Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.der gegenwärtigen Regierung und der Opposition im Volke nach menschlichem Auch der Vortheil, welchen die kriegerischen Erfolge des vorigen Jahres Es wäre nicht gerecht, dem Ministerpräsidenten alle Fehlgriffe, welche der gegenwärtigen Regierung und der Opposition im Volke nach menschlichem Auch der Vortheil, welchen die kriegerischen Erfolge des vorigen Jahres Es wäre nicht gerecht, dem Ministerpräsidenten alle Fehlgriffe, welche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0208" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283561"/> <p xml:id="ID_588" prev="#ID_587"> der gegenwärtigen Regierung und der Opposition im Volke nach menschlichem<lb/> Ermessen unmöglich macht, die Hoffnung des Ministeriums, durch einen großen<lb/> Erfolg in den Herzogthümern den Widerstand des eigenen Bürgerthums zum<lb/> Schweigen zu bringen, hat sich als irrig erwiesen. Man ist im eigenen Lande<lb/> zu einer Erbitterung gekommen, welche bereits mit dem Criminalgesetzbuch in<lb/> der Hand eifert, man ist Oestreich gegenüber trotz aller Versicherungen bezahlter<lb/> Federn am Ende ruhiger diplomatischer Verhandlungen. Durch die Entlassung<lb/> des Abgeordnetenhauses und das Octroyiren eines Etats sind die inneren<lb/> Schwierigkeiten der Regierung nicht vermindert. So lange die konservative<lb/> Partei diesen Act deS monarchischen Selbstwillens gut heißt und die unzu¬<lb/> friedenen Wähler ihre Steuern zahlen, mag der Mechanismus der Verwaltung<lb/> in gewohnter Weise fortgeführt werden, die innere Verstörung wirkt doch fort<lb/> und lähmt die Regierung von allen Seiten. Es wird ihr unmöglich, sich selbst<lb/> und dem Auslande zu verbergen, daß sie durch Gewalt herrscht, daß ihre Ad¬<lb/> ministration täglich mehr in Gefahr kommt als Dienerin einer Partei zu er¬<lb/> scheinen. Der alte Krieg gegen die Oppositionspresse, gegen liberale Stadt¬<lb/> räthe, Kreisrichter, Abgeordnete wird heftiger und schonungsloser, täglich größer<lb/> auch unter loyalen Freunden der Regierung die Unsicherheit, die Opposition<lb/> hat an Zahl und auch an Energie der Empfindung zugenommen, und das<lb/> Ministerium muß gänzlich auf die Aussicht verzichten, welche ihr durch einige<lb/> Monate gegeben schien, mit Schonung der leidigen Verfassungsparagraphen,<lb/> etwa durch Neuwahlen ein fügsameres Haus der Volksvertreter zu gewinnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_589"> Auch der Vortheil, welchen die kriegerischen Erfolge des vorigen Jahres<lb/> gebracht hatten, ist verloren. Viele Preußen waren geneigt, den Maßregeln<lb/> eines Regiments, welches ihnen persönlich feindselig erschien, in ihrem Gemüth<lb/> Amnestie zu ertheilen, weil sie die Hoffnung hatten, daß dieselbe Regierung<lb/> nach Außen die höchsten Interessen des Staates mit erobernder Kraft vertreten<lb/> werde. Der Verlauf der Schleswig-holsteinschen Händel hat diese Hoffnung<lb/> genommen, nur klein ist die Zahl feuriger Preußen, welche noch irgendeinen<lb/> überlegenen und unerwarteten Meisterzug in der Politik, oder eine plötzliche<lb/> Kraftentwickelung hoffen. Es war eine treuherzige Täuschung, welcher mancher<lb/> werthe Parteigenosse sich hingab. Die Ereignisse haben die bittere Lehre ge¬<lb/> bracht, daß es niemals möglich ist, zu gleicher Zeit klein und groß, unsicher und<lb/> fest, gereizt und überlegen zu handeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_590" next="#ID_591"> Es wäre nicht gerecht, dem Ministerpräsidenten alle Fehlgriffe, welche<lb/> preußischerseits in den Herzogthümern gemacht sind, zuzuschreiben. Ohne Zweifel<lb/> empfindet Herr v. Bismarck manche derselben sehr peinlich. Sie sind Folgen<lb/> seiner Parteistellung, denen er sich nicht mehr entziehen kann. Aber auch seine<lb/> Maßnahmen, soweit sie durch seine eigenen Erklärungen dem öffentlichen Ur¬<lb/> theil unterbreitet sind, erschweren ihm bei jedem Schritt guten Erfolg mehr und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0208]
