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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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müssen sie. was theilweise schon in den oben angeführten Verhandlungen betont
wurde, wegen ihres Berufes eher vom Geschwornendienste möglichst befreit
als besonders zu ihm herangezogen werden. Auch die neuen Motive weisen
hierauf hin. Betreffs der Beamten aber, die nach heutigem Rechte noch unter
die Ausnahme in oben angegebener Weise fallen, verändert der neue Entwurf
die Ausnahme dahin: Alle öffentliche Beamte sind von obigem Census ausge¬
nommen, wenn sie mit wenigstens 600 Thlr. besoldet werden. Die neuen
Motive halten es, namentlich mit Rücksicht aus die Städte, in denen keine
Classensteuer besteht, wünschenswert!), an der Besoldung der Beamten eine feste
Norm für ihre Wählbarkeit zu gewinnen. Die heutige Unterscheidung, je nach¬
dem die Beamten vom Könige unmittelbar' ernannt sind, oder nicht, ist glück¬
lich beseitigt; aber warum griff man den verhältnißmäßig hohen Maßstab der
600 Thlr. heraus? Er schließt eine Reihe von Beamten, welche nicht den ge¬
setzlichen Census erreichen und deren Gehalt leider unter 600 Thlr. beträgt,
vom Geschwornendienste völlig aus, während ihre in Amtssunctionen erheblich
ausgebildeten geistigen Fähigkeiten den Schwurgerichten vortreffliche Dienste
leisten, zur allmäligen Herausbildung Mitgeschworner für die tüchtige Erfüllung
ihrer Pflichten sich vorzüglich eignen und endlich den vielgehörten Klagen über
die Unbildung der Schwurgerichte unmittelbar abhelfen könnten. Dieser Mi߬
stand bleibt offenbar bestehen, selbst wenn man den Census hier auch gar nicht
als Maßstab der Fähigkeiten brauchte (s. unten). Es ist überflüssig, alle die hierher
gehörigen Beamtenklassen aufzuführen. Doch mag zum Ueberfluß darauf
verwiesen werden, daß selbst ein Haupttheil der außerordentlichen Professoren
der Universitäten, wenn überhaupt, so nur mit 400 Thlr. fest besoldet wird,
während sie meistens dem Census nach ebenfalls nicht zu Geschwornen wähl¬
bar sind und doch immer noch mehr Zeit und auch oft mehr Lust und Geschick,
als die älteren ordentlichen Professoren haben, ihren Pflichten als Geschworne
allseitig in dem eben angegebenen Sinne zu genügen.

Die erforderliche Eigenschaft, welche das heutige Recht in dem Ausdruck
"Vollgenuß der bürgerlichen Rechte" zusammenfaßt, zertheilt der neue Entwurf
in drei Momente: die Person muß 1) nicht infolge strafgerichtlicher Verurtheilung
die Befähigung, Geschworner zu sein, entbehren, 2) nicht der selbständigen Ver¬
waltung ihres Vermögens durch gerichtliches Erkenntniß entsetzt sein (wegen
Verschwendung, Wahn- oder Blödsinn). 3) nicht als Handelsmann. Schiffsrheder
oder Fabrikbesitzer in Concurs oder Fallimentszustand verfallen sein, ohne bis¬
her die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangt zu haben. Betreffs
des dritten Punktes erklären die Motive auch den gemeinen Concurs ganz
richtig als Grund. Personen vom Geschwornendienste auszuschließen. Diesen
Grund aber, wie ihm ähnliche, dz. B. criminelle Verurtheilung (ohne Ehrenstrafe)
wegen eines die allgemeine Achtung beeinträchtigenden Vergehens, sollen die


müssen sie. was theilweise schon in den oben angeführten Verhandlungen betont
wurde, wegen ihres Berufes eher vom Geschwornendienste möglichst befreit
als besonders zu ihm herangezogen werden. Auch die neuen Motive weisen
hierauf hin. Betreffs der Beamten aber, die nach heutigem Rechte noch unter
die Ausnahme in oben angegebener Weise fallen, verändert der neue Entwurf
die Ausnahme dahin: Alle öffentliche Beamte sind von obigem Census ausge¬
nommen, wenn sie mit wenigstens 600 Thlr. besoldet werden. Die neuen
Motive halten es, namentlich mit Rücksicht aus die Städte, in denen keine
Classensteuer besteht, wünschenswert!), an der Besoldung der Beamten eine feste
Norm für ihre Wählbarkeit zu gewinnen. Die heutige Unterscheidung, je nach¬
dem die Beamten vom Könige unmittelbar' ernannt sind, oder nicht, ist glück¬
lich beseitigt; aber warum griff man den verhältnißmäßig hohen Maßstab der
600 Thlr. heraus? Er schließt eine Reihe von Beamten, welche nicht den ge¬
setzlichen Census erreichen und deren Gehalt leider unter 600 Thlr. beträgt,
vom Geschwornendienste völlig aus, während ihre in Amtssunctionen erheblich
ausgebildeten geistigen Fähigkeiten den Schwurgerichten vortreffliche Dienste
leisten, zur allmäligen Herausbildung Mitgeschworner für die tüchtige Erfüllung
ihrer Pflichten sich vorzüglich eignen und endlich den vielgehörten Klagen über
die Unbildung der Schwurgerichte unmittelbar abhelfen könnten. Dieser Mi߬
stand bleibt offenbar bestehen, selbst wenn man den Census hier auch gar nicht
als Maßstab der Fähigkeiten brauchte (s. unten). Es ist überflüssig, alle die hierher
gehörigen Beamtenklassen aufzuführen. Doch mag zum Ueberfluß darauf
verwiesen werden, daß selbst ein Haupttheil der außerordentlichen Professoren
der Universitäten, wenn überhaupt, so nur mit 400 Thlr. fest besoldet wird,
während sie meistens dem Census nach ebenfalls nicht zu Geschwornen wähl¬
bar sind und doch immer noch mehr Zeit und auch oft mehr Lust und Geschick,
als die älteren ordentlichen Professoren haben, ihren Pflichten als Geschworne
allseitig in dem eben angegebenen Sinne zu genügen.

Die erforderliche Eigenschaft, welche das heutige Recht in dem Ausdruck
„Vollgenuß der bürgerlichen Rechte" zusammenfaßt, zertheilt der neue Entwurf
in drei Momente: die Person muß 1) nicht infolge strafgerichtlicher Verurtheilung
die Befähigung, Geschworner zu sein, entbehren, 2) nicht der selbständigen Ver¬
waltung ihres Vermögens durch gerichtliches Erkenntniß entsetzt sein (wegen
Verschwendung, Wahn- oder Blödsinn). 3) nicht als Handelsmann. Schiffsrheder
oder Fabrikbesitzer in Concurs oder Fallimentszustand verfallen sein, ohne bis¬
her die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangt zu haben. Betreffs
des dritten Punktes erklären die Motive auch den gemeinen Concurs ganz
richtig als Grund. Personen vom Geschwornendienste auszuschließen. Diesen
Grund aber, wie ihm ähnliche, dz. B. criminelle Verurtheilung (ohne Ehrenstrafe)
wegen eines die allgemeine Achtung beeinträchtigenden Vergehens, sollen die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/24>, abgerufen am 15.01.2025.