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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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lose Grausamkeit angesehen und auch ohne dieselbe die Ruhe aufrecht zu erhalten
verstanden habe. Und Haynau schwieg, wiewohl er kurz vorher einen jungen
Lieutenant, welcher in einem italienischen Gebirgsdorfe aus eigener Machtvoll¬
kommenheit das Standrecht verkündet und acht bis zehn ihm bedenklich er¬
scheinende Individuen hatte erschießen lassen, für das Vorbild aller Offiziere
erklärt hatte.

Indessen hob die Bezwingung Brescias den General in der Meinung der
meisten Generale noch höher, wenn auch Radetzl'y die dabei vorgefallenen
Greuel unverhohlen mißbilligte. Die Ausgabe, das seit so vielen Monaten allen
Anstrengungen der Oestreicher trotzende Venedig zu unterwerfen, glaubte man
keinem Andern als Haynau anvertrauen zu dürfen. Und er bewirktes auch
in wenigen Tagen. was Andere in mehren Monaten nicht hatten zu Stande
bringen können. Mit den größten Anstrengungen und Geldopfern wurde ein
imposanter Belagerungspark zusammengestellt, und damit das Fort Malghera
durch ein nur zweitägiges, aber fast beispiellos heftiges Feuer zum Falle gebracht.
Haynau bewies hier, sowie bei mehren späteren Gelegenheiten, daß er, obgleich
kein Artillerist von Fach, die Verwendung der Geschütze besser verstand, als die
meisten andern Generale, z. B. der von Schmeichlern so hoch gepriesene
Melden, welcher die vortrefflich armirte Festung Palmanuova durch das Feuer
eines einzigen Mörsers bezwingen zu können glaubte und vor Komorn die in
nncr Schanze aufgestellten schweren Bombenmörser wie leichte Feldgeschütze
üegen die feindlichen Truppen vorrücken lassen wollte.

Der Erfolg vermehrte Haynaus Ansehen bedeutend. Die Unterwerfung
der Magyaren war. wie man nun erkannte, nur durch die Aufbietung einer un¬
geheuern Uebermacht und die Anwendung der äußersten Mittel möglich, und
zu den äußersten Mitteln gehörte in erster Reihe die Ernennung Haynaus
zum Feldzeugmeister und Oberbefehlshaber der östreichischen Truppen in
Ungarn. Die ihm ertheilte Vollmacht war groß, aber man bereute auch
sehr bald, daß man ihm so viel gegeben, und die Anwesenheit des Kaisers bei
der Armee hatte den Zweck, die Thätigkeit Haynaus zu überwachen und zu
beschränken. Dieser war jedoch nicht der Mann. Rücksichten zu nehmen, und
sehr bald hatte er die ihn beengenden Fesseln abgeschüttelt. Bei dem Einzuge
in Raab erblickte der Feldzeugmeister ein Mädchen aus achtbarer Familie,
welches eine tricolore Schleife auf der Brust trug. Er ließ sie ohne weiteres
durch seine Büttel ergreifen und aus öffentlichem Platze mit Ruthen streichen!
Eine dem Kaiser sehr nahe stehende Person hatte sich dringend für die Aermste
verwendet, und der Monarch selbst hatte Haynau kurz vorher fast ersucht, hier
nur im Falle offenen Widerstandes zu Gewaltmaßregeln zu greifen. Die Ver¬
muthung des Verfassers, daß Haynau gerade wegen dieser Verwendung so
brutal verfuhr, bat einiges für sich; denn man weiß, daß er auch später mehre


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lose Grausamkeit angesehen und auch ohne dieselbe die Ruhe aufrecht zu erhalten
verstanden habe. Und Haynau schwieg, wiewohl er kurz vorher einen jungen
Lieutenant, welcher in einem italienischen Gebirgsdorfe aus eigener Machtvoll¬
kommenheit das Standrecht verkündet und acht bis zehn ihm bedenklich er¬
scheinende Individuen hatte erschießen lassen, für das Vorbild aller Offiziere
erklärt hatte.

Indessen hob die Bezwingung Brescias den General in der Meinung der
meisten Generale noch höher, wenn auch Radetzl'y die dabei vorgefallenen
Greuel unverhohlen mißbilligte. Die Ausgabe, das seit so vielen Monaten allen
Anstrengungen der Oestreicher trotzende Venedig zu unterwerfen, glaubte man
keinem Andern als Haynau anvertrauen zu dürfen. Und er bewirktes auch
in wenigen Tagen. was Andere in mehren Monaten nicht hatten zu Stande
bringen können. Mit den größten Anstrengungen und Geldopfern wurde ein
imposanter Belagerungspark zusammengestellt, und damit das Fort Malghera
durch ein nur zweitägiges, aber fast beispiellos heftiges Feuer zum Falle gebracht.
Haynau bewies hier, sowie bei mehren späteren Gelegenheiten, daß er, obgleich
kein Artillerist von Fach, die Verwendung der Geschütze besser verstand, als die
meisten andern Generale, z. B. der von Schmeichlern so hoch gepriesene
Melden, welcher die vortrefflich armirte Festung Palmanuova durch das Feuer
eines einzigen Mörsers bezwingen zu können glaubte und vor Komorn die in
nncr Schanze aufgestellten schweren Bombenmörser wie leichte Feldgeschütze
üegen die feindlichen Truppen vorrücken lassen wollte.

Der Erfolg vermehrte Haynaus Ansehen bedeutend. Die Unterwerfung
der Magyaren war. wie man nun erkannte, nur durch die Aufbietung einer un¬
geheuern Uebermacht und die Anwendung der äußersten Mittel möglich, und
zu den äußersten Mitteln gehörte in erster Reihe die Ernennung Haynaus
zum Feldzeugmeister und Oberbefehlshaber der östreichischen Truppen in
Ungarn. Die ihm ertheilte Vollmacht war groß, aber man bereute auch
sehr bald, daß man ihm so viel gegeben, und die Anwesenheit des Kaisers bei
der Armee hatte den Zweck, die Thätigkeit Haynaus zu überwachen und zu
beschränken. Dieser war jedoch nicht der Mann. Rücksichten zu nehmen, und
sehr bald hatte er die ihn beengenden Fesseln abgeschüttelt. Bei dem Einzuge
in Raab erblickte der Feldzeugmeister ein Mädchen aus achtbarer Familie,
welches eine tricolore Schleife auf der Brust trug. Er ließ sie ohne weiteres
durch seine Büttel ergreifen und aus öffentlichem Platze mit Ruthen streichen!
Eine dem Kaiser sehr nahe stehende Person hatte sich dringend für die Aermste
verwendet, und der Monarch selbst hatte Haynau kurz vorher fast ersucht, hier
nur im Falle offenen Widerstandes zu Gewaltmaßregeln zu greifen. Die Ver¬
muthung des Verfassers, daß Haynau gerade wegen dieser Verwendung so
brutal verfuhr, bat einiges für sich; denn man weiß, daß er auch später mehre


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/33>, abgerufen am 15.01.2025.