der gegenwärtigen Regierung und der Opposition im Volke nach menschlichem
Ermessen unmöglich macht, die Hoffnung des Ministeriums, durch einen großen
Erfolg in den Herzogthümern den Widerstand des eigenen Bürgerthums zum
Schweigen zu bringen, hat sich als irrig erwiesen. Man ist im eigenen Lande
zu einer Erbitterung gekommen, welche bereits mit dem Criminalgesetzbuch in
der Hand eifert, man ist Oestreich gegenüber trotz aller Versicherungen bezahlter
Federn am Ende ruhiger diplomatischer Verhandlungen. Durch die Entlassung
des Abgeordnetenhauses und das Octroyiren eines Etats sind die inneren
Schwierigkeiten der Regierung nicht vermindert. So lange die konservative
Partei diesen Act deS monarchischen Selbstwillens gut heißt und die unzu¬
friedenen Wähler ihre Steuern zahlen, mag der Mechanismus der Verwaltung
in gewohnter Weise fortgeführt werden, die innere Verstörung wirkt doch fort
und lähmt die Regierung von allen Seiten. Es wird ihr unmöglich, sich selbst
und dem Auslande zu verbergen, daß sie durch Gewalt herrscht, daß ihre Ad¬
ministration täglich mehr in Gefahr kommt als Dienerin einer Partei zu er¬
scheinen. Der alte Krieg gegen die Oppositionspresse, gegen liberale Stadt¬
räthe, Kreisrichter, Abgeordnete wird heftiger und schonungsloser, täglich größer
auch unter loyalen Freunden der Regierung die Unsicherheit, die Opposition
hat an Zahl und auch an Energie der Empfindung zugenommen, und das
Ministerium muß gänzlich auf die Aussicht verzichten, welche ihr durch einige
Monate gegeben schien, mit Schonung der leidigen Verfassungsparagraphen,
etwa durch Neuwahlen ein fügsameres Haus der Volksvertreter zu gewinnen.
Auch der Vortheil, welchen die kriegerischen Erfolge des vorigen Jahres
gebracht hatten, ist verloren. Viele Preußen waren geneigt, den Maßregeln
eines Regiments, welches ihnen persönlich feindselig erschien, in ihrem Gemüth
Amnestie zu ertheilen, weil sie die Hoffnung hatten, daß dieselbe Regierung
nach Außen die höchsten Interessen des Staates mit erobernder Kraft vertreten
werde. Der Verlauf der Schleswig-holsteinschen Händel hat diese Hoffnung
genommen, nur klein ist die Zahl feuriger Preußen, welche noch irgendeinen
überlegenen und unerwarteten Meisterzug in der Politik, oder eine plötzliche
Kraftentwickelung hoffen. Es war eine treuherzige Täuschung, welcher mancher
werthe Parteigenosse sich hingab. Die Ereignisse haben die bittere Lehre ge¬
bracht, daß es niemals möglich ist, zu gleicher Zeit klein und groß, unsicher und
fest, gereizt und überlegen zu handeln.
Es wäre nicht gerecht, dem Ministerpräsidenten alle Fehlgriffe, welche
preußischerseits in den Herzogthümern gemacht sind, zuzuschreiben. Ohne Zweifel
empfindet Herr v. Bismarck manche derselben sehr peinlich. Sie sind Folgen
seiner Parteistellung, denen er sich nicht mehr entziehen kann. Aber auch seine
Maßnahmen, soweit sie durch seine eigenen Erklärungen dem öffentlichen Ur¬
theil unterbreitet sind, erschweren ihm bei jedem Schritt guten Erfolg mehr und
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |