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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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solutismus emporgestiegenen Männer erwarten, daß sie sich keiner Uebereilung
hingeben und jeden Anlaß zur Verzögerung benutzen würden, und irrte sich auch
nicht, da z. B. die Kanonen auf den Basteien, vor der Franz-Josephkaserne
und namentlich vor der Burg, bis zum letzten Moment stehen blieben und die
erwähnten kleinen Blockhäuser und Rcduits nur wenige Stunden vor ihrer
Demolirung geräumt wurden. Aber endlich mußte doch auch der letzte Ueber¬
rest der Apparate des Belagerungszustandes fallen, und man halte also bei
Zeiten daran zu denken, die Bäume nicht in den Himmel wachsen zu lassen.
Daher sollte an dem andern Ende der Stadt ein Gegenstück der Franz-Joseph¬
kaserne, eine die Stadt, die nördlichen Lorstätte und den Donaukanal be¬
herrschende befestigte Kaserne für einige Tausend Mann erbaut, der äußere
Umfang der Stadt aber alle 500 Schritte mit blockhausartigen und mit eisernen
Gitterzäunen umgebenen Wachthäusern bespickt werden. Auch wollte man von
einer Pflasterung der Ring- und Lastenstraße nichts wissen, weil man durch die
Macadamisirung derselben das Errichten von Barrikaden unmöglich zu machen
glaubte, und ebenso wollte man durchaus einige Bollwerke fortbestehen lassen,
um wenigstens einige dominirende Punkte zur Ausführung von Geschützen
zu besitzen.

Die allgemeine Einführung der gezogenen Geschütze und die daraus ge¬
folgerte Gewißheit, daß man die Stadt auch mit außerhalb der Barrieren auf¬
gefahrenen Kanonen in Schutt schießen könne, brachten von diesem Projecte ab.
Nach dem Jahre 1859, als man der Bevölkerung auf allen Seiten Zugeständ¬
nisse machen und besonders alle Drohungen vermeiden zu müssen glaubte, wurde
erklärt, "daß von der Errichtung befestigter Objecte längs der Ringstraße ab¬
zusehen sei", wobei einige jener in der Noth so beliebten Phrasen von Ver¬
trauen, Herstellung der gesetzlichen Zustände, bereitwilligem Eingehen auf die
Anschauungen der Bevölkerung aufgetischt wurden. Der Wiener glaubte na¬
türlich unter jenen "befestigten Objecten" nicht nur die mehr komischen als ge¬
fährlichen Wachthäuser, sondern vorzüglich die Kasernen verstehen zu müssen,
sollte aber sehr bald eines Anderen überzeugt werden.




solutismus emporgestiegenen Männer erwarten, daß sie sich keiner Uebereilung
hingeben und jeden Anlaß zur Verzögerung benutzen würden, und irrte sich auch
nicht, da z. B. die Kanonen auf den Basteien, vor der Franz-Josephkaserne
und namentlich vor der Burg, bis zum letzten Moment stehen blieben und die
erwähnten kleinen Blockhäuser und Rcduits nur wenige Stunden vor ihrer
Demolirung geräumt wurden. Aber endlich mußte doch auch der letzte Ueber¬
rest der Apparate des Belagerungszustandes fallen, und man halte also bei
Zeiten daran zu denken, die Bäume nicht in den Himmel wachsen zu lassen.
Daher sollte an dem andern Ende der Stadt ein Gegenstück der Franz-Joseph¬
kaserne, eine die Stadt, die nördlichen Lorstätte und den Donaukanal be¬
herrschende befestigte Kaserne für einige Tausend Mann erbaut, der äußere
Umfang der Stadt aber alle 500 Schritte mit blockhausartigen und mit eisernen
Gitterzäunen umgebenen Wachthäusern bespickt werden. Auch wollte man von
einer Pflasterung der Ring- und Lastenstraße nichts wissen, weil man durch die
Macadamisirung derselben das Errichten von Barrikaden unmöglich zu machen
glaubte, und ebenso wollte man durchaus einige Bollwerke fortbestehen lassen,
um wenigstens einige dominirende Punkte zur Ausführung von Geschützen
zu besitzen.

