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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Unsre Schrift bemerkt ganz richtig, daß Haynau nicht nur von der aus.
ländischen Presse auf das heftigste angegriffen werden durfte, sondern daß man
auch den östreichischen Blättern durch die Finger sah, wenn es sich um den
Feldzeugmeister handelte, während sonst die geringfügigste Aeußerung, durch
welche der Respect gegen einen k. k. General verletzt wurde, mit unnachsicht-
licher Strenge bestraft zu werden pflegte. Haynau mußte also gewissermaßen
als Prügelknabe herhalten, um die Sünden anderer Generale vergessen zu
machen. Warum man gerade ihn dazu erwählte, ist unschwer zu errathen.
Er war zunächst Ausländer und dann besaß er wirkliche Befähigung, zwei
Eigenschaften, die ihn dem Hasse der Untergebenen und dem Mißtrauen der
Großen aussetzen mußten. Allerdings nur in ihrer Verbindung; denn Aus¬
länder von geringer oder mittelmäßiger Begabung finden, wie manches Beispiel
zeigt, in der östreichischen Armee gewöhnlich das beste Fortkommen.

Ferner aber wurde Haynau trotz seiner Abkunft von den Hocharistokraten
im Heere doch nur als ein Emporkömmling, als ein Plebejer besserer Sorte
betrachtet und zwar vielfach benutzt und gesucht, aber in geselliger Beziehung
nur geduldet. Man mochte ihm wohl einen reichlichen Lohn für seine Leistungen
gönnen, aber nimmer konnte man ihm verzeihen, daß er. ohne Graf oder
Fürst zu sein, Bedeutendes leistete, und daß er andrerseits die Vorzüge der
Geburt so wenig zu achten wußte. Ihm fehlte die Gewandtheit Benedels,
welcher unter dem Deckmantel einer auf die Spitze getriebenen militärischen
Barschheit und Aufrichtigkeit die feinsten Komplimente anzubringen und die
geheimsten Wünsche seiner Oberen zu erspähen versteht, und darum mußte er
auch überall anstoßen.

Dies bewährte sich schon zu der Zeit, als Haynau sich noch in unter¬
geordneter Stellung befand. Raub und rücksichtslos, nur selten den Befehlen
weniger befähigter Obern ohne Murren sich fügend, lebte er fast stets im Con¬
flicte mit seiner Umgebung. Nur einem Einzigen gehorchte er damals wie in
späterer Zeit mit blindem Gehorsam -- dem alten Radetzky. für welchen er
eine fast unbegrenzte Verehrung hegte. Indessen half ihm in früherer Zeit die
Protection seines Vaters über alle Schwierigkeiten hinweg, und später, als man
seine Brauchbarkeit erkannt hatte, ließ man sich von ihm nothgedrungen Manches
gefallen. Als er (noch vor 1848) FeldmarschaMicutenant wurde, besaß er in
der Armee bereits einen gewissen Ruf, den er freilich mehr seinen Bizarrerien
als bedeutenden Leistungen, von welchen in der damaligen Fricdensepoche auch
nicht die Rede sein konnte, zu verdanken hatte. Gerade damals trat ein Wende¬
punkt in seinem Schicksal ein, und es fehlte wenig daran, daß er seinen Abschied
begehrt hätte. Er fühlte sich dazu sowohl durch ein länger 'dauerndes Magen¬
leiden als durch seine 1847 verfügte Versetzung nach Temesvar veranlaßt. In
dieser Festung- kam es zwischen ihm und den andern Generalen zu ziemlich argen


Unsre Schrift bemerkt ganz richtig, daß Haynau nicht nur von der aus.
ländischen Presse auf das heftigste angegriffen werden durfte, sondern daß man
auch den östreichischen Blättern durch die Finger sah, wenn es sich um den
Feldzeugmeister handelte, während sonst die geringfügigste Aeußerung, durch
welche der Respect gegen einen k. k. General verletzt wurde, mit unnachsicht-
licher Strenge bestraft zu werden pflegte. Haynau mußte also gewissermaßen
als Prügelknabe herhalten, um die Sünden anderer Generale vergessen zu
machen. Warum man gerade ihn dazu erwählte, ist unschwer zu errathen.
Er war zunächst Ausländer und dann besaß er wirkliche Befähigung, zwei
Eigenschaften, die ihn dem Hasse der Untergebenen und dem Mißtrauen der
Großen aussetzen mußten. Allerdings nur in ihrer Verbindung; denn Aus¬
länder von geringer oder mittelmäßiger Begabung finden, wie manches Beispiel
zeigt, in der östreichischen Armee gewöhnlich das beste Fortkommen.

Ferner aber wurde Haynau trotz seiner Abkunft von den Hocharistokraten
im Heere doch nur als ein Emporkömmling, als ein Plebejer besserer Sorte
betrachtet und zwar vielfach benutzt und gesucht, aber in geselliger Beziehung
nur geduldet. Man mochte ihm wohl einen reichlichen Lohn für seine Leistungen
gönnen, aber nimmer konnte man ihm verzeihen, daß er. ohne Graf oder
Fürst zu sein, Bedeutendes leistete, und daß er andrerseits die Vorzüge der
Geburt so wenig zu achten wußte. Ihm fehlte die Gewandtheit Benedels,
welcher unter dem Deckmantel einer auf die Spitze getriebenen militärischen
Barschheit und Aufrichtigkeit die feinsten Komplimente anzubringen und die
geheimsten Wünsche seiner Oberen zu erspähen versteht, und darum mußte er
auch überall anstoßen.

Dies bewährte sich schon zu der Zeit, als Haynau sich noch in unter¬
geordneter Stellung befand. Raub und rücksichtslos, nur selten den Befehlen
weniger befähigter Obern ohne Murren sich fügend, lebte er fast stets im Con¬
flicte mit seiner Umgebung. Nur einem Einzigen gehorchte er damals wie in
späterer Zeit mit blindem Gehorsam — dem alten Radetzky. für welchen er
eine fast unbegrenzte Verehrung hegte. Indessen half ihm in früherer Zeit die
Protection seines Vaters über alle Schwierigkeiten hinweg, und später, als man
seine Brauchbarkeit erkannt hatte, ließ man sich von ihm nothgedrungen Manches
gefallen. Als er (noch vor 1848) FeldmarschaMicutenant wurde, besaß er in
der Armee bereits einen gewissen Ruf, den er freilich mehr seinen Bizarrerien
als bedeutenden Leistungen, von welchen in der damaligen Fricdensepoche auch
nicht die Rede sein konnte, zu verdanken hatte. Gerade damals trat ein Wende¬
punkt in seinem Schicksal ein, und es fehlte wenig daran, daß er seinen Abschied
begehrt hätte. Er fühlte sich dazu sowohl durch ein länger 'dauerndes Magen¬
leiden als durch seine 1847 verfügte Versetzung nach Temesvar veranlaßt. In
dieser Festung- kam es zwischen ihm und den andern Generalen zu ziemlich argen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/30>, abgerufen am 15.01.2025.