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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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noch größer sein, wenn jene sich nicht dadurch helfen wollten, daß sie ihre
Kammern nicht alljährlich, sondern nur alle zwei oder drei Jahre zusammen¬
treten lassen, was allerdings dem Staatsseckel. keineswegs aber der constitu-
tionellen Praxis zu Gute kommt. Geradezu komisch nimmt sichs aus, wenn
man in der Tabelle sieht, wie die nassauischen Kammern noch um ein Drittel
mehr kosten als die beiden englischen Häuser, und wenn man die Bedeutung
dieser verschiedenen parlamentarischen Versammlungen und deren Leistungen
miteinander vergleicht. Aber, wie der Verfasser sagt, man braucht ja nur kurze
Zeit die Verhandlungen unsrer Mittel- und Kleinstaats-Landtage zu verfolgen.-
um einzusehen, daß hier, obwohl sichs um weit kleinere Interessen handelt, doch
am Geschäftsgang nichts vereinfacht und die Rede ebenso lang gesponnen wird,
als in den großen Parlamenten.

Sehen wir uns die Tabelle an, welche die Ausgaben für die Finanzver-
waltung in den verschiedenen Staaten verzeichnet, so finden wir wieder Ursache,
uns zu wundern. Am billigsten werden die Finanzen in England und in
Preußen verwaltet. Dann folgt in aufsteigender Richtung Italien, hierauf
Baden, der Canton Bern, Frankreich, Hannover, Bayern, Sachsen. Hessen-
Kassel, Hessen-Darmstadt, Würtemberg, Nassau und zuletzt Oestreich. Die nas¬
sauische Finanzverwaltung kostet im Verhältniß SV" Mal, die würtenbergische 5,
die bayerische 4V-, die sächsische 4, die hannöversche 3V" Mal so viel als die
preußische. Im Allgemeinen und mit Ausnahme von Oestreich und Frankreich,
die unter besonderen Verhältnissen leiden und deren Finanzverwaltung ziemlich
achtmal so theuer ist als die Englands und Preußens, folgen in der Tabelle
die verschiedenen Staaten fast genau nach der Größe ihrer Einwohnerzahl auf¬
einander, d. h. je größer diese, desto wohlfeiler die Finanzverwaltung. Nur
dem Canton Bern und dem Großherzogthum Baden ist es gelungen, durch
möglichste Vereinfachung ihrer Finanzverwaltung einen viel bessern Platz in der
Reihenfolge einzunehmen, als ihnen vermöge ihrer Bewohnerzahl zukommen
würde, wogegen Würtemberg neben Nassau und fast auf gleicher Stufe mit
Oestreich steht, was bei den gutgevrdneten Finanzen dieses Landes auffallen
müßte, wenn es sich nicht durch Uebermaß von Schreibereien bei den betreffenden
Regierungsbehörden erklärte.

Von den übrigen Tabellen können wir hier nur noch zwei betrachten, die,
welche die Ausgaben der verschiedenen Staaten für Förderung von Handel,
Gewerbe und Landwirthschaft, und die, welche die Ausgaben für Unterrichts¬
zwecke und für Wissenschaft und Kunst zusammenstellt. Was jene betrifft, so
gilt freilich der Satz: am besten sorgt der Staat für Gewerbe, Handel und
Landwirthschaft, wenn er alle diejenigen Schranken wegräumt, welche der freien
Entwickelung der Kräfte entgegenstehen, also z. B. durch Einführung voller
Gewerbefreiheit und durch möglichste Annäherung an das Freihandelssystem.


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noch größer sein, wenn jene sich nicht dadurch helfen wollten, daß sie ihre
Kammern nicht alljährlich, sondern nur alle zwei oder drei Jahre zusammen¬
treten lassen, was allerdings dem Staatsseckel. keineswegs aber der constitu-
tionellen Praxis zu Gute kommt. Geradezu komisch nimmt sichs aus, wenn
man in der Tabelle sieht, wie die nassauischen Kammern noch um ein Drittel
mehr kosten als die beiden englischen Häuser, und wenn man die Bedeutung
dieser verschiedenen parlamentarischen Versammlungen und deren Leistungen
miteinander vergleicht. Aber, wie der Verfasser sagt, man braucht ja nur kurze
Zeit die Verhandlungen unsrer Mittel- und Kleinstaats-Landtage zu verfolgen.-
um einzusehen, daß hier, obwohl sichs um weit kleinere Interessen handelt, doch
am Geschäftsgang nichts vereinfacht und die Rede ebenso lang gesponnen wird,
als in den großen Parlamenten.

