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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Streitigkeiten. Noch peinlicher wurde seine Stellung nach den Märztagen.
Doch war es wohl weniger sein Verdruß über das neue System, als seine
Unzufriedenheit mit den dasselbe vertretenden Personen, was ihm den Aufenthalt
in Ungarn verleidete. Er war ein echter Lohnsoldat, der sich nicht aus Gefühl
oder Ueberzeugung einer Partei anschloß, sondern dreinschlug. wo er eben stand,
und wenn sein Brodgeber es befahl. Wäre er auf der Seite der Magyaren
gewesen, er würde die kaiserlichen Generale mit derselben Gelassenheit haben
aufhängen lassen, wie später die ungarischen. Jedenfalls aber würde er der
ungarischen Armee bessere Dienste als Vetter. Perczel. Dembinsky und Meßaros
geleistet haben, da er größere Energie besaß und eine strengere Disciplin
erhalten haben würde.

Bald nach den Märztagen, als die Nationalgarten und die ersten Honved-
bataillone errichtet wurden und die Wirren mit den Südslaven begannen, hatte
Haynau eine längere Unterredung mit einer hervorragenden Persönlichkeit der
ungarischen Partei, mit dem nachmaligen Kriegsminister Unlieb. "Ich sehe recht
gut. wohin die Geschichte hinausläuft." soll er sich geäußert haben, "aber eS
wird schief gehen, wenn Ihr es nicht besser anpackt. Unter Euch sind keine
Männer, wie sie dazu gehören. Keine Energie, kein Plan, kein Zusammen-
seifen. Schade um jede Mühe, die sich Eure Patrioten geben, es müßten
denn die Unsern ganz kopflos werden. Schaut nach Italien, die stellen es
dort besser an. und am Ende -- werden sie auch nichts ausrichten. Ich möchte
nicht hier sein, wüßte aber, was zu thun. -- Nun vielleicht sehen wir uns
wieder."

In Italien war Haynau an seinem Platze; denn hier brauchte er alles
nur vom militärischen Standpunkte aus zu behandeln. Radetzkys Milde übte
auch auf ihn einen gewissen wohlthätigen Einfluß und hielt ihn wenigstens in
dem ersten Feldzuge von gar zu argen Ausschreitungen zurück.

Seine militärischen Leistungen in diesem Feldzuge waren wirklich ausge-
zeichnet und sein zu Gunsten des stark bedrängten Radetzky aus eigenem An-
triebe ganz überraschend ausgeführter Ausfall aus Verona, dessen feindlich ge-
sinnte Bevölkerung er nur von einigen Bataillonen bewachen ließ, war ein eben¬
so glücklicher als verwegener Zug. Darum mochte ihn auch Radetzky ausge-
wählt haben, als er sich zu dem Angriff auf Karl Albert rüstete und eines
verläßlichen Rückhalts bedürfte.

Wie würde wohl der Tag von Varese im Jahre 1869 geendet haben,
wenn sich an der Stelle des Generals Urban ein Mann von Haynaus Schlage
befunden hätte.

Nun beaann die eigentliche selbständige militärische Thätigkeit HaynauS.
Die erste Probe davon war die Bezwingung des empörten Brescia. Haynau
that hier kaum mehr, als was d'Aspre. Melden oder Benedek an seiner Stelle


Gren"boten III. 18K5. 4

Streitigkeiten. Noch peinlicher wurde seine Stellung nach den Märztagen.
Doch war es wohl weniger sein Verdruß über das neue System, als seine
Unzufriedenheit mit den dasselbe vertretenden Personen, was ihm den Aufenthalt
in Ungarn verleidete. Er war ein echter Lohnsoldat, der sich nicht aus Gefühl
oder Ueberzeugung einer Partei anschloß, sondern dreinschlug. wo er eben stand,
und wenn sein Brodgeber es befahl. Wäre er auf der Seite der Magyaren
gewesen, er würde die kaiserlichen Generale mit derselben Gelassenheit haben
aufhängen lassen, wie später die ungarischen. Jedenfalls aber würde er der
ungarischen Armee bessere Dienste als Vetter. Perczel. Dembinsky und Meßaros
geleistet haben, da er größere Energie besaß und eine strengere Disciplin
erhalten haben würde.

Bald nach den Märztagen, als die Nationalgarten und die ersten Honved-
bataillone errichtet wurden und die Wirren mit den Südslaven begannen, hatte
Haynau eine längere Unterredung mit einer hervorragenden Persönlichkeit der
ungarischen Partei, mit dem nachmaligen Kriegsminister Unlieb. „Ich sehe recht
gut. wohin die Geschichte hinausläuft." soll er sich geäußert haben, „aber eS
wird schief gehen, wenn Ihr es nicht besser anpackt. Unter Euch sind keine
Männer, wie sie dazu gehören. Keine Energie, kein Plan, kein Zusammen-
seifen. Schade um jede Mühe, die sich Eure Patrioten geben, es müßten
denn die Unsern ganz kopflos werden. Schaut nach Italien, die stellen es
dort besser an. und am Ende — werden sie auch nichts ausrichten. Ich möchte
nicht hier sein, wüßte aber, was zu thun. — Nun vielleicht sehen wir uns
wieder."

