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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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beträchtlich an Genauigkeit und weicht in wesentlichen Punkten so sehr von
den herrschenden Vorstellungen ab, daß es wohl lohnt, weitere Kreise auf die
Von dem Verfasser gewonnenen Resultate aufmerksam zu .machen. Die Tabellen,
ans denen er dieselbe" zieht, bitten wir die Leser selbst nachzusehen.

Die erste Tabelle zeigt das Verhältniß, in welchen bei den fünf mittel¬
europäischen Großstaaten: Frankreich, Großbritannien, Italien, Oestreich und
Preußen, dann bei acht mittelgroßen und kleinen deutschen Staaten, endlich bei
der Schweiz die Gesammrsumme der Staatsausgaben zu der Summe dessen
steht, was der Verfasser "eigentliche Regierungsausgabcn" nennt. Unter letz¬
teren versteht er die Kosten für Hofhaltung, Verzinsung und Tilgung der Schuld.
Justiz. Militär, Auswärtiges. Cultus, Polizei, Förderung von Handel, Ge¬
werbe und Landwirthschaft, kurz für alle wesentlichen Staatsfunctionen, wogegen
er die Verwaliungskosten der Domäne" und Forsten, der Pohle", Telegraphen
und Eisenbahnen, der Hüttenwerke und aller übrigen Staatsgewerbe als nicht
eigentliche Regicrungsausgabcn bezeichnet. Blicken wir auf die Tabelle, so finden
wir, daß von den Gesammtausgaben auf die wirklichen und eigentlichen Rc-
gierungsausgaben in England 93, in Italien fast 85, in Frankreich 83. in
Preußen immer noch 66, in Sachsen dagegen nur SO, in Würtemberg 45 und
in Hannover gar nur 44 Procent fallen, daß also in den letztgenannten Staaten
noch nicht einmal die Hälfte der Staatsausgaben für eigentliche Regierungs¬
zwecke verwendet wird. Kein Wunder, wenn man weiß, um was die betreffenden
Regierungen sich alles kümmern, und wie sie eine ganze Menge von Geschäften
besorgen, die durchaus nicht Staatsgeschäfte genannt werden können. Während
England und Frankreich schon längst mit den Domänen ziemlich aufgeräumt
haben, kauft man in den Mittelstaaten von den Ueberschüssen neue Domänen.
Während jene Großstaaten nichts von Staatseisenbahnen wissen, möchten Mittcl-
staaten alle Bahnen in die Hände'der Regierung bringen. Aehnlich steht es
mit den Berg- und Hüttenwerken und verschiedenen Gewerbs- und Handels¬
unternehmungen, ja in Nassau giebt sich die Negierung sogar mit Eifer dem
Geschäft des Lumpensammelns hin. Staatsanstalten aber wie Domänen und
Eisenbahnen oder gar monopolisirte Gewerbe, wie der nassauische LnmpenHandel,
die der Regierung reine Überschüsse lassen, sind nichts Anderes als eine indirecte
Besteuerung, die von den Staatsangehörigen im Preise der betreffenden Pro-
ducte oder in den. Fracht- und Fahrtaxen entrichtet wird.

Sicht man sich die dritte Tabelle, eine Zusammenstellung der wirtlichen
Regierungsausgaben, berechnet nach der auf jeden Kopf fallenden Summe,
oberflächlich an, so kann man, namentlich im Hinblick auf Frankreich und Eng¬
land, sich leicht zu einer Bewunderung der verhältnißmäßigen Wohlfeilheit der
mittelstaatlichen Regierungen hinreißen lassen. Aber man bedenkt dann nicht,
daß diese Wohlfeilheit großentheils daher rührt, daß diese Staaten ihre Staat-


beträchtlich an Genauigkeit und weicht in wesentlichen Punkten so sehr von
den herrschenden Vorstellungen ab, daß es wohl lohnt, weitere Kreise auf die
Von dem Verfasser gewonnenen Resultate aufmerksam zu .machen. Die Tabellen,
ans denen er dieselbe» zieht, bitten wir die Leser selbst nachzusehen.

Die erste Tabelle zeigt das Verhältniß, in welchen bei den fünf mittel¬
europäischen Großstaaten: Frankreich, Großbritannien, Italien, Oestreich und
Preußen, dann bei acht mittelgroßen und kleinen deutschen Staaten, endlich bei
der Schweiz die Gesammrsumme der Staatsausgaben zu der Summe dessen
steht, was der Verfasser „eigentliche Regierungsausgabcn" nennt. Unter letz¬
teren versteht er die Kosten für Hofhaltung, Verzinsung und Tilgung der Schuld.
Justiz. Militär, Auswärtiges. Cultus, Polizei, Förderung von Handel, Ge¬
werbe und Landwirthschaft, kurz für alle wesentlichen Staatsfunctionen, wogegen
er die Verwaliungskosten der Domäne» und Forsten, der Pohle», Telegraphen
und Eisenbahnen, der Hüttenwerke und aller übrigen Staatsgewerbe als nicht
eigentliche Regicrungsausgabcn bezeichnet. Blicken wir auf die Tabelle, so finden
wir, daß von den Gesammtausgaben auf die wirklichen und eigentlichen Rc-
gierungsausgaben in England 93, in Italien fast 85, in Frankreich 83. in
Preußen immer noch 66, in Sachsen dagegen nur SO, in Würtemberg 45 und
in Hannover gar nur 44 Procent fallen, daß also in den letztgenannten Staaten
noch nicht einmal die Hälfte der Staatsausgaben für eigentliche Regierungs¬
zwecke verwendet wird. Kein Wunder, wenn man weiß, um was die betreffenden
Regierungen sich alles kümmern, und wie sie eine ganze Menge von Geschäften
besorgen, die durchaus nicht Staatsgeschäfte genannt werden können. Während
England und Frankreich schon längst mit den Domänen ziemlich aufgeräumt
haben, kauft man in den Mittelstaaten von den Ueberschüssen neue Domänen.
Während jene Großstaaten nichts von Staatseisenbahnen wissen, möchten Mittcl-
staaten alle Bahnen in die Hände'der Regierung bringen. Aehnlich steht es
mit den Berg- und Hüttenwerken und verschiedenen Gewerbs- und Handels¬
unternehmungen, ja in Nassau giebt sich die Negierung sogar mit Eifer dem
Geschäft des Lumpensammelns hin. Staatsanstalten aber wie Domänen und
Eisenbahnen oder gar monopolisirte Gewerbe, wie der nassauische LnmpenHandel,
die der Regierung reine Überschüsse lassen, sind nichts Anderes als eine indirecte
Besteuerung, die von den Staatsangehörigen im Preise der betreffenden Pro-
ducte oder in den. Fracht- und Fahrtaxen entrichtet wird.