Sehen wir uns die Tabelle an, welche die Ausgaben für die Finanzver-
waltung in den verschiedenen Staaten verzeichnet, so finden wir wieder Ursache,
uns zu wundern. Am billigsten werden die Finanzen in England und in
Preußen verwaltet. Dann folgt in aufsteigender Richtung Italien, hierauf
Baden, der Canton Bern, Frankreich, Hannover, Bayern, Sachsen. Hessen-
Kassel, Hessen-Darmstadt, Würtemberg, Nassau und zuletzt Oestreich. Die nas¬
sauische Finanzverwaltung kostet im Verhältniß SV« Mal, die würtenbergische 5,
die bayerische 4V-, die sächsische 4, die hannöversche 3V» Mal so viel als die
preußische. Im Allgemeinen und mit Ausnahme von Oestreich und Frankreich,
die unter besonderen Verhältnissen leiden und deren Finanzverwaltung ziemlich
achtmal so theuer ist als die Englands und Preußens, folgen in der Tabelle
die verschiedenen Staaten fast genau nach der Größe ihrer Einwohnerzahl auf¬
einander, d. h. je größer diese, desto wohlfeiler die Finanzverwaltung. Nur
dem Canton Bern und dem Großherzogthum Baden ist es gelungen, durch
möglichste Vereinfachung ihrer Finanzverwaltung einen viel bessern Platz in der
Reihenfolge einzunehmen, als ihnen vermöge ihrer Bewohnerzahl zukommen
würde, wogegen Würtemberg neben Nassau und fast auf gleicher Stufe mit
Oestreich steht, was bei den gutgevrdneten Finanzen dieses Landes auffallen
müßte, wenn es sich nicht durch Uebermaß von Schreibereien bei den betreffenden
Regierungsbehörden erklärte.

Von den übrigen Tabellen können wir hier nur noch zwei betrachten, die,
welche die Ausgaben der verschiedenen Staaten für Förderung von Handel,
Gewerbe und Landwirthschaft, und die, welche die Ausgaben für Unterrichts¬
zwecke und für Wissenschaft und Kunst zusammenstellt. Was jene betrifft, so
gilt freilich der Satz: am besten sorgt der Staat für Gewerbe, Handel und
Landwirthschaft, wenn er alle diejenigen Schranken wegräumt, welche der freien
Entwickelung der Kräfte entgegenstehen, also z. B. durch Einführung voller
Gewerbefreiheit und durch möglichste Annäherung an das Freihandelssystem.


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[0319] noch größer sein, wenn jene sich nicht dadurch helfen wollten, daß sie ihre Kammern nicht alljährlich, sondern nur alle zwei oder drei Jahre zusammen¬ treten lassen, was allerdings dem Staatsseckel. keineswegs aber der constitu- tionellen Praxis zu Gute kommt. Geradezu komisch nimmt sichs aus, wenn man in der Tabelle sieht, wie die nassauischen Kammern noch um ein Drittel mehr kosten als die beiden englischen Häuser, und wenn man die Bedeutung dieser verschiedenen parlamentarischen Versammlungen und deren Leistungen miteinander vergleicht. Aber, wie der Verfasser sagt, man braucht ja nur kurze Zeit die Verhandlungen unsrer Mittel- und Kleinstaats-Landtage zu verfolgen.- um einzusehen, daß hier, obwohl sichs um weit kleinere Interessen handelt, doch am Geschäftsgang nichts vereinfacht und die Rede ebenso lang gesponnen wird, als in den großen Parlamenten. Sehen wir uns die Tabelle an, welche die Ausgaben für die Finanzver- waltung in den verschiedenen Staaten verzeichnet, so finden wir wieder Ursache, uns zu wundern. Am billigsten werden die Finanzen in England und in Preußen verwaltet. Dann folgt in aufsteigender Richtung Italien, hierauf Baden, der Canton Bern, Frankreich, Hannover, Bayern, Sachsen. Hessen- Kassel, Hessen-Darmstadt, Würtemberg, Nassau und zuletzt Oestreich. Die nas¬ sauische Finanzverwaltung kostet im Verhältniß SV« Mal, die würtenbergische 5, die bayerische 4V-, die sächsische 4, die hannöversche 3V» Mal so viel als die preußische. Im Allgemeinen und mit Ausnahme von Oestreich und Frankreich, die unter besonderen Verhältnissen leiden und deren Finanzverwaltung ziemlich achtmal so theuer ist als die Englands und Preußens, folgen in der Tabelle die verschiedenen Staaten fast genau nach der Größe ihrer Einwohnerzahl auf¬ einander, d. h. je größer diese, desto wohlfeiler die Finanzverwaltung. Nur dem Canton Bern und dem Großherzogthum Baden ist es gelungen, durch möglichste Vereinfachung ihrer Finanzverwaltung einen viel bessern Platz in der Reihenfolge einzunehmen, als ihnen vermöge ihrer Bewohnerzahl zukommen würde, wogegen Würtemberg neben Nassau und fast auf gleicher Stufe mit Oestreich steht, was bei den gutgevrdneten Finanzen dieses Landes auffallen müßte, wenn es sich nicht durch Uebermaß von Schreibereien bei den betreffenden Regierungsbehörden erklärte. Von den übrigen Tabellen können wir hier nur noch zwei betrachten, die, welche die Ausgaben der verschiedenen Staaten für Förderung von Handel, Gewerbe und Landwirthschaft, und die, welche die Ausgaben für Unterrichts¬ zwecke und für Wissenschaft und Kunst zusammenstellt. Was jene betrifft, so gilt freilich der Satz: am besten sorgt der Staat für Gewerbe, Handel und Landwirthschaft, wenn er alle diejenigen Schranken wegräumt, welche der freien Entwickelung der Kräfte entgegenstehen, also z. B. durch Einführung voller Gewerbefreiheit und durch möglichste Annäherung an das Freihandelssystem. 43*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/319>, abgerufen am 15.01.2025.