Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Fisch nicht, sieht es der Herr." -- Verlangten wir eines der großen Sammel¬
werke aller Art, welche das Museum besitzt, zu sehen, von Gallerien, Von
Architekturen (vorhandenen und Entwürfen), von Feierlichkeiten, von Militär¬
actionen, von Photographien, von Farbendrucken, von Reisebildern, von Alter¬
thümern, oder wollten wir uns am Genuß und Studium der größten und
prächtigsten Kunstdrucke erlaben, so sucht der Beamte das geforderte Werk oder
Blatt in dem genannten, an jenen Durchgangsraum grenzenden, grünen Saal,
wo drei niedere Schränke mitten in seinem Raum und achtundzwanzig in
fortlaufender Reihe sich an seinen vier Wänden entlang ziehende von gleicher
Höhe die zu jenen Abtheilungen gehörigen, in jene Rubriken einzuordnenden
Mappen und Bände enthalten. Der bereits geschilderte allgemeine Eindruck,
welchen das ganze Cabinet der Kupferstiche und Handzeichnungen aus den nur
einigermaßen dafür empfänglichen Besucher hervorbringt, muß in diesem Saal
eigentlich seine größte Stärke erreichen. Man kann hier mit vollstem Recht das
populäre Wort anwenden: "es geht Einem das Herz auf", wenn man hineintritt.
Die Wände, von einem milden lichtgrünen Farbenton, durchaus bedeckt mit Oel-
skizzen, Aquarellen, Pastellen, Handzeichnungen aller Art, die Einrahmungen,
deren unendlich mannigfaltige Schönheit, deren von Kunst und Geschmack ge¬
adelter Reichthum des Schnitzwerks, deren oft ganz originelle Seltsamkeiten der
Form und des Zierraths zuerst den Blick fast ablenken von den erlesenen Künstler¬
arbeiten, welche sie umfassen; die Decke, ein freiliegendes flaches Tonnengewölbe,
mit leichten Arabeskenmalereien geschmückt. Ranken mit schwebenden Gestalten,
Vögeln, Blumen :c., zwei wenig bedeutende allegorische auf Kupferstecherkunst
bezügliche Compositionen, und innen grau in grau gemalte Brustbilder großer
Meister derselben umgebend. Das mächtige eine Fenster in der nach Norden
gerichteten schmalen Wand läßt in diesen weiten schönen Raum das klarste,
ruhigste, reflcxlose Tageslicht strömen, das jedem der Blätter und Bilder an den
Wänden zur entsprechendsten Wirkung verhilft. Es ist, als ob sich alles ver¬
einigte, den "idealen Raum" dieses Saales mit Reiz zu schmücken. Selbst die
Aussicht draußen, welche ihm erst die neuste Zeit gegeben hat. trägt wesentlich
dazu bei. Es fügt sich nämlich so. daß jene brillante, goldglänzende maurische
Kuppel der von Knoblauch in der oranienburger Straße während der letzten
Jahre erbauten neuen Synagoge hier vor der Mitte des Fensters in nicht zu
entlegner Form aus der prächtigsten Baumgruppe des viel näher gelegnen Mon-
bijouparks gleichsam unmittelbar aufragend erscheint, ein landschaftlicher Blick
so reich, so eigenthümlich, so malerisch Stil- und effectvoll, so anscheinend mit
künstlerischer Weisheit componirt, wie ich wenige in Berlin kenne.

Die ganze überwiegende Masse der Stiche und Holzschnitte, darunter auch
die große Bildnißsammlung des Cabinets und noch manches Andre haben wir
in dem dritten großen Saal, dem blauen, von diesem grünen durch einen schmalen