In Italien war Haynau an seinem Platze; denn hier brauchte er alles
nur vom militärischen Standpunkte aus zu behandeln. Radetzkys Milde übte
auch auf ihn einen gewissen wohlthätigen Einfluß und hielt ihn wenigstens in
dem ersten Feldzuge von gar zu argen Ausschreitungen zurück.

Seine militärischen Leistungen in diesem Feldzuge waren wirklich ausge-
zeichnet und sein zu Gunsten des stark bedrängten Radetzky aus eigenem An-
triebe ganz überraschend ausgeführter Ausfall aus Verona, dessen feindlich ge-
sinnte Bevölkerung er nur von einigen Bataillonen bewachen ließ, war ein eben¬
so glücklicher als verwegener Zug. Darum mochte ihn auch Radetzky ausge-
wählt haben, als er sich zu dem Angriff auf Karl Albert rüstete und eines
verläßlichen Rückhalts bedürfte.

Wie würde wohl der Tag von Varese im Jahre 1869 geendet haben,
wenn sich an der Stelle des Generals Urban ein Mann von Haynaus Schlage
befunden hätte.

Nun beaann die eigentliche selbständige militärische Thätigkeit HaynauS.
Die erste Probe davon war die Bezwingung des empörten Brescia. Haynau
that hier kaum mehr, als was d'Aspre. Melden oder Benedek an seiner Stelle


Gren»boten III. 18K5. 4
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[0031] Streitigkeiten. Noch peinlicher wurde seine Stellung nach den Märztagen. Doch war es wohl weniger sein Verdruß über das neue System, als seine Unzufriedenheit mit den dasselbe vertretenden Personen, was ihm den Aufenthalt in Ungarn verleidete. Er war ein echter Lohnsoldat, der sich nicht aus Gefühl oder Ueberzeugung einer Partei anschloß, sondern dreinschlug. wo er eben stand, und wenn sein Brodgeber es befahl. Wäre er auf der Seite der Magyaren gewesen, er würde die kaiserlichen Generale mit derselben Gelassenheit haben aufhängen lassen, wie später die ungarischen. Jedenfalls aber würde er der ungarischen Armee bessere Dienste als Vetter. Perczel. Dembinsky und Meßaros geleistet haben, da er größere Energie besaß und eine strengere Disciplin erhalten haben würde. Bald nach den Märztagen, als die Nationalgarten und die ersten Honved- bataillone errichtet wurden und die Wirren mit den Südslaven begannen, hatte Haynau eine längere Unterredung mit einer hervorragenden Persönlichkeit der ungarischen Partei, mit dem nachmaligen Kriegsminister Unlieb. „Ich sehe recht gut. wohin die Geschichte hinausläuft." soll er sich geäußert haben, „aber eS wird schief gehen, wenn Ihr es nicht besser anpackt. Unter Euch sind keine Männer, wie sie dazu gehören. Keine Energie, kein Plan, kein Zusammen- seifen. Schade um jede Mühe, die sich Eure Patrioten geben, es müßten denn die Unsern ganz kopflos werden. Schaut nach Italien, die stellen es dort besser an. und am Ende — werden sie auch nichts ausrichten. Ich möchte nicht hier sein, wüßte aber, was zu thun. — Nun vielleicht sehen wir uns wieder." In Italien war Haynau an seinem Platze; denn hier brauchte er alles nur vom militärischen Standpunkte aus zu behandeln. Radetzkys Milde übte auch auf ihn einen gewissen wohlthätigen Einfluß und hielt ihn wenigstens in dem ersten Feldzuge von gar zu argen Ausschreitungen zurück. Seine militärischen Leistungen in diesem Feldzuge waren wirklich ausge- zeichnet und sein zu Gunsten des stark bedrängten Radetzky aus eigenem An- triebe ganz überraschend ausgeführter Ausfall aus Verona, dessen feindlich ge- sinnte Bevölkerung er nur von einigen Bataillonen bewachen ließ, war ein eben¬ so glücklicher als verwegener Zug. Darum mochte ihn auch Radetzky ausge- wählt haben, als er sich zu dem Angriff auf Karl Albert rüstete und eines verläßlichen Rückhalts bedürfte. Wie würde wohl der Tag von Varese im Jahre 1869 geendet haben, wenn sich an der Stelle des Generals Urban ein Mann von Haynaus Schlage befunden hätte. Nun beaann die eigentliche selbständige militärische Thätigkeit HaynauS. Die erste Probe davon war die Bezwingung des empörten Brescia. Haynau that hier kaum mehr, als was d'Aspre. Melden oder Benedek an seiner Stelle Gren»boten III. 18K5. 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/31>, abgerufen am 15.01.2025.