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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Märkte und Messen im mittelalterlichen Deutschland.

Schon unter der Herrschaft der Karolinger bekanntlich bildeten sich zur
Förderung des bürgerlichen Verkehrs aus dessen beginnender größerer und ge¬
sicherterer Entfaltung Jahrmärkte zunächst in der Nähe von viel besuchten Stif¬
tern und Abteien, dann in den bei diesen oder anderswo erstellenden und er¬
starkenden Städten, zunächst an bestimmten kirchlichen Festtagen, dann auch zu
andern Zeiten, je nach der Vorschrift der Könige und Kaiser oder der weltlichen
und geistlichen Fürsten, welchen jene das Hoheitsrecht des Markthaltens unter
mannigfachen Rechtstiteln übertragen hatten. Solche'Märkte erhielten sich eine
lange Zeit hindurch natürlich nur an den alten Hauptstraßen des Handels in
Gallien und Deutschland, dort besonders im östlichen und südöstlichen Theile
des Landes, hier an den. Stätten der römischen und noch älteren Fahrten und
Niederlassungen in Süd- und Westdeutschland längs Rhein und Donau,
hinaus nach Italien, hinab gen Flandern.

Denn nur in diesen Gegenden hatte sich der Handel soweit, zumal unter
der Fürsorge der Könige und geistlichen Herren von ihren wechselnden Residen¬
zen (Pfalzen), ihren Klöstern und Stiftern aus, früh erhoben, daß er an den
Knotenpunkten des engern oder weitern Verkehrs ein Zusammenströmen der
Waaren, der Werthe, der Handelsleute aus kleinerer, dann größerer Ferne
nothwendig machte. Die Märkte und Messen erblühten hier um so schneller,
als sich die "Geschlechter" der Städte (die Patrizier) an dem Großhandel be¬
theiligten und ihn mit ihren einzelnen Geistes- und Geldmitteln oder mit
denen von weitverzweigten Handelsgesellschaften, sei es der Patrizierfamilien, sei
es ganzer Städte, erfaßten und betrieben.

Bereits seit dem 9. und 10. Jahrhundert lesen wir da in den Urkunden von
den Märkten Straßburgs und denen von Mainz und Köln. Mit dem Ausgange des
11. Jahrhunderts beginnen die Kreuzzüge in ungewohnter Stärke die Handels¬
verbindung zwischen Morgen- und Abendland zu beleben, die Erzeugnisse In¬
diens, Persiens. der Levante strömen in die Haupthandelsplätze Italiens und
von dort auf die Märkte von Augsburg und Nürnberg, oder sie ziehen die
Schweiz hinauf nach Konstanz, dann in breitem, gewohntem Zuge den Rhein


Grenzboten til. 1865. 26
Märkte und Messen im mittelalterlichen Deutschland.

Schon unter der Herrschaft der Karolinger bekanntlich bildeten sich zur
Förderung des bürgerlichen Verkehrs aus dessen beginnender größerer und ge¬
sicherterer Entfaltung Jahrmärkte zunächst in der Nähe von viel besuchten Stif¬
tern und Abteien, dann in den bei diesen oder anderswo erstellenden und er¬
starkenden Städten, zunächst an bestimmten kirchlichen Festtagen, dann auch zu
andern Zeiten, je nach der Vorschrift der Könige und Kaiser oder der weltlichen
und geistlichen Fürsten, welchen jene das Hoheitsrecht des Markthaltens unter
mannigfachen Rechtstiteln übertragen hatten. Solche'Märkte erhielten sich eine
lange Zeit hindurch natürlich nur an den alten Hauptstraßen des Handels in
Gallien und Deutschland, dort besonders im östlichen und südöstlichen Theile
des Landes, hier an den. Stätten der römischen und noch älteren Fahrten und
Niederlassungen in Süd- und Westdeutschland längs Rhein und Donau,
hinaus nach Italien, hinab gen Flandern.