Sicht man sich die dritte Tabelle, eine Zusammenstellung der wirtlichen
Regierungsausgaben, berechnet nach der auf jeden Kopf fallenden Summe,
oberflächlich an, so kann man, namentlich im Hinblick auf Frankreich und Eng¬
land, sich leicht zu einer Bewunderung der verhältnißmäßigen Wohlfeilheit der
mittelstaatlichen Regierungen hinreißen lassen. Aber man bedenkt dann nicht,
daß diese Wohlfeilheit großentheils daher rührt, daß diese Staaten ihre Staat-


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[0314] beträchtlich an Genauigkeit und weicht in wesentlichen Punkten so sehr von den herrschenden Vorstellungen ab, daß es wohl lohnt, weitere Kreise auf die Von dem Verfasser gewonnenen Resultate aufmerksam zu .machen. Die Tabellen, ans denen er dieselbe» zieht, bitten wir die Leser selbst nachzusehen. Die erste Tabelle zeigt das Verhältniß, in welchen bei den fünf mittel¬ europäischen Großstaaten: Frankreich, Großbritannien, Italien, Oestreich und Preußen, dann bei acht mittelgroßen und kleinen deutschen Staaten, endlich bei der Schweiz die Gesammrsumme der Staatsausgaben zu der Summe dessen steht, was der Verfasser „eigentliche Regierungsausgabcn" nennt. Unter letz¬ teren versteht er die Kosten für Hofhaltung, Verzinsung und Tilgung der Schuld. Justiz. Militär, Auswärtiges. Cultus, Polizei, Förderung von Handel, Ge¬ werbe und Landwirthschaft, kurz für alle wesentlichen Staatsfunctionen, wogegen er die Verwaliungskosten der Domäne» und Forsten, der Pohle», Telegraphen und Eisenbahnen, der Hüttenwerke und aller übrigen Staatsgewerbe als nicht eigentliche Regicrungsausgabcn bezeichnet. Blicken wir auf die Tabelle, so finden wir, daß von den Gesammtausgaben auf die wirklichen und eigentlichen Rc- gierungsausgaben in England 93, in Italien fast 85, in Frankreich 83. in Preußen immer noch 66, in Sachsen dagegen nur SO, in Würtemberg 45 und in Hannover gar nur 44 Procent fallen, daß also in den letztgenannten Staaten noch nicht einmal die Hälfte der Staatsausgaben für eigentliche Regierungs¬ zwecke verwendet wird. Kein Wunder, wenn man weiß, um was die betreffenden Regierungen sich alles kümmern, und wie sie eine ganze Menge von Geschäften besorgen, die durchaus nicht Staatsgeschäfte genannt werden können. Während England und Frankreich schon längst mit den Domänen ziemlich aufgeräumt haben, kauft man in den Mittelstaaten von den Ueberschüssen neue Domänen. Während jene Großstaaten nichts von Staatseisenbahnen wissen, möchten Mittcl- staaten alle Bahnen in die Hände'der Regierung bringen. Aehnlich steht es mit den Berg- und Hüttenwerken und verschiedenen Gewerbs- und Handels¬ unternehmungen, ja in Nassau giebt sich die Negierung sogar mit Eifer dem Geschäft des Lumpensammelns hin. Staatsanstalten aber wie Domänen und Eisenbahnen oder gar monopolisirte Gewerbe, wie der nassauische LnmpenHandel, die der Regierung reine Überschüsse lassen, sind nichts Anderes als eine indirecte Besteuerung, die von den Staatsangehörigen im Preise der betreffenden Pro- ducte oder in den. Fracht- und Fahrtaxen entrichtet wird. Sicht man sich die dritte Tabelle, eine Zusammenstellung der wirtlichen Regierungsausgaben, berechnet nach der auf jeden Kopf fallenden Summe, oberflächlich an, so kann man, namentlich im Hinblick auf Frankreich und Eng¬ land, sich leicht zu einer Bewunderung der verhältnißmäßigen Wohlfeilheit der mittelstaatlichen Regierungen hinreißen lassen. Aber man bedenkt dann nicht, daß diese Wohlfeilheit großentheils daher rührt, daß diese Staaten ihre Staat-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/314>, abgerufen am 15.01.2025.