Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.geradezu behaupten, das baare Geld jeder Art ist von den Messen verschwun¬ Diese Messen der Genueser überflügelten betreffs des Wechselverkehrs die Zum Beleg der Einwirkung jener Messen auf die Märkte Deutschlands geradezu behaupten, das baare Geld jeder Art ist von den Messen verschwun¬ Diese Messen der Genueser überflügelten betreffs des Wechselverkehrs die Zum Beleg der Einwirkung jener Messen auf die Märkte Deutschlands <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0222" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283575"/> <p xml:id="ID_624" prev="#ID_623"> geradezu behaupten, das baare Geld jeder Art ist von den Messen verschwun¬<lb/> den. Die Bankiers, welche viele Millionen Goldstücke umwechseln, bringen<lb/> kaum so viel Geld mit, als zum Leben in den wenigen Meßtagen nöthig ist.<lb/> Der Gläubiger müht steh um nichts weniger, ja er schreckt vor nichts mehr<lb/> zurück, als daß er Bacirzahlung annehmen soll. Aber alles seht er daran,<lb/> Wechsel auf Meßgold (vergl. unten) für die Orte der Welt zu erhalten, in<lb/> welchen er das baare Geld von Nutzen hält. Erst 1622 änderte sich das-<lb/> Den Gang der Messe können wir genau übersehen. Zunächst meldete sich jeder<lb/> Besucher mit seinen Vollmachten beim Meßvorstande und legte sein Wechsel¬<lb/> conto für die Messe (Lourtakaeeio) vor. Am ersten Meßtage wurde acceptirt,<lb/> man ging zu den Bezogenen oder rief sie auf. dann meldeten sie sich oder ihre<lb/> Procuristen. Je nach der blos mündlichen Erklärung des Bezogenen machte<lb/> man sein Zeichen in die Wechselliste. Aus dem ganzen Resultate zog jeder<lb/> seine Meßbilanz und benachrichtigte die Borsteher, wie viel er auf der Messe zu<lb/> fordern oder zu zahlen habe. Die Berechnung machte sich leicht, weil alle<lb/> Meßwechsel auf die für die Messe erfundene Rechnenmünze (seuäo al marelre),<lb/> deren Curs gegen die wirklichen Münzen der Hauptländer genau festgestellt<lb/> war, lauten mußten. Aus allen Einzelbilanzen zog der Vorstand dann eine<lb/> Generalbilanz. Darauf setzten die Meßvorsteher mit den angesehensten Me߬<lb/> besuchern den Curs fest für die Rückwechsel von der Messe nach den Haupt¬<lb/> handelsorten. Sodann skontrirte man in dem größern Theile der Meßzeit, trug<lb/> die Resultate der Gegenrechnungen in die Bilanzen und nahm und gab den<lb/> Werth des hierdurch nicht Ausgeglichenen in den eben erwähnten Rückwechseln<lb/> von der Messe auf die verlangten auswärtigen Orte. Bis zum achten Tage<lb/> der Messe mußte jeder seine ausgeglichene Bilanz den Vorstehern nachweisen,<lb/> im Nothfalle konnte ein neunter Tag gewährt werden, dann schloß der Markt.</p><lb/> <p xml:id="ID_625"> Diese Messen der Genueser überflügelten betreffs des Wechselverkehrs die<lb/> Märkte von Lyon bedeutend, in den zwei ersten Jahrzehnten des siebzehnten<lb/> Jahrhunderts setzte man auf je einer Messe zu Piacenza. wohin die Genueser<lb/> seit 1597 den Markt von Beharren verlegt hatten, 16 Millionen Dukaten um.</p><lb/> <p xml:id="ID_626" next="#ID_627"> Zum Beleg der Einwirkung jener Messen auf die Märkte Deutschlands<lb/> führt man nun Einzelheiten an aus Botzen, aus der leipziger Wechselordnung<lb/> von 1682, dem italienischen leipziger Kurszettel von 1711 u. drgl. In dieser<lb/> späten Zeit läßt sich der directe italienische Einfluß auf etliche deutsche Märkte<lb/> in der That, nicht bestreikn. Auch für die Hauptperiode des Mittelalters ist<lb/> oben bei dem Nachweis der Verbindung zwischen den Messen in Frankreich und<lb/> deutschen Handelsorten die Bedeutung jener für unsre Messen anerkannt. Mehr<lb/> als in der nur ganz vereinzelt nachweisbaren Uebertragung der äußern Meß.<lb/> ordnung wirkten jene durch Italiener blühenden Messen im Mittelalter und in<lb/> den ersten Jahrhunderten der Neuzeit auf das Emporkommen bedeutenden Waaren-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0222]
geradezu behaupten, das baare Geld jeder Art ist von den Messen verschwun¬
den. Die Bankiers, welche viele Millionen Goldstücke umwechseln, bringen
kaum so viel Geld mit, als zum Leben in den wenigen Meßtagen nöthig ist.