Denn nur in diesen Gegenden hatte sich der Handel soweit, zumal unter
der Fürsorge der Könige und geistlichen Herren von ihren wechselnden Residen¬
zen (Pfalzen), ihren Klöstern und Stiftern aus, früh erhoben, daß er an den
Knotenpunkten des engern oder weitern Verkehrs ein Zusammenströmen der
Waaren, der Werthe, der Handelsleute aus kleinerer, dann größerer Ferne
nothwendig machte. Die Märkte und Messen erblühten hier um so schneller,
als sich die „Geschlechter" der Städte (die Patrizier) an dem Großhandel be¬
theiligten und ihn mit ihren einzelnen Geistes- und Geldmitteln oder mit
denen von weitverzweigten Handelsgesellschaften, sei es der Patrizierfamilien, sei
es ganzer Städte, erfaßten und betrieben.

Bereits seit dem 9. und 10. Jahrhundert lesen wir da in den Urkunden von
den Märkten Straßburgs und denen von Mainz und Köln. Mit dem Ausgange des
11. Jahrhunderts beginnen die Kreuzzüge in ungewohnter Stärke die Handels¬
verbindung zwischen Morgen- und Abendland zu beleben, die Erzeugnisse In¬
diens, Persiens. der Levante strömen in die Haupthandelsplätze Italiens und
von dort auf die Märkte von Augsburg und Nürnberg, oder sie ziehen die
Schweiz hinauf nach Konstanz, dann in breitem, gewohntem Zuge den Rhein


Grenzboten til. 1865. 26
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[0217] Märkte und Messen im mittelalterlichen Deutschland. Schon unter der Herrschaft der Karolinger bekanntlich bildeten sich zur Förderung des bürgerlichen Verkehrs aus dessen beginnender größerer und ge¬ sicherterer Entfaltung Jahrmärkte zunächst in der Nähe von viel besuchten Stif¬ tern und Abteien, dann in den bei diesen oder anderswo erstellenden und er¬ starkenden Städten, zunächst an bestimmten kirchlichen Festtagen, dann auch zu andern Zeiten, je nach der Vorschrift der Könige und Kaiser oder der weltlichen und geistlichen Fürsten, welchen jene das Hoheitsrecht des Markthaltens unter mannigfachen Rechtstiteln übertragen hatten. Solche'Märkte erhielten sich eine lange Zeit hindurch natürlich nur an den alten Hauptstraßen des Handels in Gallien und Deutschland, dort besonders im östlichen und südöstlichen Theile des Landes, hier an den. Stätten der römischen und noch älteren Fahrten und Niederlassungen in Süd- und Westdeutschland längs Rhein und Donau, hinaus nach Italien, hinab gen Flandern. Denn nur in diesen Gegenden hatte sich der Handel soweit, zumal unter der Fürsorge der Könige und geistlichen Herren von ihren wechselnden Residen¬ zen (Pfalzen), ihren Klöstern und Stiftern aus, früh erhoben, daß er an den Knotenpunkten des engern oder weitern Verkehrs ein Zusammenströmen der Waaren, der Werthe, der Handelsleute aus kleinerer, dann größerer Ferne nothwendig machte. Die Märkte und Messen erblühten hier um so schneller, als sich die „Geschlechter" der Städte (die Patrizier) an dem Großhandel be¬ theiligten und ihn mit ihren einzelnen Geistes- und Geldmitteln oder mit denen von weitverzweigten Handelsgesellschaften, sei es der Patrizierfamilien, sei es ganzer Städte, erfaßten und betrieben. Bereits seit dem 9. und 10. Jahrhundert lesen wir da in den Urkunden von den Märkten Straßburgs und denen von Mainz und Köln. Mit dem Ausgange des 11. Jahrhunderts beginnen die Kreuzzüge in ungewohnter Stärke die Handels¬ verbindung zwischen Morgen- und Abendland zu beleben, die Erzeugnisse In¬ diens, Persiens. der Levante strömen in die Haupthandelsplätze Italiens und von dort auf die Märkte von Augsburg und Nürnberg, oder sie ziehen die Schweiz hinauf nach Konstanz, dann in breitem, gewohntem Zuge den Rhein Grenzboten til. 1865. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/217>, abgerufen am 15.01.2025.