Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.erfolgten Tode viele Genossen seines edlen Ordens bei der Versteigerung erfolgten Tode viele Genossen seines edlen Ordens bei der Versteigerung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0187" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283540"/> <p xml:id="ID_536" prev="#ID_535" next="#ID_537"> erfolgten Tode viele Genossen seines edlen Ordens bei der Versteigerung<lb/> ihre lang gehegte Begierde stillen durften. So war Schorn durch Natur<lb/> und Geistesart zum Director eines solchen Instituts wie dieses Kupferstich,<lb/> cabinets. wie berufen, und er hat sich „wohl verdient gemacht darum".<lb/> Als ich in den ersten Vierziger Jahren nach Berlin kam. fand ich dasselbe<lb/> dem größten Theil des Publikums und den Künstlern kaum minder noch so<lb/> gut wie unbekannt. Es hatte damals in dem einen zwischen Platz und Garten<lb/> gelegenen Flügel des Schlosses Monbijou ein stilles, heimliches, von Wenigen<lb/> besuchtes Asyl. Gegen die Räume, die ihm gegenwärtig zugewiesen sind, war<lb/> jener lange Saal im Erdgeschoß mit seinen Nebenzimmern ein sehr beschränkter<lb/> Aufenthalt. Aber das Gefühl tiefer Befriedigung und schönen stillen geistigen<lb/> Behagens, von dem ich Eingangs sprach, überkam uns auch da gewiß in<lb/> nicht schwächerm Grade, als heute hier. Die beiden alten Diener, der<lb/> runde freundliche gradköpfige Herr Vogel und der hagere braune Franzose<lb/> Norisieur rissot kehrten wohl gegen jeden blos neugierigen Eindringling<lb/> eine keineswegs einladende Miene heraus und beeilten sich gerade nicht,<lb/> dem, der vergebens auf einen Maler- oder Stechernamen sann, den er auf<lb/> die stehende Frage, welchen Meister man zu sehen wünsche, nennnen sollte,<lb/> bei dieser schwierigen Gedächtnißarbeit zu Hilfe zu kommen. Aber wen die<lb/> Liebe zur Sache oder ein künstlerisches oder kunstgeschichtliches Bedürfniß, der<lb/> Wunsch, ein bestimmtes Werk oder Blatt zu finden, zu studiren, zu copiren,<lb/> hieher führte, der war immer sicher, in Abwesenheit SchornS selbst an diesen<lb/> beiden Herren die Helfer zur Erreichung seiner Zwecke zu finden, die stets bereit<lb/> und unermüdlich waren alles, damals noch nicht wie heute Geordnete zu durch¬<lb/> stöbern und nachzuschlagen, bis das Gesuchte herausgespürt war. Und ihre Schritte<lb/> klangen so weich und unhörbar auf dem Parquet, der Deckel des herbeige<lb/> brachten Bandes klappte nur einmal laut auf den Tisch auf. Draußen flüsterten<lb/> die Blätter der hohen Bäume des Gartens, und man verlor sich tief und tiefer<lb/> in das glückselige Träumen über der Meister Werke oder die noch beglückendere<lb/> Arbeit nach ihnen, und Zeit und Welt draußen war versunken und vergessen!<lb/> Von allen Abtheilungen des neuen Museums wurden die Säle, welche dann<lb/> das Kupferstichcabinet aufnehmen sollten, zuerst in Ausbau und Ausschmückung<lb/> vollendet, und die Uebersiedlung von Schloß Monbijou konnte daher bereits<lb/> stattfinden, als die untern Hallen und Räume noch im Zustand wilder bau¬<lb/> licher Verwirrung lagen, als Maleigerüste an allen Decken und Wänden hingen,<lb/> wo der Durchpasstrende von herabtropfender Farbe getroffen und befleckt wurde,<lb/> über halbangefangene Mosaikfußböden und verdrießliche Arbeiter an und auf<lb/> denselben in jedem Augenblick strauchelte, in höchster Gefahr gegen die überall<lb/> herumstehenden, eben eingebrachten Gipsabgüsse zu fallen und dort ein Unheil<lb/> anzurichten, dessen Gedanke schon Entsepen war. Um zu dieser Zeit eingelassen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0187]
erfolgten Tode viele Genossen seines edlen Ordens bei der Versteigerung
ihre lang gehegte Begierde stillen durften. So war Schorn durch Natur
und Geistesart zum Director eines solchen Instituts wie dieses Kupferstich,
cabinets. wie berufen, und er hat sich „wohl verdient gemacht darum".