Der Gläubiger müht steh um nichts weniger, ja er schreckt vor nichts mehr
zurück, als daß er Bacirzahlung annehmen soll. Aber alles seht er daran,
Wechsel auf Meßgold (vergl. unten) für die Orte der Welt zu erhalten, in
welchen er das baare Geld von Nutzen hält. Erst 1622 änderte sich das-
Den Gang der Messe können wir genau übersehen. Zunächst meldete sich jeder
Besucher mit seinen Vollmachten beim Meßvorstande und legte sein Wechsel¬
conto für die Messe (Lourtakaeeio) vor. Am ersten Meßtage wurde acceptirt,
man ging zu den Bezogenen oder rief sie auf. dann meldeten sie sich oder ihre
Procuristen. Je nach der blos mündlichen Erklärung des Bezogenen machte
man sein Zeichen in die Wechselliste. Aus dem ganzen Resultate zog jeder
seine Meßbilanz und benachrichtigte die Borsteher, wie viel er auf der Messe zu
fordern oder zu zahlen habe. Die Berechnung machte sich leicht, weil alle
Meßwechsel auf die für die Messe erfundene Rechnenmünze (seuäo al marelre),
deren Curs gegen die wirklichen Münzen der Hauptländer genau festgestellt
war, lauten mußten. Aus allen Einzelbilanzen zog der Vorstand dann eine
Generalbilanz. Darauf setzten die Meßvorsteher mit den angesehensten Me߬
besuchern den Curs fest für die Rückwechsel von der Messe nach den Haupt¬
handelsorten. Sodann skontrirte man in dem größern Theile der Meßzeit, trug
die Resultate der Gegenrechnungen in die Bilanzen und nahm und gab den
Werth des hierdurch nicht Ausgeglichenen in den eben erwähnten Rückwechseln
von der Messe auf die verlangten auswärtigen Orte. Bis zum achten Tage
der Messe mußte jeder seine ausgeglichene Bilanz den Vorstehern nachweisen,
im Nothfalle konnte ein neunter Tag gewährt werden, dann schloß der Markt.
Diese Messen der Genueser überflügelten betreffs des Wechselverkehrs die
Märkte von Lyon bedeutend, in den zwei ersten Jahrzehnten des siebzehnten
Jahrhunderts setzte man auf je einer Messe zu Piacenza. wohin die Genueser
seit 1597 den Markt von Beharren verlegt hatten, 16 Millionen Dukaten um.
Zum Beleg der Einwirkung jener Messen auf die Märkte Deutschlands
führt man nun Einzelheiten an aus Botzen, aus der leipziger Wechselordnung
von 1682, dem italienischen leipziger Kurszettel von 1711 u. drgl. In dieser
späten Zeit läßt sich der directe italienische Einfluß auf etliche deutsche Märkte
in der That, nicht bestreikn. Auch für die Hauptperiode des Mittelalters ist
oben bei dem Nachweis der Verbindung zwischen den Messen in Frankreich und
deutschen Handelsorten die Bedeutung jener für unsre Messen anerkannt. Mehr
als in der nur ganz vereinzelt nachweisbaren Uebertragung der äußern Meß.
ordnung wirkten jene durch Italiener blühenden Messen im Mittelalter und in
den ersten Jahrhunderten der Neuzeit auf das Emporkommen bedeutenden Waaren-
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