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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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verpflichtet ist, beharrlich entzieht, macht sich des Vergehens der Amtsverwei¬
gerung schuldig und hat für die Dauer der betreffenden Beamtung entweder
den Canton zu verlassen oder eine suae von 200 bis 1000 Fransen zu be¬
zahlen. Weigert er sich ferner, so wird er für die erwähnte Zeit in der Nutz¬
nießung des Gemeingutes den Hintersassen gleichgestellt. Die Dauer der Be¬
amtenstellungen ist verschieden: der Negiemngsrath hat seinen Posten vier,
andere Beamten haben den ihrigen zwei oder ein Jahr lang zu versehen.

Die Gehalte der Beamten sind äußerst unbedeutend, der höchste derselben,
der regierende Landamman bezieht jährlich nicht mehr als vierhundert Franken.
Aehnliches findet sich auch in anderen Cantonen. Vor dreißig oder vierzig
Jahren war der Landamman von Zug zugleich Aufzieher der Stadtuhren. Ja
viele Beamte erhalten gar keine Gage, sondern nur mäßige Tagegelder. Als
daher ein Bürger von Buochs sechs Jahre hindurch als unbesoldeter Rathsherr
von Nidwalden fungirt hatte, verbat er sich an der letzten Landesgemeinde die
Wiederwahl folgendermaßen: "Liebe Landsleute, wenn einer sechs Jahre Raths¬
herr und dabei kein Verschwender gewesen ist und alles ordentlich zusammen¬
gehalten hat, so hat er hoffentlich so viel erübrigt, daß er fortan ohne dieses
Amt leben kann, und so verzichte ich auf diese Stelle."

Wieder zu verwundern hat man sich bei dieser kargen Besoldung der Aemter
in Uri, daß es dort neben dem Amtszwang in einem Artikel des Landbuchs
eine Bestimmung giebt, welche Bestechungen bei der Bewerbung um Aemter
untersagt. "Keiner soll." so heißt es da, "in unserm Land um Aemter oder
Botheyen (Gesandtschaften) prakticiercn, und wer hierum selbst oder durch an¬
dere prakticierte, Mieth oder Gaben geben, verdenken oder versprechen würde,
sei es vor oder nach vergebenen Amt, der soll um 100 si. gestraft und des
Amtes entsetzt werden, und so einer hierin gar zu weit ginge, mag ein Lands¬
rath ihn nach Umständen noch ferner strafen." Diese alte Bestimmung ist 1846
durch eine Verordnung wieder eingeschärft worden, die uns eine sonderbare, nur
aus den einfachen Verhältnissen der Bevölkerung erklärliche Form des "Prakti-
cierens" zeigt, indem es in ihr heißt, das bisher üblich gewesene Tabaksaus¬
theilen sei von jetzt an nur dem Bewerber um ein erledigtes Amt selbst und
höchstens noch einem aus der nächsten Verwandtschaft gestattet. Als Mißbräuche
werden verboten: das Anstellen mehrer Personen zur Vertheilung von Tabak
im Namen des Candidaten, die Bildung von Gesellschaften zu gemeinschaftlicher
Bewerbung um ein Amt, Versprechungen von Gaben auf Schießständen und
Trinkgelagen oder freie Zechen in Wirthshäusern.

Der Canton ist in zwei Bezirke und diese wieder sind in politische Ge¬
meinden getheilt. Die Bezirke sind Uri und Ursern. jenes mit dem Hauptort
Altorf. dieses mit dem Hauptort Andermatt. Altorf ist zugleich der Sitz sämmt¬
licher Cantonsbehörden. Der Bezirk Uri hat 16 politische Gemeinden, der


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verpflichtet ist, beharrlich entzieht, macht sich des Vergehens der Amtsverwei¬
gerung schuldig und hat für die Dauer der betreffenden Beamtung entweder
den Canton zu verlassen oder eine suae von 200 bis 1000 Fransen zu be¬
zahlen. Weigert er sich ferner, so wird er für die erwähnte Zeit in der Nutz¬
nießung des Gemeingutes den Hintersassen gleichgestellt. Die Dauer der Be¬
amtenstellungen ist verschieden: der Negiemngsrath hat seinen Posten vier,
andere Beamten haben den ihrigen zwei oder ein Jahr lang zu versehen.

Die Gehalte der Beamten sind äußerst unbedeutend, der höchste derselben,
der regierende Landamman bezieht jährlich nicht mehr als vierhundert Franken.
Aehnliches findet sich auch in anderen Cantonen. Vor dreißig oder vierzig
Jahren war der Landamman von Zug zugleich Aufzieher der Stadtuhren. Ja
viele Beamte erhalten gar keine Gage, sondern nur mäßige Tagegelder. Als
daher ein Bürger von Buochs sechs Jahre hindurch als unbesoldeter Rathsherr
von Nidwalden fungirt hatte, verbat er sich an der letzten Landesgemeinde die
Wiederwahl folgendermaßen: „Liebe Landsleute, wenn einer sechs Jahre Raths¬
herr und dabei kein Verschwender gewesen ist und alles ordentlich zusammen¬
gehalten hat, so hat er hoffentlich so viel erübrigt, daß er fortan ohne dieses
Amt leben kann, und so verzichte ich auf diese Stelle."