Die allgemeine Einführung der gezogenen Geschütze und die daraus ge¬
folgerte Gewißheit, daß man die Stadt auch mit außerhalb der Barrieren auf¬
gefahrenen Kanonen in Schutt schießen könne, brachten von diesem Projecte ab.
Nach dem Jahre 1859, als man der Bevölkerung auf allen Seiten Zugeständ¬
nisse machen und besonders alle Drohungen vermeiden zu müssen glaubte, wurde
erklärt, „daß von der Errichtung befestigter Objecte längs der Ringstraße ab¬
zusehen sei", wobei einige jener in der Noth so beliebten Phrasen von Ver¬
trauen, Herstellung der gesetzlichen Zustände, bereitwilligem Eingehen auf die
Anschauungen der Bevölkerung aufgetischt wurden. Der Wiener glaubte na¬
türlich unter jenen „befestigten Objecten" nicht nur die mehr komischen als ge¬
fährlichen Wachthäuser, sondern vorzüglich die Kasernen verstehen zu müssen,
sollte aber sehr bald eines Anderen überzeugt werden.




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[0295] solutismus emporgestiegenen Männer erwarten, daß sie sich keiner Uebereilung hingeben und jeden Anlaß zur Verzögerung benutzen würden, und irrte sich auch nicht, da z. B. die Kanonen auf den Basteien, vor der Franz-Josephkaserne und namentlich vor der Burg, bis zum letzten Moment stehen blieben und die erwähnten kleinen Blockhäuser und Rcduits nur wenige Stunden vor ihrer Demolirung geräumt wurden. Aber endlich mußte doch auch der letzte Ueber¬ rest der Apparate des Belagerungszustandes fallen, und man halte also bei Zeiten daran zu denken, die Bäume nicht in den Himmel wachsen zu lassen. Daher sollte an dem andern Ende der Stadt ein Gegenstück der Franz-Joseph¬ kaserne, eine die Stadt, die nördlichen Lorstätte und den Donaukanal be¬ herrschende befestigte Kaserne für einige Tausend Mann erbaut, der äußere Umfang der Stadt aber alle 500 Schritte mit blockhausartigen und mit eisernen Gitterzäunen umgebenen Wachthäusern bespickt werden. Auch wollte man von einer Pflasterung der Ring- und Lastenstraße nichts wissen, weil man durch die Macadamisirung derselben das Errichten von Barrikaden unmöglich zu machen glaubte, und ebenso wollte man durchaus einige Bollwerke fortbestehen lassen, um wenigstens einige dominirende Punkte zur Ausführung von Geschützen zu besitzen. Die allgemeine Einführung der gezogenen Geschütze und die daraus ge¬ folgerte Gewißheit, daß man die Stadt auch mit außerhalb der Barrieren auf¬ gefahrenen Kanonen in Schutt schießen könne, brachten von diesem Projecte ab. Nach dem Jahre 1859, als man der Bevölkerung auf allen Seiten Zugeständ¬ nisse machen und besonders alle Drohungen vermeiden zu müssen glaubte, wurde erklärt, „daß von der Errichtung befestigter Objecte längs der Ringstraße ab¬ zusehen sei", wobei einige jener in der Noth so beliebten Phrasen von Ver¬ trauen, Herstellung der gesetzlichen Zustände, bereitwilligem Eingehen auf die Anschauungen der Bevölkerung aufgetischt wurden. Der Wiener glaubte na¬ türlich unter jenen „befestigten Objecten" nicht nur die mehr komischen als ge¬ fährlichen Wachthäuser, sondern vorzüglich die Kasernen verstehen zu müssen, sollte aber sehr bald eines Anderen überzeugt werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/295>, abgerufen am 15.01.2025.