Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mehr. Er hat die Forderungen, welche Preußen an die künftige Regierung der
Herzogtümer zu machen hatte, nach langem Zögern öffentlich formulirt. Einige
derselben waren allerdings für jeden künftigen Landesherrn strenge Zumuthungen
-- preußischer Fahneneid. Preußische Administration der staatlichen Verkehrsan¬
stalten. Der Herzog von Schleswig-Holstein erklärte in einigen Hauptpunkten
seine Bereitwilligkeit und machte bei anderen -- immerhin vorsichtige Vorstel¬
lungen. Sofort gab man ihn in sehr entschiedener Weise auf, Herr v. Bismark
sprach sich vor dem Abgeordnetenhause rückhaltslos gegen die Kandidatur des
Hauses Augustenburg aus und publiciite das Memorial über jene vielbesprochene
Unterredung mit dem Herzoge.

Wohl durfte ein Anhänger Preußens sich fragen, was war der Zweck
solcher offenherziger Aeußerungen, wie sie in schwebenden Geschäften ziemlich
unerhört sind. Man konnte dem Publikum die Ueberzeugung nicht bei¬
bringen, daß der Kampf gegen Dänemark mit dem überlegten Plan begonnen
sei, um die Herzogthümer durch Krieg von Dänemark zu lösen und es blieb
noch zweifelhaft, ob die Zurückhaltung des Augustenburgers bei jener be¬
rühmten Unterredung nicht vielleicht durch Aeußerungen des Herrn v. Bismarck
selbst hervorgerufen sei, welche derselbe in seinem Memorial nicht aufgezeichnet
hat. Wenigstens sprach man nach jener Unterredung von einem Memorial des
Herzogs, welches die Unterredung weit anders darstellen sollte, und daß ein
Hauptpunkt, auf dem Herr v. Bismarck damals bestanden. Aushebung der Ver¬
fassung Schleswig-Holsteins von 1848/49 gewesen sei. weil man in Berlin nicht
dulden könne, daß im Norden Deutschlands ein zweites Koburg etablirt werde.
Doch das ist jetzt in der That unwesentlich. Wir haben ohnedies genug der
Enthüllungen und persönlichen Angriffe gehabt und halten in der Noth der
Gegenwart für ziemlich bedeutungslos, was einmal der und jener über ver¬
gangene Situationen gemeint. Das Ministerium hatte mit den Ansprüchen des
Hauses Augustenburg öffentlich gebrochen, man nahm also wieder die Ansprüche
des Großherzogs von Oldenburg auf. Vielleicht fand man. daß auch dieser
nicht ganz so gefügig war, als man gehofft, es wurde offen hierauf hingearbeitet,
daß Preußen selbst die Herzogthümer zu erwerben habe. Man ging also auf
Ansprüche zurück, welche das Gutachten der preußischen Kronjuristen mit Auto¬
rität versehen sollte. Wie kommt es doch, daß dieses Gutachten wieder bei
Seite gelegt wurde? Man erfaßte den Plan, die Stände der Herzogthümer zu¬
sammenzurufen, weil man sich der Meinung hingab, bei ihnen eine Majorität
für Preußen zu gewinnen. Wie kommt es doch, daß auch dieser gute Plan
kalt geworden ist? Man verhandelte immer wieder mit Oestreich, und das öst¬
reichische Cabinet, ruhig, kalt, trat immer entschiedener den preußischen Ansprüchen
gegenüber, je erregter diese geltend gemacht wurden. Dazwischen gab es die
ärgerlichsten Händel in den Herzogthümern selbst, Reibungen der Commissäre,


mehr. Er hat die Forderungen, welche Preußen an die künftige Regierung der
Herzogtümer zu machen hatte, nach langem Zögern öffentlich formulirt. Einige
derselben waren allerdings für jeden künftigen Landesherrn strenge Zumuthungen
— preußischer Fahneneid. Preußische Administration der staatlichen Verkehrsan¬
stalten. Der Herzog von Schleswig-Holstein erklärte in einigen Hauptpunkten
seine Bereitwilligkeit und machte bei anderen — immerhin vorsichtige Vorstel¬
lungen. Sofort gab man ihn in sehr entschiedener Weise auf, Herr v. Bismark
sprach sich vor dem Abgeordnetenhause rückhaltslos gegen die Kandidatur des
Hauses Augustenburg aus und publiciite das Memorial über jene vielbesprochene
Unterredung mit dem Herzoge.