Als ich in den ersten Vierziger Jahren nach Berlin kam. fand ich dasselbe
dem größten Theil des Publikums und den Künstlern kaum minder noch so
gut wie unbekannt. Es hatte damals in dem einen zwischen Platz und Garten
gelegenen Flügel des Schlosses Monbijou ein stilles, heimliches, von Wenigen
besuchtes Asyl. Gegen die Räume, die ihm gegenwärtig zugewiesen sind, war
jener lange Saal im Erdgeschoß mit seinen Nebenzimmern ein sehr beschränkter
Aufenthalt. Aber das Gefühl tiefer Befriedigung und schönen stillen geistigen
Behagens, von dem ich Eingangs sprach, überkam uns auch da gewiß in
nicht schwächerm Grade, als heute hier. Die beiden alten Diener, der
runde freundliche gradköpfige Herr Vogel und der hagere braune Franzose
Norisieur rissot kehrten wohl gegen jeden blos neugierigen Eindringling
eine keineswegs einladende Miene heraus und beeilten sich gerade nicht,
dem, der vergebens auf einen Maler- oder Stechernamen sann, den er auf
die stehende Frage, welchen Meister man zu sehen wünsche, nennnen sollte,
bei dieser schwierigen Gedächtnißarbeit zu Hilfe zu kommen. Aber wen die
Liebe zur Sache oder ein künstlerisches oder kunstgeschichtliches Bedürfniß, der
Wunsch, ein bestimmtes Werk oder Blatt zu finden, zu studiren, zu copiren,
hieher führte, der war immer sicher, in Abwesenheit SchornS selbst an diesen
beiden Herren die Helfer zur Erreichung seiner Zwecke zu finden, die stets bereit
und unermüdlich waren alles, damals noch nicht wie heute Geordnete zu durch¬
stöbern und nachzuschlagen, bis das Gesuchte herausgespürt war. Und ihre Schritte
klangen so weich und unhörbar auf dem Parquet, der Deckel des herbeige
brachten Bandes klappte nur einmal laut auf den Tisch auf. Draußen flüsterten
die Blätter der hohen Bäume des Gartens, und man verlor sich tief und tiefer
in das glückselige Träumen über der Meister Werke oder die noch beglückendere
Arbeit nach ihnen, und Zeit und Welt draußen war versunken und vergessen!
Von allen Abtheilungen des neuen Museums wurden die Säle, welche dann
das Kupferstichcabinet aufnehmen sollten, zuerst in Ausbau und Ausschmückung
vollendet, und die Uebersiedlung von Schloß Monbijou konnte daher bereits
stattfinden, als die untern Hallen und Räume noch im Zustand wilder bau¬
licher Verwirrung lagen, als Maleigerüste an allen Decken und Wänden hingen,
wo der Durchpasstrende von herabtropfender Farbe getroffen und befleckt wurde,
über halbangefangene Mosaikfußböden und verdrießliche Arbeiter an und auf
denselben in jedem Augenblick strauchelte, in höchster Gefahr gegen die überall
herumstehenden, eben eingebrachten Gipsabgüsse zu fallen und dort ein Unheil
anzurichten, dessen Gedanke schon Entsepen war. Um zu dieser Zeit eingelassen
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