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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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dunkeln Durchgang ganz getrennt, zu suchen. Er ist, im Vergleich mit den beiden
andern, der am wenigsten zum Verweilen und Einnisten einladende Raum.
Seine Länge (so wie das vergoldete Hängewerk seiner flach gewölbten Decke)
entspricht der vereinigten Ausdehnung des correspondirenden rothen Saals mit
Vor- und Dienerzimmer jenseits des dazwischenliegenden Hofraums. Auf diesen
hin öffnen sich in seiner östlichen Längenwand fünf Fenster, nach außenhin an
der entgegengesetzten deren acht, durch schmale Zwischenräume von einander ge-
schieden. Das helle Blau seiner Wandfarbe giebt ihm schon von vornherein
etwas Ungemüthliches. In einer langen Reihe von abwechselnd höhern und
niedern Eichenschränken, welche, auf beiden Seiten seiner Längenausdehnung
folgend, einen mittleren Gang freilassen, und in einigen andern an den beiden
kurzen Wänden befindlichen sind hier die betreffenden Bände bewahrt. Nur
ein Tisch mit einem Paar imposanter grüner Sammetlehnstühle spätmittelalter¬
lichen Stils unterbricht hier jene Folge. Sie sind für etwaige Besuche kö¬
niglicher und anderer höchster Herrschaften reservut. An den Wänden hier wie
überall reicher Bildschmuck von Zeichnungen, Aquarellen, Oelbildem, Pastellen,
ja sogar von luinischen Fresken, die von ihrer Mauer abgelöst und auf Lein¬
wand übertragen wurden; dazu in zwei aufrechtstehenden weiten Rahmen an
Vorder- und Rückseite aneinandergereiht eine große Sammlung von Miniatur¬
porträts meist aus den beiden letzten Jahrhunderten; und in die Außenseiten
und des obern Aufsatzes' jedes der höheren Schränke eingelassen unter Glas
eine Folge von Kupferstichen und Holzschnitten von den ältesten Jncunabeln und
Versuchproben vom fünfzehnten Jahrhundert an bis fast zur Gegenwart, in
welchen man, ruhig von einem zum andern gehend, die ganze Entwickelungs¬
geschichte dieser beiden graphischen Künste an sich vorüberziehen lassen kann.
Wenn die Hauptmasse des Inhalts dieser Schränke auch die (nach Bartsch'
xeiotrv Zraveur geordneten) Stiche aller Schulen und Holzschnitte enthält, so
sind doch noch wiederum einige besondere unter andern Gesichtspunkten ver¬
einigte Sammlungen unter ihrem Inhalt mit aufzuführen. Z.B.: deutsche
Spielkarten, neuere deutsche Meister, Russen, Lithographien nach Dürer, Reibe¬
drucke, Monogrammisten, Costümwerke (ein kleiner Theil der vorhandenen), noch¬
mals Feierlichkeiten, Bildnisse, und wieder speciell solche brandenburgischer Für¬
sten, andrer regierender Familien nach Ländern geordnet, kalligraphische Werke,
Goldschmiedeverzierungen, Reisewerke, Handzeichnungen in Bänden, gestochne
Kupferplatten und Buchtitel. Und auch mit alle dem, was ich seither auf¬
führte, ist die Zahl der Sammlungen dieses Cabinets'keineswegs erschöpft. Sie
setzen sich selbst noch in dem Zimmer der Direktoren und feinem Seitengemach
fort, welche sich an die nördliche Wand dieses blauen Saales anschließen, mit
dem sie durch jene früher schon erwähnte Thür mit reich geschnitzter Holzeinfas-
sung und Krönung, von der Kolossalbüste Mareäntonios überragt, verbunden


dunkeln Durchgang ganz getrennt, zu suchen. Er ist, im Vergleich mit den beiden
andern, der am wenigsten zum Verweilen und Einnisten einladende Raum.
Seine Länge (so wie das vergoldete Hängewerk seiner flach gewölbten Decke)
entspricht der vereinigten Ausdehnung des correspondirenden rothen Saals mit
Vor- und Dienerzimmer jenseits des dazwischenliegenden Hofraums. Auf diesen
hin öffnen sich in seiner östlichen Längenwand fünf Fenster, nach außenhin an
der entgegengesetzten deren acht, durch schmale Zwischenräume von einander ge-
schieden. Das helle Blau seiner Wandfarbe giebt ihm schon von vornherein
etwas Ungemüthliches. In einer langen Reihe von abwechselnd höhern und
niedern Eichenschränken, welche, auf beiden Seiten seiner Längenausdehnung
folgend, einen mittleren Gang freilassen, und in einigen andern an den beiden
kurzen Wänden befindlichen sind hier die betreffenden Bände bewahrt. Nur
ein Tisch mit einem Paar imposanter grüner Sammetlehnstühle spätmittelalter¬
lichen Stils unterbricht hier jene Folge. Sie sind für etwaige Besuche kö¬
niglicher und anderer höchster Herrschaften reservut. An den Wänden hier wie
überall reicher Bildschmuck von Zeichnungen, Aquarellen, Oelbildem, Pastellen,
ja sogar von luinischen Fresken, die von ihrer Mauer abgelöst und auf Lein¬
wand übertragen wurden; dazu in zwei aufrechtstehenden weiten Rahmen an
Vorder- und Rückseite aneinandergereiht eine große Sammlung von Miniatur¬
porträts meist aus den beiden letzten Jahrhunderten; und in die Außenseiten
und des obern Aufsatzes' jedes der höheren Schränke eingelassen unter Glas
eine Folge von Kupferstichen und Holzschnitten von den ältesten Jncunabeln und
Versuchproben vom fünfzehnten Jahrhundert an bis fast zur Gegenwart, in
welchen man, ruhig von einem zum andern gehend, die ganze Entwickelungs¬
geschichte dieser beiden graphischen Künste an sich vorüberziehen lassen kann.
Wenn die Hauptmasse des Inhalts dieser Schränke auch die (nach Bartsch'
xeiotrv Zraveur geordneten) Stiche aller Schulen und Holzschnitte enthält, so
sind doch noch wiederum einige besondere unter andern Gesichtspunkten ver¬
einigte Sammlungen unter ihrem Inhalt mit aufzuführen. Z.B.: deutsche
Spielkarten, neuere deutsche Meister, Russen, Lithographien nach Dürer, Reibe¬
drucke, Monogrammisten, Costümwerke (ein kleiner Theil der vorhandenen), noch¬
mals Feierlichkeiten, Bildnisse, und wieder speciell solche brandenburgischer Für¬
sten, andrer regierender Familien nach Ländern geordnet, kalligraphische Werke,
Goldschmiedeverzierungen, Reisewerke, Handzeichnungen in Bänden, gestochne
Kupferplatten und Buchtitel. Und auch mit alle dem, was ich seither auf¬
führte, ist die Zahl der Sammlungen dieses Cabinets'keineswegs erschöpft. Sie
setzen sich selbst noch in dem Zimmer der Direktoren und feinem Seitengemach
fort, welche sich an die nördliche Wand dieses blauen Saales anschließen, mit
dem sie durch jene früher schon erwähnte Thür mit reich geschnitzter Holzeinfas-
sung und Krönung, von der Kolossalbüste Mareäntonios überragt, verbunden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/184>, abgerufen am 15.01.2025.