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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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die Beseitigung der Bilder und aller Kapellen, die keine Pfarrkirchen. Der
Rest behandelte weltliche Dinge und sollte dem gemeinen Manne Schutz gegen
das noch nicht gehobene Unrecht gewähren. Die Ringmauern der Städte und
Schlösser wollte er abbrechen, nur Dörfer durften fürder im Lande bestehen.
Auch die Pfarren und Gerichte mußten besser. eingetheilt, in jeder Gemeinde
acht Richter bestellt, jährlich neu gewählt, alle Montage Gericht gehalten und
die Richter, Schreiber und Redner vom Lande besoldet werden. Der Sitz der
Regierung wurde nach Brixen verlegt, dahin jede Appellation gezogen, und
eine hohe Schule dort beantragt, die drei des Gotteswortes kundige Männer
für die Regierung zu stellen hatte. Alle Zinsen, die Zölle im Innern und die
Klöster dachte er aufzuheben, nur die Ausfuhr einheimischer Erzeugnisse mit
einer Abgabe zu belegen, die Prediger vom Zehenten zu erhalten, den Ueber¬
rest unter die Armen zu vertheilen, die Klostergebäude selbst und die deutschen
Häuser in Spitäler zu verwandeln. Mit der Austrocknung der Moose und
Auen zwischen Meran und Trient wollte er die Gesundheit und den Ackerbau
zugleich fördern und dem Mangel an Getreide durch dessen Anpflanzung, wie
in der Lombardei, abhelfen. Endlich sollten alle Kaufmannschaften abgeschafft.
Handwerke und Gewerbe an einen Mittelpunkt verlegt, die Preise in- und
ausländischer Waaren nach einer Taxe festgestellt, der Bergsegen zu Handen
des Landes genommen, nur eine schwere Münze geduldet, und ein oberster
Hauptmann über das Kriegswesen, die Wasserbaute", Wege. Brücken und
Landstraßen gesetzt werden. Man sieht daraus, daß die Reformen des Erzher¬
zogs vielen Grundübeln nur halbwegs oder gar nicht gesteuert hatten. Gsiß-
mayr hob sie hervor, um sich Parteigänger zu werben; seine Verbindungen ver¬
zweigten sich ins Obennnthal und Vintschgau, nach dem Nonsberg und Sterzing.
Die Regierung entdeckte sie aber noch rechtzeitig, namentlich den Briefwechsel
mit seinem Bruder Hans, der sofort eingezogen, darüber verhört und zu Inns¬
bruck im April 1526 geviertheilt wurde. Auch waren ihm die Davoser eben
zur Zeit des beabsichtigten Einfalls abtrünnig geworden, und als er hierauf
Ende April mehre Flüchtlinge nach Troger zu einer Versammlung beschied,
wurden die meisten von den Appenzellern im Namen des Erzherzogs gefangen
genommen, Gaißmayr selbst entrann nur mit Mühe einem gleichen Schicksal.

Seine Blicke waren jetzt auf Salzburg gerichtet, wo sich die Pinz- und
Pongaucr neuerdings gegen ihren Erzbischof erhoben hatten. Im Mai traf er
mit drei Fähnlein Landsknechten in ihrem Lager vor Radstadt ein und trat,
nachdem der frühere oberste Hauptmann Setzcnwein wegen Verraths in die
Spieße gejagt worden, an dessen Stelle. Mehre Wochen lang neigte sich das
Glück den Bauern zu; als aber der schwäbische Bund seiner früheren Kriegs¬
hilfe für den Erzbischof eine bedeutende Verstärkung nachschob, gab Gaißmayr
ihre Sache für verloren und zog in der Nacht vom 1. Juli mit 1600 Mann


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die Beseitigung der Bilder und aller Kapellen, die keine Pfarrkirchen. Der
Rest behandelte weltliche Dinge und sollte dem gemeinen Manne Schutz gegen
das noch nicht gehobene Unrecht gewähren. Die Ringmauern der Städte und
Schlösser wollte er abbrechen, nur Dörfer durften fürder im Lande bestehen.
Auch die Pfarren und Gerichte mußten besser. eingetheilt, in jeder Gemeinde
acht Richter bestellt, jährlich neu gewählt, alle Montage Gericht gehalten und
die Richter, Schreiber und Redner vom Lande besoldet werden. Der Sitz der
Regierung wurde nach Brixen verlegt, dahin jede Appellation gezogen, und
eine hohe Schule dort beantragt, die drei des Gotteswortes kundige Männer
für die Regierung zu stellen hatte. Alle Zinsen, die Zölle im Innern und die
Klöster dachte er aufzuheben, nur die Ausfuhr einheimischer Erzeugnisse mit
einer Abgabe zu belegen, die Prediger vom Zehenten zu erhalten, den Ueber¬
rest unter die Armen zu vertheilen, die Klostergebäude selbst und die deutschen
Häuser in Spitäler zu verwandeln. Mit der Austrocknung der Moose und
Auen zwischen Meran und Trient wollte er die Gesundheit und den Ackerbau
zugleich fördern und dem Mangel an Getreide durch dessen Anpflanzung, wie
in der Lombardei, abhelfen. Endlich sollten alle Kaufmannschaften abgeschafft.
Handwerke und Gewerbe an einen Mittelpunkt verlegt, die Preise in- und
ausländischer Waaren nach einer Taxe festgestellt, der Bergsegen zu Handen
des Landes genommen, nur eine schwere Münze geduldet, und ein oberster
Hauptmann über das Kriegswesen, die Wasserbaute», Wege. Brücken und
Landstraßen gesetzt werden. Man sieht daraus, daß die Reformen des Erzher¬
zogs vielen Grundübeln nur halbwegs oder gar nicht gesteuert hatten. Gsiß-
mayr hob sie hervor, um sich Parteigänger zu werben; seine Verbindungen ver¬
zweigten sich ins Obennnthal und Vintschgau, nach dem Nonsberg und Sterzing.
Die Regierung entdeckte sie aber noch rechtzeitig, namentlich den Briefwechsel
mit seinem Bruder Hans, der sofort eingezogen, darüber verhört und zu Inns¬
bruck im April 1526 geviertheilt wurde. Auch waren ihm die Davoser eben
zur Zeit des beabsichtigten Einfalls abtrünnig geworden, und als er hierauf
Ende April mehre Flüchtlinge nach Troger zu einer Versammlung beschied,
wurden die meisten von den Appenzellern im Namen des Erzherzogs gefangen
genommen, Gaißmayr selbst entrann nur mit Mühe einem gleichen Schicksal.

Seine Blicke waren jetzt auf Salzburg gerichtet, wo sich die Pinz- und
Pongaucr neuerdings gegen ihren Erzbischof erhoben hatten. Im Mai traf er
mit drei Fähnlein Landsknechten in ihrem Lager vor Radstadt ein und trat,
nachdem der frühere oberste Hauptmann Setzcnwein wegen Verraths in die
Spieße gejagt worden, an dessen Stelle. Mehre Wochen lang neigte sich das
Glück den Bauern zu; als aber der schwäbische Bund seiner früheren Kriegs¬
hilfe für den Erzbischof eine bedeutende Verstärkung nachschob, gab Gaißmayr
ihre Sache für verloren und zog in der Nacht vom 1. Juli mit 1600 Mann


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/201>, abgerufen am 15.01.2025.