Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.rufen, als sie wirklich vom Meister erhalten haben. Wie die Blüthen und Sicherer dürften wir schon auf die Sympathie auch der Nichtkünstler rechnen, Grenzvoten III. 1865. 29
rufen, als sie wirklich vom Meister erhalten haben. Wie die Blüthen und Sicherer dürften wir schon auf die Sympathie auch der Nichtkünstler rechnen, Grenzvoten III. 1865. 29
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rufen, als sie wirklich vom Meister erhalten haben. Wie die Blüthen und
Gräser, so studirt er die Stämme und Aeste jeder heimischen Baumart, die
Details ihrer narbigen und bemoosten Rinde, mit der Zeichenfeder und zwei
bis drei Farbentönen das schärfste Bild davon in der Totalwirkung wie in
allen charakteristischen Einzelheiten und scheinbaren Zufälligkeiten auf grau¬
getöntes Papier bringend. Dann folgen wieder Hunderte von Bauernhäusern
nach der Natur und zusammengesetztere malerische Motive von Dorfstraßen,
ländlichen Wegen u. f. w. Interessantere Nester boten sich seinem Auge frei¬
lich als dem heutigen Maler! Welche Giebel, welche Thüren und Fenster,
welche offenbare Verhöhnung der Vertikallinie, welche unmögliche und malerisch
nur um so prächtigere ländliche Architektur! Mit diesen Studien untermischt
die allergenausten Zeichnungen jeder Art des ländlichen Geräths, der Acker¬
werkzeuge, Gefährte, Eimer, Brunnen, und jedes dieser Dinge in allen denk¬
baren Verkürzungen, Ansichten, Stellungen, eine Art des Studirens, wie ich eS
nur noch bei Adolf Menzel, dem heutigen großen Fortsetzn der alten Realisten,
kenne. All diese Zeichnungen betonen immer die Lichtmassen mit ausgesetzten
Weiß und fassen höchst effectvoll und anschaulich machend die Schattenpartien
in einen darüber gelegten gemeinsamen Tuschton zusammen. Den Hauptschatz
aber von allen Büchern enthält das vierte: die Studien nach Schafen und
Rindern, also von seinem vorzugsweise eigensten künstlerischen Gebiet. Das
Princip des Arbeitens ist dasselbe, wie den Pflanzen und den Geräthen gegen¬
über: was die Natur seinem Auge bietet, will er ganz und aus dem Grunde
sich zu eigen machen; so findet er kein Ende, die Ansichten der Objecte zu va-
riiren, abgeschnittene Kalbsfüße direct auf die Sohlen ihrer gespaltnen Hufe
angesehn, Hammel- und Ochsenköpfe ganz von unten und dergl. mehr. Diese
aber meist in der weitestgehenden Ausführung in Aquarell- und Deckfarben, er¬
staunlich in ihrer miniaturartigen Detailvollendung und nicht minder in der
leuchtenden Energie ihrer Farbe. Und wie das Todte, so das Leben, wie die
Ruhe, so die Bewegung, die weidenden Kühe und Schafe, die Scenen der
Wäsche und Schur — wir fänden kein Ziel des Schilderns und Berichtens;
denn eines solchen Künstlers Schaffen ist reich wie die große Natur; aber wir
fürchten, die ermüdete Geduld unserer Leser hat es uns längst schon gesagt.
Vielleicht muß man selbst Maler oder Zeichner sein, um sich von der Betrach¬
tung gemalter Kalbsfußstudien so hinreißen zu lassen, wie es uns passirte.
Sicherer dürften wir schon auf die Sympathie auch der Nichtkünstler rechnen,
wenn wir sie in den grünen Saal führten und sie auf den Bilderschmuck sei¬
ner Wände hinwiesen. Aber auch hier heißt es erst recht: wo anfangen, oder
schwieriger noch, wo enden? Also vorüber an all diesen Herrlichkeiten, in
deren Anblick und Studium uns keine Zeit zu lang werden würde, an dieser
lebensgroßen Untermalung von Graffs Selbstporträt, diesen Kopf-, Figuren-,
Grenzvoten III. 1865. 29
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