Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Wirbel verkündeten dann die Annäherung Sr. Majestät, der zunächst die Trup¬ Dieses Spiel wiederholte sich einige Male. Dann hatte man den Ge¬ Nun war zu beweisen, daß man nicht nur einreihen, sondern auch auf¬ Wirbel verkündeten dann die Annäherung Sr. Majestät, der zunächst die Trup¬ Dieses Spiel wiederholte sich einige Male. Dann hatte man den Ge¬ Nun war zu beweisen, daß man nicht nur einreihen, sondern auch auf¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0328" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283681"/> <p xml:id="ID_933" prev="#ID_932"> Wirbel verkündeten dann die Annäherung Sr. Majestät, der zunächst die Trup¬<lb/> pen besichtigte und dann nach Begrüßung der anwesenden Notabilitäten sich zu<lb/> dem für ihn aufgestellten Thronsitze begab. Dann verschiedene Meldungen, ein<lb/> zustimmender Wink, ein Hornsignal, endlich von einigen Offizieren gebracht ein<lb/> Kästchen mit einem elektrischen Zündungsapparat. Die Bitte der Offiziere, den<lb/> Apparat gebrauchen zu wollen, wird huldvoll angehört und Erfüllung verheißen.<lb/> Hierauf ein zweites Hornsignal, unter unzähligen Verbeugungen stellt man das<lb/> Kästchen vor den hohen Herrn und giebt ihm die beiden Drähte in die Hände,<lb/> ein Dutzend züngelnde Flammen, eine riesige Staubwolke steigt empor, ein dem<lb/> Pelotonfeuer ähnliches Krachen erschallt, und alles ist vorüber. Der Staub<lb/> zertheilt sich, die Mauer ist in einen Hausen großer Steinklumpen verwandelt<lb/> worden, zu deren Verkleinerung und Wegschaffung die nun an die Stelle der<lb/> Soldaten tretenden slowakischen Taglöhner so ziemlich dieselbe Zeit benöthigen,<lb/> welche zur Demolirung der Mauer erforderlich gewesen wäre, und man verläßt<lb/> unter den Klängen der „Nationalhymne" den Platz.</p><lb/> <p xml:id="ID_934"> Dieses Spiel wiederholte sich einige Male. Dann hatte man den Ge¬<lb/> schmack daran verloren und ließ die übrigen elf Zwölftel des Walles nach alt¬<lb/> herkömmlichen Brauche durch Haue und Spaten demoliren. Man hatte mit<lb/> jener Tändelei nichts gewonnen als die Wahrscheinlichkeit der Annahme, „daß<lb/> unter gewissen Umständen die Schießbaumwolle zuweilen mit größerem Bordseite<lb/> als das Schießpulver bei Sprengungen verwendet werden, ein ganz verläßlicher<lb/> Anhaltspunkt in dieser Beziehung aber jetzt noch nicht angegeben werden könne".<lb/> Zu diesem Ausspruch echter Mandarinenweisheit hätte man wahrlich auf wohl¬<lb/> feilere Art gelangen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_935" next="#ID_936"> Nun war zu beweisen, daß man nicht nur einreihen, sondern auch auf¬<lb/> bauen könne. Und die ersten Gebäude, welche die Regierung aufführen ließ,<lb/> waren fast ausschließlich militärischen Zwecken gewidmet. Später kamen noch<lb/> einige Kirchen und Brücken hinzu. Die meisten dieser Bauten der Regierung<lb/> erweckten nur den Wunsch, daß sie niemals gebaut worden wären, so übel<lb/> war der mit ihnen bekundete Geschmack. Und was schlimmer war. das mit<lb/> ihnen gegebene Beispiel blieb nicht ohne Nachahmung: die auf Kosten der<lb/> Commune oder von verschiedenen Korporationen aufgeführten Gebäude litten<lb/> theilweise an so auffälligen Gebrechen, daß das beißende Witzwort eines be¬<lb/> kannten Architekten, welcher Wien in dieser Beziehung mit Schilde, und<lb/> Lalenburg in eine Reihe stellen wollte, keineswegs ganz ungerechtfertigt er¬<lb/> schien. Freilich muß man bedenken, daß auch zu dieser Zeit nicht in erster<lb/> Linie die Befähigung des sich um die Ausführung irgendeines für allgemeine<lb/> Zwecke bestimmten Werkes bewerbenden Mannes, sondern dessen Familicnbc-<lb/> zichungen, seine Beliebtheit bei den betreffenden Bureauchefs, seine Geschmei¬<lb/> digkeit und seine unverdächtige politische Gesinnung maßgebend waren. Thürme,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0328]
Wirbel verkündeten dann die Annäherung Sr. Majestät, der zunächst die Trup¬
pen besichtigte und dann nach Begrüßung der anwesenden Notabilitäten sich zu
dem für ihn aufgestellten Thronsitze begab. Dann verschiedene Meldungen, ein
zustimmender Wink, ein Hornsignal, endlich von einigen Offizieren gebracht ein
Kästchen mit einem elektrischen Zündungsapparat. Die Bitte der Offiziere, den
Apparat gebrauchen zu wollen, wird huldvoll angehört und Erfüllung verheißen.
