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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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von Frankreich nennt es 1619 schmeichelnd den berühmtesten Handelsplatz fast
der ganzen Welt, und Luther, dessen kanonistischen Eifer gegen die Messen wir
schon kennen, schilt Frankfurt "das Silber, und Gold-Loch, dadurch aus deutschen
Landen fleußt, was nur quillt, wächst, gemundet und geschlagen wird." Hen-
ricus Stephanus rühmt von der Messe besonders den Umsatz von Büchern,
Hans Sachs das Gewühl auf den Straßen. Noch um 1750 behauptet Keyß-
ler, die frankfurter Meßwaaren könnten nicht für 10 Millionen aufgekauft wer¬
den, Leipzig stehe hierin nach. Dem entsprechend schreibt der frankfurter Rath
1377 an den Kaiser: Frankfurt habe seinen Erwerb vornehmlich von den
Messen, in diese bringe zuweilen ein einziger nürnberger Kaufmann mehr als
tausend Stück Waaren, und viele Italiener verkauften hier jedesmal für mehre
Tonnen Goldes Werth Sammet und Seide. Jedenfalls gehörten die Erträge
der Messe zu den bedeutendsten Einnahmen der Stadt.

Auch diese Messe entwickelte sich wahrscheinlich aus einem bloßen Jahr¬
markte zu Ende des Sommers am Kirchweihfeste der Hauptkirche. 1240, wo
Kaiser Friedrich der Zweite allen Mcßbesnchern derselben für Hin- und Rück¬
reise den Rcichsschutz versprach, war die Umwandlung schon geschehen. Seit
1330 verdoppelte sie Kaiser Ludwig der Bayer, welcher wegen des Beistandes
der Stadt gegen den Pabst ihr eine Reihe von Wohlthaten zufließen ließ; sie
hießen "die zwei frankfurter Neichsmessen", unter welchem Namen dann Orth
im vorigen Jahrhundert seinen äußerst lehrreichen großen Quartband über sie
veröffentlichte, auch alte und neue, Herbst- und Fastenmesse und hatten gleiche
Rechte.

Die Zeit für Anfang und Ende der Messen schwankte indeß, entgegen¬
gesetzt ihren eben im Namen gegebenen festen Terminen, je nachdem Krieg,
Pest, Unwetter oder der unregelmäßige Heranzug der Handelsleute dies nöthig
machte. Bon einer strengen, für jeden Fall festgehaltenen Meßzeit ist hier weit¬
aus nicht die Rede, etwa gleich den französischen Messen. Wie man die noth¬
wendig hierdurch für die Meßzahlungen und Meßwechsel erwachsenden Stö¬
rungen ausglich, ist nicht ersichtlich, wahrscheinlich galt für sie die allgemein
regelmäßige Meßzeit in jedem Falle, wo nicht der Rath der Stadt zuvor aus¬
drücklich den> einzelnen auswärtigen Handelsplätzen eine Veränderung der Meßzeit
rechtzeitig kundgethan hatte. Daß es dem Rathe selbst höchst peinlich war, die
Meßzeit durch Lässigkeit der Handelsleute wiederholt schwanken, später beginnen
und enden zu sehen, ergiebt sich aus den Strafen, die er darauf setzte, aus den
Erlassen an fremde Städte seit 1382, worin er diese um geeignete Einwirkung
auf ihre Meßbesucher bat, aus den Berathungen mit den säumigen Kaufleuten
selbst. Alles, wie sich denken läßt, vergeblich. Regelmäßig sollte die alte Messe
dauern vom Is. August bis 8. September, also 24 Tage, die neue von Sonn¬
tag Oculi bis Sonntag Judica, also 14 Tage. Man läutete sie, was wohl


von Frankreich nennt es 1619 schmeichelnd den berühmtesten Handelsplatz fast
der ganzen Welt, und Luther, dessen kanonistischen Eifer gegen die Messen wir
schon kennen, schilt Frankfurt „das Silber, und Gold-Loch, dadurch aus deutschen
Landen fleußt, was nur quillt, wächst, gemundet und geschlagen wird." Hen-
ricus Stephanus rühmt von der Messe besonders den Umsatz von Büchern,
Hans Sachs das Gewühl auf den Straßen. Noch um 1750 behauptet Keyß-
ler, die frankfurter Meßwaaren könnten nicht für 10 Millionen aufgekauft wer¬
den, Leipzig stehe hierin nach. Dem entsprechend schreibt der frankfurter Rath
1377 an den Kaiser: Frankfurt habe seinen Erwerb vornehmlich von den
Messen, in diese bringe zuweilen ein einziger nürnberger Kaufmann mehr als
tausend Stück Waaren, und viele Italiener verkauften hier jedesmal für mehre
Tonnen Goldes Werth Sammet und Seide. Jedenfalls gehörten die Erträge
der Messe zu den bedeutendsten Einnahmen der Stadt.

Auch diese Messe entwickelte sich wahrscheinlich aus einem bloßen Jahr¬
markte zu Ende des Sommers am Kirchweihfeste der Hauptkirche. 1240, wo
Kaiser Friedrich der Zweite allen Mcßbesnchern derselben für Hin- und Rück¬
reise den Rcichsschutz versprach, war die Umwandlung schon geschehen. Seit
1330 verdoppelte sie Kaiser Ludwig der Bayer, welcher wegen des Beistandes
der Stadt gegen den Pabst ihr eine Reihe von Wohlthaten zufließen ließ; sie
hießen „die zwei frankfurter Neichsmessen", unter welchem Namen dann Orth
im vorigen Jahrhundert seinen äußerst lehrreichen großen Quartband über sie
veröffentlichte, auch alte und neue, Herbst- und Fastenmesse und hatten gleiche
Rechte.

Die Zeit für Anfang und Ende der Messen schwankte indeß, entgegen¬
gesetzt ihren eben im Namen gegebenen festen Terminen, je nachdem Krieg,
Pest, Unwetter oder der unregelmäßige Heranzug der Handelsleute dies nöthig
machte. Bon einer strengen, für jeden Fall festgehaltenen Meßzeit ist hier weit¬
aus nicht die Rede, etwa gleich den französischen Messen. Wie man die noth¬
wendig hierdurch für die Meßzahlungen und Meßwechsel erwachsenden Stö¬
rungen ausglich, ist nicht ersichtlich, wahrscheinlich galt für sie die allgemein
regelmäßige Meßzeit in jedem Falle, wo nicht der Rath der Stadt zuvor aus¬
drücklich den> einzelnen auswärtigen Handelsplätzen eine Veränderung der Meßzeit
rechtzeitig kundgethan hatte. Daß es dem Rathe selbst höchst peinlich war, die
Meßzeit durch Lässigkeit der Handelsleute wiederholt schwanken, später beginnen
und enden zu sehen, ergiebt sich aus den Strafen, die er darauf setzte, aus den
Erlassen an fremde Städte seit 1382, worin er diese um geeignete Einwirkung
auf ihre Meßbesucher bat, aus den Berathungen mit den säumigen Kaufleuten
selbst. Alles, wie sich denken läßt, vergeblich. Regelmäßig sollte die alte Messe
dauern vom Is. August bis 8. September, also 24 Tage, die neue von Sonn¬
tag Oculi bis Sonntag Judica, also 14 Tage. Man läutete sie, was wohl


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/226>, abgerufen am 15.01.2025.