Wieder zu verwundern hat man sich bei dieser kargen Besoldung der Aemter
in Uri, daß es dort neben dem Amtszwang in einem Artikel des Landbuchs
eine Bestimmung giebt, welche Bestechungen bei der Bewerbung um Aemter
untersagt. „Keiner soll." so heißt es da, „in unserm Land um Aemter oder
Botheyen (Gesandtschaften) prakticiercn, und wer hierum selbst oder durch an¬
dere prakticierte, Mieth oder Gaben geben, verdenken oder versprechen würde,
sei es vor oder nach vergebenen Amt, der soll um 100 si. gestraft und des
Amtes entsetzt werden, und so einer hierin gar zu weit ginge, mag ein Lands¬
rath ihn nach Umständen noch ferner strafen." Diese alte Bestimmung ist 1846
durch eine Verordnung wieder eingeschärft worden, die uns eine sonderbare, nur
aus den einfachen Verhältnissen der Bevölkerung erklärliche Form des „Prakti-
cierens" zeigt, indem es in ihr heißt, das bisher üblich gewesene Tabaksaus¬
theilen sei von jetzt an nur dem Bewerber um ein erledigtes Amt selbst und
höchstens noch einem aus der nächsten Verwandtschaft gestattet. Als Mißbräuche
werden verboten: das Anstellen mehrer Personen zur Vertheilung von Tabak
im Namen des Candidaten, die Bildung von Gesellschaften zu gemeinschaftlicher
Bewerbung um ein Amt, Versprechungen von Gaben auf Schießständen und
Trinkgelagen oder freie Zechen in Wirthshäusern.

Der Canton ist in zwei Bezirke und diese wieder sind in politische Ge¬
meinden getheilt. Die Bezirke sind Uri und Ursern. jenes mit dem Hauptort
Altorf. dieses mit dem Hauptort Andermatt. Altorf ist zugleich der Sitz sämmt¬
licher Cantonsbehörden. Der Bezirk Uri hat 16 politische Gemeinden, der


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[0277] verpflichtet ist, beharrlich entzieht, macht sich des Vergehens der Amtsverwei¬ gerung schuldig und hat für die Dauer der betreffenden Beamtung entweder den Canton zu verlassen oder eine suae von 200 bis 1000 Fransen zu be¬ zahlen. Weigert er sich ferner, so wird er für die erwähnte Zeit in der Nutz¬ nießung des Gemeingutes den Hintersassen gleichgestellt. Die Dauer der Be¬ amtenstellungen ist verschieden: der Negiemngsrath hat seinen Posten vier, andere Beamten haben den ihrigen zwei oder ein Jahr lang zu versehen. Die Gehalte der Beamten sind äußerst unbedeutend, der höchste derselben, der regierende Landamman bezieht jährlich nicht mehr als vierhundert Franken. Aehnliches findet sich auch in anderen Cantonen. Vor dreißig oder vierzig Jahren war der Landamman von Zug zugleich Aufzieher der Stadtuhren. Ja viele Beamte erhalten gar keine Gage, sondern nur mäßige Tagegelder. Als daher ein Bürger von Buochs sechs Jahre hindurch als unbesoldeter Rathsherr von Nidwalden fungirt hatte, verbat er sich an der letzten Landesgemeinde die Wiederwahl folgendermaßen: „Liebe Landsleute, wenn einer sechs Jahre Raths¬ herr und dabei kein Verschwender gewesen ist und alles ordentlich zusammen¬ gehalten hat, so hat er hoffentlich so viel erübrigt, daß er fortan ohne dieses Amt leben kann, und so verzichte ich auf diese Stelle." Wieder zu verwundern hat man sich bei dieser kargen Besoldung der Aemter in Uri, daß es dort neben dem Amtszwang in einem Artikel des Landbuchs eine Bestimmung giebt, welche Bestechungen bei der Bewerbung um Aemter untersagt. „Keiner soll." so heißt es da, „in unserm Land um Aemter oder Botheyen (Gesandtschaften) prakticiercn, und wer hierum selbst oder durch an¬ dere prakticierte, Mieth oder Gaben geben, verdenken oder versprechen würde, sei es vor oder nach vergebenen Amt, der soll um 100 si. gestraft und des Amtes entsetzt werden, und so einer hierin gar zu weit ginge, mag ein Lands¬ rath ihn nach Umständen noch ferner strafen." Diese alte Bestimmung ist 1846 durch eine Verordnung wieder eingeschärft worden, die uns eine sonderbare, nur aus den einfachen Verhältnissen der Bevölkerung erklärliche Form des „Prakti- cierens" zeigt, indem es in ihr heißt, das bisher üblich gewesene Tabaksaus¬ theilen sei von jetzt an nur dem Bewerber um ein erledigtes Amt selbst und höchstens noch einem aus der nächsten Verwandtschaft gestattet. Als Mißbräuche werden verboten: das Anstellen mehrer Personen zur Vertheilung von Tabak im Namen des Candidaten, die Bildung von Gesellschaften zu gemeinschaftlicher Bewerbung um ein Amt, Versprechungen von Gaben auf Schießständen und Trinkgelagen oder freie Zechen in Wirthshäusern. Der Canton ist in zwei Bezirke und diese wieder sind in politische Ge¬ meinden getheilt. Die Bezirke sind Uri und Ursern. jenes mit dem Hauptort Altorf. dieses mit dem Hauptort Andermatt. Altorf ist zugleich der Sitz sämmt¬ licher Cantonsbehörden. Der Bezirk Uri hat 16 politische Gemeinden, der 38"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/277>, abgerufen am 15.01.2025.