Wohl durfte ein Anhänger Preußens sich fragen, was war der Zweck
solcher offenherziger Aeußerungen, wie sie in schwebenden Geschäften ziemlich
unerhört sind. Man konnte dem Publikum die Ueberzeugung nicht bei¬
bringen, daß der Kampf gegen Dänemark mit dem überlegten Plan begonnen
sei, um die Herzogthümer durch Krieg von Dänemark zu lösen und es blieb
noch zweifelhaft, ob die Zurückhaltung des Augustenburgers bei jener be¬
rühmten Unterredung nicht vielleicht durch Aeußerungen des Herrn v. Bismarck
selbst hervorgerufen sei, welche derselbe in seinem Memorial nicht aufgezeichnet
hat. Wenigstens sprach man nach jener Unterredung von einem Memorial des
Herzogs, welches die Unterredung weit anders darstellen sollte, und daß ein
Hauptpunkt, auf dem Herr v. Bismarck damals bestanden. Aushebung der Ver¬
fassung Schleswig-Holsteins von 1848/49 gewesen sei. weil man in Berlin nicht
dulden könne, daß im Norden Deutschlands ein zweites Koburg etablirt werde.
Doch das ist jetzt in der That unwesentlich. Wir haben ohnedies genug der
Enthüllungen und persönlichen Angriffe gehabt und halten in der Noth der
Gegenwart für ziemlich bedeutungslos, was einmal der und jener über ver¬
gangene Situationen gemeint. Das Ministerium hatte mit den Ansprüchen des
Hauses Augustenburg öffentlich gebrochen, man nahm also wieder die Ansprüche
des Großherzogs von Oldenburg auf. Vielleicht fand man. daß auch dieser
nicht ganz so gefügig war, als man gehofft, es wurde offen hierauf hingearbeitet,
daß Preußen selbst die Herzogthümer zu erwerben habe. Man ging also auf
Ansprüche zurück, welche das Gutachten der preußischen Kronjuristen mit Auto¬
rität versehen sollte. Wie kommt es doch, daß dieses Gutachten wieder bei
Seite gelegt wurde? Man erfaßte den Plan, die Stände der Herzogthümer zu¬
sammenzurufen, weil man sich der Meinung hingab, bei ihnen eine Majorität
für Preußen zu gewinnen. Wie kommt es doch, daß auch dieser gute Plan
kalt geworden ist? Man verhandelte immer wieder mit Oestreich, und das öst¬
reichische Cabinet, ruhig, kalt, trat immer entschiedener den preußischen Ansprüchen
gegenüber, je erregter diese geltend gemacht wurden. Dazwischen gab es die
ärgerlichsten Händel in den Herzogthümern selbst, Reibungen der Commissäre,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0209" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283562"/>
          <p xml:id="ID_591" prev="#ID_590"> mehr. Er hat die Forderungen, welche Preußen an die künftige Regierung der<lb/>
Herzogtümer zu machen hatte, nach langem Zögern öffentlich formulirt. Einige<lb/>
derselben waren allerdings für jeden künftigen Landesherrn strenge Zumuthungen<lb/>
&#x2014; preußischer Fahneneid. Preußische Administration der staatlichen Verkehrsan¬<lb/>
stalten. Der Herzog von Schleswig-Holstein erklärte in einigen Hauptpunkten<lb/>
seine Bereitwilligkeit und machte bei anderen &#x2014; immerhin vorsichtige Vorstel¬<lb/>
lungen. Sofort gab man ihn in sehr entschiedener Weise auf, Herr v. Bismark<lb/>
sprach sich vor dem Abgeordnetenhause rückhaltslos gegen die Kandidatur des<lb/>
Hauses Augustenburg aus und publiciite das Memorial über jene vielbesprochene<lb/>
Unterredung mit dem Herzoge.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_592" next="#ID_593"> Wohl durfte ein Anhänger Preußens sich fragen, was war der Zweck<lb/>
solcher offenherziger Aeußerungen, wie sie in schwebenden Geschäften ziemlich<lb/>
unerhört sind. Man konnte dem Publikum die Ueberzeugung nicht bei¬<lb/>
bringen, daß der Kampf gegen Dänemark mit dem überlegten Plan begonnen<lb/>
sei, um die Herzogthümer durch Krieg von Dänemark zu lösen und es blieb<lb/>
noch zweifelhaft, ob die Zurückhaltung des Augustenburgers bei jener be¬<lb/>
rühmten Unterredung nicht vielleicht durch Aeußerungen des Herrn v. Bismarck<lb/>
selbst hervorgerufen sei, welche derselbe in seinem Memorial nicht aufgezeichnet<lb/>
hat. Wenigstens sprach man nach jener Unterredung von einem Memorial des<lb/>
Herzogs, welches die Unterredung weit anders darstellen sollte, und daß ein<lb/>
Hauptpunkt, auf dem Herr v. Bismarck damals bestanden. Aushebung der Ver¬<lb/>
fassung Schleswig-Holsteins von 1848/49 gewesen sei. weil man in Berlin nicht<lb/>
dulden könne, daß im Norden Deutschlands ein zweites Koburg etablirt werde.<lb/>
Doch das ist jetzt in der That unwesentlich. Wir haben ohnedies genug der<lb/>