Hierauf ein zweites Hornsignal, unter unzähligen Verbeugungen stellt man das
Kästchen vor den hohen Herrn und giebt ihm die beiden Drähte in die Hände,
ein Dutzend züngelnde Flammen, eine riesige Staubwolke steigt empor, ein dem
Pelotonfeuer ähnliches Krachen erschallt, und alles ist vorüber. Der Staub
zertheilt sich, die Mauer ist in einen Hausen großer Steinklumpen verwandelt
worden, zu deren Verkleinerung und Wegschaffung die nun an die Stelle der
Soldaten tretenden slowakischen Taglöhner so ziemlich dieselbe Zeit benöthigen,
welche zur Demolirung der Mauer erforderlich gewesen wäre, und man verläßt
unter den Klängen der „Nationalhymne" den Platz.
Dieses Spiel wiederholte sich einige Male. Dann hatte man den Ge¬
schmack daran verloren und ließ die übrigen elf Zwölftel des Walles nach alt¬
herkömmlichen Brauche durch Haue und Spaten demoliren. Man hatte mit
jener Tändelei nichts gewonnen als die Wahrscheinlichkeit der Annahme, „daß
unter gewissen Umständen die Schießbaumwolle zuweilen mit größerem Bordseite
als das Schießpulver bei Sprengungen verwendet werden, ein ganz verläßlicher
Anhaltspunkt in dieser Beziehung aber jetzt noch nicht angegeben werden könne".
Zu diesem Ausspruch echter Mandarinenweisheit hätte man wahrlich auf wohl¬
feilere Art gelangen können.
Nun war zu beweisen, daß man nicht nur einreihen, sondern auch auf¬
bauen könne. Und die ersten Gebäude, welche die Regierung aufführen ließ,
waren fast ausschließlich militärischen Zwecken gewidmet. Später kamen noch
einige Kirchen und Brücken hinzu. Die meisten dieser Bauten der Regierung
erweckten nur den Wunsch, daß sie niemals gebaut worden wären, so übel
war der mit ihnen bekundete Geschmack. Und was schlimmer war. das mit
ihnen gegebene Beispiel blieb nicht ohne Nachahmung: die auf Kosten der
Commune oder von verschiedenen Korporationen aufgeführten Gebäude litten
theilweise an so auffälligen Gebrechen, daß das beißende Witzwort eines be¬
kannten Architekten, welcher Wien in dieser Beziehung mit Schilde, und
Lalenburg in eine Reihe stellen wollte, keineswegs ganz ungerechtfertigt er¬
schien. Freilich muß man bedenken, daß auch zu dieser Zeit nicht in erster
Linie die Befähigung des sich um die Ausführung irgendeines für allgemeine
Zwecke bestimmten Werkes bewerbenden Mannes, sondern dessen Familicnbc-
zichungen, seine Beliebtheit bei den betreffenden Bureauchefs, seine Geschmei¬
digkeit und seine unverdächtige politische Gesinnung maßgebend waren. Thürme,
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