Grenzten III. 1866. 22

der Fisch nicht, sieht es der Herr." — Verlangten wir eines der großen Sammel¬
werke aller Art, welche das Museum besitzt, zu sehen, von Gallerien, Von
Architekturen (vorhandenen und Entwürfen), von Feierlichkeiten, von Militär¬
actionen, von Photographien, von Farbendrucken, von Reisebildern, von Alter¬
thümern, oder wollten wir uns am Genuß und Studium der größten und
prächtigsten Kunstdrucke erlaben, so sucht der Beamte das geforderte Werk oder
Blatt in dem genannten, an jenen Durchgangsraum grenzenden, grünen Saal,
wo drei niedere Schränke mitten in seinem Raum und achtundzwanzig in
fortlaufender Reihe sich an seinen vier Wänden entlang ziehende von gleicher
Höhe die zu jenen Abtheilungen gehörigen, in jene Rubriken einzuordnenden
Mappen und Bände enthalten. Der bereits geschilderte allgemeine Eindruck,
welchen das ganze Cabinet der Kupferstiche und Handzeichnungen aus den nur
einigermaßen dafür empfänglichen Besucher hervorbringt, muß in diesem Saal
eigentlich seine größte Stärke erreichen. Man kann hier mit vollstem Recht das
populäre Wort anwenden: „es geht Einem das Herz auf", wenn man hineintritt.
Die Wände, von einem milden lichtgrünen Farbenton, durchaus bedeckt mit Oel-
skizzen, Aquarellen, Pastellen, Handzeichnungen aller Art, die Einrahmungen,
deren unendlich mannigfaltige Schönheit, deren von Kunst und Geschmack ge¬
adelter Reichthum des Schnitzwerks, deren oft ganz originelle Seltsamkeiten der
Form und des Zierraths zuerst den Blick fast ablenken von den erlesenen Künstler¬
arbeiten, welche sie umfassen; die Decke, ein freiliegendes flaches Tonnengewölbe,
mit leichten Arabeskenmalereien geschmückt. Ranken mit schwebenden Gestalten,
Vögeln, Blumen :c., zwei wenig bedeutende allegorische auf Kupferstecherkunst
bezügliche Compositionen, und innen grau in grau gemalte Brustbilder großer
Meister derselben umgebend. Das mächtige eine Fenster in der nach Norden
gerichteten schmalen Wand läßt in diesen weiten schönen Raum das klarste,
ruhigste, reflcxlose Tageslicht strömen, das jedem der Blätter und Bilder an den
Wänden zur entsprechendsten Wirkung verhilft. Es ist, als ob sich alles ver¬
einigte, den „idealen Raum" dieses Saales mit Reiz zu schmücken. Selbst die
Aussicht draußen, welche ihm erst die neuste Zeit gegeben hat. trägt wesentlich
dazu bei. Es fügt sich nämlich so. daß jene brillante, goldglänzende maurische
Kuppel der von Knoblauch in der oranienburger Straße während der letzten
Jahre erbauten neuen Synagoge hier vor der Mitte des Fensters in nicht zu
entlegner Form aus der prächtigsten Baumgruppe des viel näher gelegnen Mon-
bijouparks gleichsam unmittelbar aufragend erscheint, ein landschaftlicher Blick
so reich, so eigenthümlich, so malerisch Stil- und effectvoll, so anscheinend mit
künstlerischer Weisheit componirt, wie ich wenige in Berlin kenne.

Die ganze überwiegende Masse der Stiche und Holzschnitte, darunter auch
die große Bildnißsammlung des Cabinets und noch manches Andre haben wir
in dem dritten großen Saal, dem blauen, von diesem grünen durch einen schmalen


Grenzten III. 1866. 22
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0183" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283536"/>
          <p xml:id="ID_529" prev="#ID_528"> der Fisch nicht, sieht es der Herr." &#x2014; Verlangten wir eines der großen Sammel¬<lb/>
werke aller Art, welche das Museum besitzt, zu sehen, von Gallerien, Von<lb/>
Architekturen (vorhandenen und Entwürfen), von Feierlichkeiten, von Militär¬<lb/>
actionen, von Photographien, von Farbendrucken, von Reisebildern, von Alter¬<lb/>
thümern, oder wollten wir uns am Genuß und Studium der größten und<lb/>
prächtigsten Kunstdrucke erlaben, so sucht der Beamte das geforderte Werk oder<lb/>
Blatt in dem genannten, an jenen Durchgangsraum grenzenden, grünen Saal,<lb/>
wo drei niedere Schränke mitten in seinem Raum und achtundzwanzig in<lb/>
fortlaufender Reihe sich an seinen vier Wänden entlang ziehende von gleicher<lb/>
Höhe die zu jenen Abtheilungen gehörigen, in jene Rubriken einzuordnenden<lb/>
Mappen und Bände enthalten. Der bereits geschilderte allgemeine Eindruck,<lb/>
welchen das ganze Cabinet der Kupferstiche und Handzeichnungen aus den nur<lb/>
einigermaßen dafür empfänglichen Besucher hervorbringt, muß in diesem Saal<lb/>
eigentlich seine größte Stärke erreichen. Man kann hier mit vollstem Recht das<lb/>
populäre Wort anwenden: &#x201E;es geht Einem das Herz auf", wenn man hineintritt.<lb/>
Die Wände, von einem milden lichtgrünen Farbenton, durchaus bedeckt mit Oel-<lb/>
skizzen, Aquarellen, Pastellen, Handzeichnungen aller Art, die Einrahmungen,<lb/>
deren unendlich mannigfaltige Schönheit, deren von Kunst und Geschmack ge¬<lb/>
adelter Reichthum des Schnitzwerks, deren oft ganz originelle Seltsamkeiten der<lb/>
Form und des Zierraths zuerst den Blick fast ablenken von den erlesenen Künstler¬<lb/>
arbeiten, welche sie umfassen; die Decke, ein freiliegendes flaches Tonnengewölbe,<lb/>
mit leichten Arabeskenmalereien geschmückt. Ranken mit schwebenden Gestalten,<lb/>
Vögeln, Blumen :c., zwei wenig bedeutende allegorische auf Kupferstecherkunst<lb/>
bezügliche Compositionen, und innen grau in grau gemalte Brustbilder großer<lb/>
Meister derselben umgebend. Das mächtige eine Fenster in der nach Norden<lb/>
gerichteten schmalen Wand läßt in diesen weiten schönen Raum das klarste,<lb/>
ruhigste, reflcxlose Tageslicht strömen, das jedem der Blätter und Bilder an den<lb/>
Wänden zur entsprechendsten Wirkung verhilft. Es ist, als ob sich alles ver¬<lb/>
einigte, den &#x201E;idealen Raum" dieses Saales mit Reiz zu schmücken. