Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.ziehen wollte, wurden die Bauern darüber so unwillig, daß er dem östreichischen Den Gemeinden von Thaur und Rettenberg in der unmittelbaren Um¬ ziehen wollte, wurden die Bauern darüber so unwillig, daß er dem östreichischen Den Gemeinden von Thaur und Rettenberg in der unmittelbaren Um¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0189" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283542"/> <p xml:id="ID_539" prev="#ID_538"> ziehen wollte, wurden die Bauern darüber so unwillig, daß er dem östreichischen<lb/> Hauptmann Balthasar Tanradl, der am 15. Mai mit ISO Pferden von Ratten-<lb/> berg gegen Innsbruck zog, Befehl zur Umkehr ertheilte. Dafür dachte er nun<lb/> im Lande selbst 5—10,000 Mann gegen die Aufständischen auszurüsten. Der<lb/> Groll der Bauern traf nur Ferdinands Günstlinge, er selbst besaß noch das<lb/> Vertrauen der meisten. In Füssen, das dem Bischof von Augsburg gehörte,<lb/> schien er sich fast als dessen Gegner zu zeigen, da er die bischöflichen Wappen<lb/> abnehmen und die östreichischen aufpflanzen ließ, ja die Stadt für sich in Eid<lb/> und Pflicht nahm; einige ahnten freilich den versteckten Handel, wie er sich<lb/> denn auch vom Bischof 8000 si. für dich Aushilfe zahlen ließ. Die Knappen<lb/> von Schwätz hielten ihn aber alle« Ernstes für fähig, das Erzstift Salzburg ein¬<lb/> zunehmen und erboten sich, ihm dazu 5000 Knechte zu stellen, so wenig kannten<lb/> sie seine wahre Gesinnung. Nach Trient sandte er einen Ehrensold mit dem<lb/> obersten Feldhauptmann Georg v. Freundsberg, und wollte es auch dort zum<lb/> Schutz des Bischofs-dahin bringen, daß die Stadt sammt den dazu gehörigen<lb/> Gemeinden ihm persönlich als Fürsten von Oestreich und Grafen von Tirol<lb/> Erbhuldigung leiste. Um die Trienter dafür zu gewinnen, versprach er ihnen<lb/> eine gütliche oder rechtliche Entscheidung des Streites wegen der Ausfuhr ihrer<lb/> Weine. Die Etschländer wurden vom Angriff auf einige Schlösser zu Gunsten des<lb/> Adels abgemahnt, weil sie eigentlich dem Landesfürsten gehörten, und die<lb/> Brixner durch Versprechungen milden Verfahrens auf einer Versammlung zu<lb/> Neustift vermocht, einen Waffenstillstand zu machen. Als jedoch der Pfleger<lb/> Brandeis das Schloß Rodeneck mit Kriegsknechten besetzte, sahen dies die<lb/> Bauern als einen Bruch des Uebereinkommens an und achteten auch nicht mehr<lb/> der ferneren Briefe des Erzherzogs, die jene Beste als landesfürstliches Eigen¬<lb/> thum erklärten, ja die zu Pfeffersberg schmähten laut und öffentlich sein Siegel,<lb/> einer zu Rodeneck ritt mit der Aufforderung umher, seine Commissäre todtzu¬<lb/> schlagen, die Etschländer bemächtigten sich gegen hundert adeliger Schlösser.</p><lb/> <p xml:id="ID_540" next="#ID_541"> Den Gemeinden von Thaur und Rettenberg in der unmittelbaren Um¬<lb/> gebung von Hall, wo früher die wiedertäuferischen Prediger gewirkt, lag vor<lb/> allem die Wahrung des neuen Evangeliums am Herzen. Wenn man ihre<lb/> Supplication mit den 12 Artikeln der Bauerschaft vergleicht, die um die Mitte<lb/> des März in Oberschwaben entstanden, scheint es unleugbar, daß diese auch<lb/> den Tirolern vorlagen und als Richtschnur dienten. Dort wie hier ist es das<lb/> erste und größte Anliegen, daß das Wort Gottes lauter und klar ohne mensch¬<lb/> lichen Zusatz verkündet werde. Die Verfolgung derjenigen, die ihm anhangen,<lb/> gilt ihnen als die nächste Ursache des Aufruhrs, da der Mensch nicht wisse,<lb/> was er thun oder lassen soll. S. fürstliche Durchlaucht wird daher gebeten,<lb/> die vertriebenen Geistlichen wieder im Lande wohnen und predigen zu lassen ;<lb/> auch soll eS der Gemeinde vergönnt sein, ihre Pfarrer selbst zu wählen und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0189]