Enthüllungen und persönlichen Angriffe gehabt und halten in der Noth der<lb/>
Gegenwart für ziemlich bedeutungslos, was einmal der und jener über ver¬<lb/>
gangene Situationen gemeint. Das Ministerium hatte mit den Ansprüchen des<lb/>
Hauses Augustenburg öffentlich gebrochen, man nahm also wieder die Ansprüche<lb/>
des Großherzogs von Oldenburg auf. Vielleicht fand man. daß auch dieser<lb/>
nicht ganz so gefügig war, als man gehofft, es wurde offen hierauf hingearbeitet,<lb/>
daß Preußen selbst die Herzogthümer zu erwerben habe. Man ging also auf<lb/>
Ansprüche zurück, welche das Gutachten der preußischen Kronjuristen mit Auto¬<lb/>
rität versehen sollte. Wie kommt es doch, daß dieses Gutachten wieder bei<lb/>
Seite gelegt wurde? Man erfaßte den Plan, die Stände der Herzogthümer zu¬<lb/>
sammenzurufen, weil man sich der Meinung hingab, bei ihnen eine Majorität<lb/>
für Preußen zu gewinnen. Wie kommt es doch, daß auch dieser gute Plan<lb/>
kalt geworden ist? Man verhandelte immer wieder mit Oestreich, und das öst¬<lb/>
reichische Cabinet, ruhig, kalt, trat immer entschiedener den preußischen Ansprüchen<lb/>
gegenüber, je erregter diese geltend gemacht wurden. Dazwischen gab es die<lb/>
ärgerlichsten Händel in den Herzogthümern selbst, Reibungen der Commissäre,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0209] mehr. Er hat die Forderungen, welche Preußen an die künftige Regierung der Herzogtümer zu machen hatte, nach langem Zögern öffentlich formulirt. Einige derselben waren allerdings für jeden künftigen Landesherrn strenge Zumuthungen — preußischer Fahneneid. Preußische Administration der staatlichen Verkehrsan¬ stalten. Der Herzog von Schleswig-Holstein erklärte in einigen Hauptpunkten seine Bereitwilligkeit und machte bei anderen — immerhin vorsichtige Vorstel¬ lungen. Sofort gab man ihn in sehr entschiedener Weise auf, Herr v. Bismark sprach sich vor dem Abgeordnetenhause rückhaltslos gegen die Kandidatur des Hauses Augustenburg aus und publiciite das Memorial über jene vielbesprochene Unterredung mit dem Herzoge. Wohl durfte ein Anhänger Preußens sich fragen, was war der Zweck solcher offenherziger Aeußerungen, wie sie in schwebenden Geschäften ziemlich unerhört sind. Man konnte dem Publikum die Ueberzeugung nicht bei¬ bringen, daß der Kampf gegen Dänemark mit dem überlegten Plan begonnen sei, um die Herzogthümer durch Krieg von Dänemark zu lösen und es blieb noch zweifelhaft, ob die Zurückhaltung des Augustenburgers bei jener be¬ rühmten Unterredung nicht vielleicht durch Aeußerungen des Herrn v. Bismarck selbst hervorgerufen sei, welche derselbe in seinem Memorial nicht aufgezeichnet hat. Wenigstens sprach man nach jener Unterredung von einem Memorial des Herzogs, welches die Unterredung weit anders darstellen sollte, und daß ein Hauptpunkt, auf dem Herr v. Bismarck damals bestanden. Aushebung der Ver¬ fassung Schleswig-Holsteins von 1848/49 gewesen sei. weil man in Berlin nicht dulden könne, daß im Norden Deutschlands ein zweites Koburg etablirt werde. Doch das ist jetzt in der That unwesentlich. Wir haben ohnedies genug der Enthüllungen und persönlichen Angriffe gehabt und halten in der Noth der Gegenwart für ziemlich bedeutungslos, was einmal der und jener über ver¬ gangene Situationen gemeint. Das Ministerium hatte mit den Ansprüchen des Hauses Augustenburg öffentlich gebrochen, man nahm also wieder die Ansprüche des Großherzogs von Oldenburg auf. Vielleicht fand man. daß auch dieser nicht ganz so gefügig war, als man gehofft, es wurde offen hierauf hingearbeitet, daß Preußen selbst die Herzogthümer zu erwerben habe. Man ging also auf Ansprüche zurück, welche das Gutachten der preußischen Kronjuristen mit Auto¬ rität versehen sollte. Wie kommt es doch, daß dieses Gutachten wieder bei Seite gelegt wurde? Man erfaßte den Plan, die Stände der Herzogthümer zu¬ sammenzurufen, weil man sich der Meinung hingab, bei ihnen eine Majorität für Preußen zu gewinnen. Wie kommt es doch, daß auch dieser gute Plan kalt geworden ist? Man verhandelte immer wieder mit Oestreich, und das öst¬ reichische Cabinet, ruhig, kalt, trat immer entschiedener den preußischen Ansprüchen gegenüber, je erregter diese geltend gemacht wurden. Dazwischen gab es die ärgerlichsten Händel in den Herzogthümern selbst, Reibungen der Commissäre,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/209
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/209>, abgerufen am 15.01.2025.