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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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ihren Willen durch die Worte "angenommen", oder "abgelehnt". Ablehnung
oder Zurücknahme derselben sind nach Ziehung des folgenden Namens ümm>
lässig. Die Gründe für die Ablehnung sollen nicht angegeben werden. Ab¬
lehnungen sind indeß nur so viele gestattet, als Geschworne über zwölf anwesend
sind; davon dürfen der Staatsanwalt einerseits und der oder die Angeklagten
nach vorhergehender Einigung andrerseits, jeder die Hälfte ablehnen; bei un¬
gerader Zahl darf die Seite des oder der Angeklagten einen Geschwornen
mehr als der Staatsanwalt ablehnen. Einigem sich die mehren Angeklagte
nicht über die Ablehnungen, so wird die Zahl derselben unter sie gleich ver¬
theilt; betreffs der nicht gleich zu theilenden Ablehnungen nennt das Loos den
dazu berechtigten Angeklagten. Die Reihenfolge der Ablehnungen bei den
Angeklagten hängt gleichfalls vom Loose ab. Eine diesem gemäß von einem
der Angeklagten ausgeübte Ablehnung gilt für alle.

Zwölf Geschworne müssen übriggelassen werden, sie bilden das Schwur-
gericht und nehmen bei Beginn der Verhandlung in der durch das Loos be¬
stimmten Ordnung ihre Sitze ein. Indeß kann der Vorsitzende noch vor der
Ziehung bestimmen, daß außer jenen zwölf noch einer oder zwei Ersatzgeschworne
gezogen werden sollen; hier vermindert sich dann die Gesammtzahl der zulässigen
Ablehnungen um die Zahl der Ersatzgeschwornen. Letztere treten in der
Reihenfolge ihrer Ziehung an die Stelle des oder der etwa ausgetretenen
ausfallenden Geschwornen. Daher müssen sie der ganzen Verhandlung, wie die
Geschwornen, nur auf besonderen Sitzen, beiwohnen.

Dieses sind die jetzt geltenden preußischen Vorschriften über die Bildung
des Schwurgerichts, sie gestatten im Vergleich mit den obigen allgemeinen
Grundsätzen der Einleitung einen Einblick, inwieweit das heutige preußische
Strafproceßrecht die geistige Fähigkeit der Geschwornen berücksichtigt und in¬
wieweit es einer Partei im Lande, besonders der Regierungspartei die Mög¬
lichkeit eröffnet, auf die Besetzung und Bildung der Schwurgerichte allgemein,
dann für die einzelne Schwurgerichtsperiode, endlich sogar für die einzelne
Schwurgerichtssache einzuwirken. Hinsichts letzteren Punktes sei nur darauf
verwiesen, daß die Verwaltungsbehörden gerade in den maßgebendsten
Zielpunken die Bildung der Ur- und Dienstlisten leiten, nämlich zunächst die
Landräthe für einen großen Theil der Urlisten, dann die Regierungspräsidenten
für alle Dienstlisten der Geschwornen und Ergänzungsgeschwornen. Wenn die
so präparirten Listen der 48 Geschwornen für die nächste Schwurgerichtsperiode
dem Vorsitzenden des Schwurgerichts, also einem Iustizbeamten, zugehen, kann,
falls zuvor eine parteiische Auswahl geschah, seine Reduction von 48 auf 30
Personen nichts mehr an dem Charakter der Besetzung ändern, -- zumal ihm
meistens die Partcistellung der designirter Personen unbekannt ist, der Regieruns¬
präsident dagegen durch die Bemerkungen der Landräthe und Gemeindevorsteher


ihren Willen durch die Worte „angenommen", oder „abgelehnt". Ablehnung
oder Zurücknahme derselben sind nach Ziehung des folgenden Namens ümm>
lässig. Die Gründe für die Ablehnung sollen nicht angegeben werden. Ab¬
lehnungen sind indeß nur so viele gestattet, als Geschworne über zwölf anwesend
sind; davon dürfen der Staatsanwalt einerseits und der oder die Angeklagten
nach vorhergehender Einigung andrerseits, jeder die Hälfte ablehnen; bei un¬
gerader Zahl darf die Seite des oder der Angeklagten einen Geschwornen
mehr als der Staatsanwalt ablehnen. Einigem sich die mehren Angeklagte
nicht über die Ablehnungen, so wird die Zahl derselben unter sie gleich ver¬
theilt; betreffs der nicht gleich zu theilenden Ablehnungen nennt das Loos den
dazu berechtigten Angeklagten. Die Reihenfolge der Ablehnungen bei den
Angeklagten hängt gleichfalls vom Loose ab. Eine diesem gemäß von einem
der Angeklagten ausgeübte Ablehnung gilt für alle.

Zwölf Geschworne müssen übriggelassen werden, sie bilden das Schwur-
gericht und nehmen bei Beginn der Verhandlung in der durch das Loos be¬
stimmten Ordnung ihre Sitze ein. Indeß kann der Vorsitzende noch vor der
Ziehung bestimmen, daß außer jenen zwölf noch einer oder zwei Ersatzgeschworne
gezogen werden sollen; hier vermindert sich dann die Gesammtzahl der zulässigen
Ablehnungen um die Zahl der Ersatzgeschwornen. Letztere treten in der
Reihenfolge ihrer Ziehung an die Stelle des oder der etwa ausgetretenen
ausfallenden Geschwornen. Daher müssen sie der ganzen Verhandlung, wie die
Geschwornen, nur auf besonderen Sitzen, beiwohnen.

Dieses sind die jetzt geltenden preußischen Vorschriften über die Bildung
des Schwurgerichts, sie gestatten im Vergleich mit den obigen allgemeinen
Grundsätzen der Einleitung einen Einblick, inwieweit das heutige preußische
Strafproceßrecht die geistige Fähigkeit der Geschwornen berücksichtigt und in¬
wieweit es einer Partei im Lande, besonders der Regierungspartei die Mög¬
lichkeit eröffnet, auf die Besetzung und Bildung der Schwurgerichte allgemein,
dann für die einzelne Schwurgerichtsperiode, endlich sogar für die einzelne
Schwurgerichtssache einzuwirken. Hinsichts letzteren Punktes sei nur darauf
verwiesen, daß die Verwaltungsbehörden gerade in den maßgebendsten
Zielpunken die Bildung der Ur- und Dienstlisten leiten, nämlich zunächst die
Landräthe für einen großen Theil der Urlisten, dann die Regierungspräsidenten
für alle Dienstlisten der Geschwornen und Ergänzungsgeschwornen. Wenn die
so präparirten Listen der 48 Geschwornen für die nächste Schwurgerichtsperiode
dem Vorsitzenden des Schwurgerichts, also einem Iustizbeamten, zugehen, kann,
falls zuvor eine parteiische Auswahl geschah, seine Reduction von 48 auf 30
Personen nichts mehr an dem Charakter der Besetzung ändern, — zumal ihm
meistens die Partcistellung der designirter Personen unbekannt ist, der Regieruns¬
präsident dagegen durch die Bemerkungen der Landräthe und Gemeindevorsteher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/20>, abgerufen am 15.01.2025.