ziehen wollte, wurden die Bauern darüber so unwillig, daß er dem östreichischen
Hauptmann Balthasar Tanradl, der am 15. Mai mit ISO Pferden von Ratten-
berg gegen Innsbruck zog, Befehl zur Umkehr ertheilte. Dafür dachte er nun
im Lande selbst 5—10,000 Mann gegen die Aufständischen auszurüsten. Der
Groll der Bauern traf nur Ferdinands Günstlinge, er selbst besaß noch das
Vertrauen der meisten. In Füssen, das dem Bischof von Augsburg gehörte,
schien er sich fast als dessen Gegner zu zeigen, da er die bischöflichen Wappen
abnehmen und die östreichischen aufpflanzen ließ, ja die Stadt für sich in Eid
und Pflicht nahm; einige ahnten freilich den versteckten Handel, wie er sich
denn auch vom Bischof 8000 si. für dich Aushilfe zahlen ließ. Die Knappen
von Schwätz hielten ihn aber alle« Ernstes für fähig, das Erzstift Salzburg ein¬
zunehmen und erboten sich, ihm dazu 5000 Knechte zu stellen, so wenig kannten
sie seine wahre Gesinnung. Nach Trient sandte er einen Ehrensold mit dem
obersten Feldhauptmann Georg v. Freundsberg, und wollte es auch dort zum
Schutz des Bischofs-dahin bringen, daß die Stadt sammt den dazu gehörigen
Gemeinden ihm persönlich als Fürsten von Oestreich und Grafen von Tirol
Erbhuldigung leiste. Um die Trienter dafür zu gewinnen, versprach er ihnen
eine gütliche oder rechtliche Entscheidung des Streites wegen der Ausfuhr ihrer
Weine. Die Etschländer wurden vom Angriff auf einige Schlösser zu Gunsten des
Adels abgemahnt, weil sie eigentlich dem Landesfürsten gehörten, und die
Brixner durch Versprechungen milden Verfahrens auf einer Versammlung zu
Neustift vermocht, einen Waffenstillstand zu machen. Als jedoch der Pfleger
Brandeis das Schloß Rodeneck mit Kriegsknechten besetzte, sahen dies die
Bauern als einen Bruch des Uebereinkommens an und achteten auch nicht mehr
der ferneren Briefe des Erzherzogs, die jene Beste als landesfürstliches Eigen¬
thum erklärten, ja die zu Pfeffersberg schmähten laut und öffentlich sein Siegel,
einer zu Rodeneck ritt mit der Aufforderung umher, seine Commissäre todtzu¬
schlagen, die Etschländer bemächtigten sich gegen hundert adeliger Schlösser.
Den Gemeinden von Thaur und Rettenberg in der unmittelbaren Um¬
gebung von Hall, wo früher die wiedertäuferischen Prediger gewirkt, lag vor
allem die Wahrung des neuen Evangeliums am Herzen. Wenn man ihre
Supplication mit den 12 Artikeln der Bauerschaft vergleicht, die um die Mitte
des März in Oberschwaben entstanden, scheint es unleugbar, daß diese auch
den Tirolern vorlagen und als Richtschnur dienten. Dort wie hier ist es das
erste und größte Anliegen, daß das Wort Gottes lauter und klar ohne mensch¬
lichen Zusatz verkündet werde. Die Verfolgung derjenigen, die ihm anhangen,
gilt ihnen als die nächste Ursache des Aufruhrs, da der Mensch nicht wisse,
was er thun oder lassen soll. S. fürstliche Durchlaucht wird daher gebeten,
die vertriebenen Geistlichen wieder im Lande wohnen und predigen zu lassen ;
auch soll eS der Gemeinde vergönnt sein, ihre Pfarrer selbst zu wählen und
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