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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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als sei er mit ihrem Begehren völlig einverstanden; nur der Nachsatz, daß
die Gemeinden jene zu strafen verhilflich sein sollten, die durch ihre Predigten
zu unchristlichen Verstand, Aufruhr und Widerwillen unter dem Schein des
Evangeliums aufreizen, ließ seine wahre Meinung durchblicken. Jedenfalls
wollte er aber die Herstellung einer guten christlichen Ordnung auf einen
um Martini zu haltenden gemeinen Landtag aller Erdtaube verschieben, da
diesen sämmtlich daran läge. Auf die Beschwerde wegen der Besetzung der
Regierung mit Fremden wurde das Versprechen ertheilt, an den Landesfreiheiten
festzuhalten, einen Doctor oder zwei erfordere aber die Nothdurft, da in Sachen
der vordern, wälschen und görzischen Lande nach dem kaiserlichen geschriebenen
Rechte zu erkennen sei. Bezüglich des Auf- und Abzugs. Schreib- und Siegel-
geldes, des gerichtlichen Verfahrens und der Kaufmannsgesellschaften wurde auf
den nächsten tiroler Landtag und die bereits verfaßte Landesordnung, der
Zinsen, Zehenten, des Fischens und des trienter Weins halber auf die alten
Rechte gewiesen, nur der Vogelfang freigegeben und verstattet, das Rothwild
aus den Gründen wegzujagen, die Entscheidung wegen des Zolles zu Innsbruck
den Gerichten überstellt, das Wegführen des Pulvers und der Büchsen mit der
nöthigen Bewaffnung von Kufstein und Rattenberg gerechtfertigt und die Ver¬
sicherung ertheilt, daß das fremde Kriegsvolk! Befehl zum Rückzug erhalten
habe. In den meisten Dingen sollte es beim Alten bleiben, der Zugeständnisse
waren wenige und unbedeutende. Kein besseres Ergebniß hatte der "eilende
Tag", wozu der Erzherzog die Gerichte von Ober-. Unterm"- und Wippthal,
die drei Herrschaften Rattenberg, Kufstein und Kitzbüchel und die Bergwerts¬
genossenschaften von Schwätz, Sterzing, Gossensaß und Schneeberg auf den
23. Mai nach Innsbruck berief. Die meisten Beschwerden wurden auch hier
auf den Landtag verwiesen.

Um sür diesen "einen gleichseitigen christlichen Verstand" zu erzielen, hiel¬
ten die Aufständischen vom 22. Mai bis 1. Juni eine Vorberathung in Meran,
an der trotz der Abmahnungen des Erzherzogs und des innsbrucker Ausschusses
die meisten Städte und Gerichte Südtirols, einschließlich der Fürstentümer
Trient und Brixen teilnahmen, nur die Pusterthaler ließen sich durch das
Verbot abhalten. Die 106 Artikel, die hier beschlossen wurde", sind größten-
theils eine weitere Ausführung jener Beschwerden der Bauernschaft an der Etsch
und enthalten eine vollständige Aufzählung aller Reformen, die für Tirol ge-
wünscht wurden. Nicht gegen den Landesf-ürsten waren sie gerichtet, einzelne
Anordnungen zeugen vielmehr von der alten Anhänglichkeit, wohl aber gegen
den Klerus, die Hofbeamten des Erzherzogs, die Richter und Rechtsanwälte.
Das ganze Land mit allen Pfandschaften und dem Einkommen der Bischöfe
und Klöster sollte Sr. fürstlichen Durchlaucht gehören, dafür aber auch "die
Gesellschaft Tirol" frei sein". Kein Bisthum. sondern nur ein Pfarrer in


Grenjbotcn III. 1LKS. 23

als sei er mit ihrem Begehren völlig einverstanden; nur der Nachsatz, daß
die Gemeinden jene zu strafen verhilflich sein sollten, die durch ihre Predigten
zu unchristlichen Verstand, Aufruhr und Widerwillen unter dem Schein des
Evangeliums aufreizen, ließ seine wahre Meinung durchblicken. Jedenfalls
wollte er aber die Herstellung einer guten christlichen Ordnung auf einen
um Martini zu haltenden gemeinen Landtag aller Erdtaube verschieben, da
diesen sämmtlich daran läge. Auf die Beschwerde wegen der Besetzung der
Regierung mit Fremden wurde das Versprechen ertheilt, an den Landesfreiheiten
festzuhalten, einen Doctor oder zwei erfordere aber die Nothdurft, da in Sachen
der vordern, wälschen und görzischen Lande nach dem kaiserlichen geschriebenen
Rechte zu erkennen sei. Bezüglich des Auf- und Abzugs. Schreib- und Siegel-
geldes, des gerichtlichen Verfahrens und der Kaufmannsgesellschaften wurde auf
den nächsten tiroler Landtag und die bereits verfaßte Landesordnung, der
Zinsen, Zehenten, des Fischens und des trienter Weins halber auf die alten
Rechte gewiesen, nur der Vogelfang freigegeben und verstattet, das Rothwild
aus den Gründen wegzujagen, die Entscheidung wegen des Zolles zu Innsbruck
den Gerichten überstellt, das Wegführen des Pulvers und der Büchsen mit der
nöthigen Bewaffnung von Kufstein und Rattenberg gerechtfertigt und die Ver¬
sicherung ertheilt, daß das fremde Kriegsvolk! Befehl zum Rückzug erhalten
habe. In den meisten Dingen sollte es beim Alten bleiben, der Zugeständnisse
waren wenige und unbedeutende. Kein besseres Ergebniß hatte der „eilende
Tag", wozu der Erzherzog die Gerichte von Ober-. Unterm»- und Wippthal,
die drei Herrschaften Rattenberg, Kufstein und Kitzbüchel und die Bergwerts¬
genossenschaften von Schwätz, Sterzing, Gossensaß und Schneeberg auf den
23. Mai nach Innsbruck berief. Die meisten Beschwerden wurden auch hier
auf den Landtag verwiesen.

Um sür diesen „einen gleichseitigen christlichen Verstand" zu erzielen, hiel¬
ten die Aufständischen vom 22. Mai bis 1. Juni eine Vorberathung in Meran,
an der trotz der Abmahnungen des Erzherzogs und des innsbrucker Ausschusses
die meisten Städte und Gerichte Südtirols, einschließlich der Fürstentümer
Trient und Brixen teilnahmen, nur die Pusterthaler ließen sich durch das
Verbot abhalten. Die 106 Artikel, die hier beschlossen wurde», sind größten-
theils eine weitere Ausführung jener Beschwerden der Bauernschaft an der Etsch
und enthalten eine vollständige Aufzählung aller Reformen, die für Tirol ge-
wünscht wurden. Nicht gegen den Landesf-ürsten waren sie gerichtet, einzelne
Anordnungen zeugen vielmehr von der alten Anhänglichkeit, wohl aber gegen
den Klerus, die Hofbeamten des Erzherzogs, die Richter und Rechtsanwälte.
Das ganze Land mit allen Pfandschaften und dem Einkommen der Bischöfe
und Klöster sollte Sr. fürstlichen Durchlaucht gehören, dafür aber auch „die
Gesellschaft Tirol" frei sein". Kein Bisthum. sondern nur ein Pfarrer in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/191>, abgerufen am 15.01.2025.