürdigkeiten werden zu sollen, bald will
man nur die derzeit vereinzelten Gallerten und Sammlungen Wiens in ein
Ganzes vereinigen, ja zuweilen betrachtet man das Institut nur als eine Art
von permanenter Kunst- und Industrieausstellung. Sehr wahrscheinlich ist,
daß von alledem gar nichts erreicht werden wird. Man wollte sich hier wie
bei noch andern Gelegenheiten das Ansehn geben, als beabsichtige man nicht
nur den „Wohlstand und die Schönheit der Stadt, sondern auch das Aufblühen
der schönen Künste und Wissenschaften zu befördern"; aber die Eilfertigkeit, mit
weicher man an das Werk ging, und alle übrigen Anordnungen zeigten nur
zu deutlich das geringe Verständniß für derlei Dinge bei dem Anordnenden,
und welche verkehrten Vorstellungen derselbe einerseits von seiner Machtvoll¬
kommenheit und andrerseits von dem Endzweck bei der Gründung von In¬
stituten dieser Art hegte. Aus Ungeduld, da man bis zur Vollendung eines
zweckentsprechenden Gebäudes hätte zu lange warten müssen, vielleicht auch aus
gewohnter Anhänglichkeit an provisorische Zustände, errichtete man vorläufig
ein proviforisches Museum. Es ist kein Zweifel, daß sich unter den daselbst
befindlichen Gegenständen mehre an sich recht merkwürdige Stücke befinden.
Wurden doch von den verschiedenen Privat- und öffentlichen Sammlungen
Beiträge begehrt und auch gesendet, aber bei dem ersten Blicke in eines der
fünf Gemächer muß sich jedem die höchst armselige Auswahl, die durch den
beschränkten Raum bedingte schlechte Zusammenstellung, kurz die Werthlostgkeit
des Ganzen als Ganzes klar vor Augen stellen. Und erst die äußere Hülle
dieses Kunstinstituts! Dieselbe wurde noch vor wenigen Jahren als Stall für
die Pferde und als Remise für die Wagen irgendeines Hvfbediensteten ver¬
wendet und in einigen Tagen mit ganz unbedeutenden Kosten in ein „k. k. östrei¬
chisches Museum für Kunst und Industrie", wie auf einer über dem Eingange
angebrachten riesigen Tafel zu lesen ist, umgewandelt. Und doch wimmelt diese
armselige Baracke stets von Besuchern, weil es eben das einzige Institut dieser
Art oder wenigstens die einzige Sammlung in Wien ist, in welcher die ge¬
nauere Betrachtung und das Abzeichnen der ausgestellten Gegenstände ge¬
stattet wird.

Desto freigebiger und bedächtiger verfuhr man dagegen bei dem Bau des
noch immer unvollendeten Opernhauses. Die riesigen Dimensionen desselben
und der zu dessen Ausschmückung bewilligte Aufwand sowie die Preisaus¬
schreibungen für die von den Architekten, Malern und Bildhauern einzusenden¬
den Entwürfe und Modelle hätten auf eine ernstgemeinte Absicht zur Beför¬
derung der schönen Künste schließen lassen, wäre es nicht auch hier mehr das
Handwerk als die Kunst gewesen, worauf man Tausende verwendete, und hätte


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[0337] Anordnungen wohl noch niemand aufgeklärt worden sein wird. Denn bald scheint dieses künftige „Reichsmuseum" eine Vereinigung aller im ganzen Reiche aufzutreibenden Natur- und Kunstmerkwürdigkeiten werden zu sollen, bald will man nur die derzeit vereinzelten Gallerten und Sammlungen Wiens in ein Ganzes vereinigen, ja zuweilen betrachtet man das Institut nur als eine Art von permanenter Kunst- und Industrieausstellung. Sehr wahrscheinlich ist, daß von alledem gar nichts erreicht werden wird. Man wollte sich hier wie bei noch andern Gelegenheiten das Ansehn geben, als beabsichtige man nicht nur den „Wohlstand und die Schönheit der Stadt, sondern auch das Aufblühen der schönen Künste und Wissenschaften zu befördern"; aber die Eilfertigkeit, mit weicher man an das Werk ging, und alle übrigen Anordnungen zeigten nur zu deutlich das geringe Verständniß für derlei Dinge bei dem Anordnenden, und welche verkehrten Vorstellungen derselbe einerseits von seiner Machtvoll¬ kommenheit und andrerseits von dem Endzweck bei der Gründung von In¬ stituten dieser Art hegte. Aus Ungeduld, da man bis zur Vollendung eines zweckentsprechenden Gebäudes hätte zu lange warten müssen, vielleicht auch aus gewohnter Anhänglichkeit an provisorische Zustände, errichtete man vorläufig ein proviforisches Museum. Es ist kein Zweifel, daß sich unter den daselbst befindlichen Gegenständen mehre an sich recht merkwürdige Stücke befinden. Wurden doch von den verschiedenen Privat- und öffentlichen Sammlungen Beiträge begehrt und auch gesendet, aber bei dem ersten Blicke in eines der fünf Gemächer muß sich jedem die höchst armselige Auswahl, die durch den beschränkten Raum bedingte schlechte Zusammenstellung, kurz die Werthlostgkeit des Ganzen als Ganzes klar vor Augen stellen. Und erst die äußere Hülle dieses Kunstinstituts! Dieselbe wurde noch vor wenigen Jahren als Stall für die Pferde und als Remise für die Wagen irgendeines Hvfbediensteten ver¬ wendet und in einigen Tagen mit ganz unbedeutenden Kosten in ein „k. k. östrei¬ chisches Museum für Kunst und Industrie", wie auf einer über dem Eingange angebrachten riesigen Tafel zu lesen ist, umgewandelt. Und doch wimmelt diese armselige Baracke stets von Besuchern, weil es eben das einzige Institut dieser Art oder wenigstens die einzige Sammlung in Wien ist, in welcher die ge¬ nauere Betrachtung und das Abzeichnen der ausgestellten Gegenstände ge¬ stattet wird. Desto freigebiger und bedächtiger verfuhr man dagegen bei dem Bau des noch immer unvollendeten Opernhauses. Die riesigen Dimensionen desselben und der zu dessen Ausschmückung bewilligte Aufwand sowie die Preisaus¬ schreibungen für die von den Architekten, Malern und Bildhauern einzusenden¬ den Entwürfe und Modelle hätten auf eine ernstgemeinte Absicht zur Beför¬ derung der schönen Künste schließen lassen, wäre es nicht auch hier mehr das Handwerk als die Kunst gewesen, worauf man Tausende verwendete, und hätte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/337>, abgerufen am 15.01.2025.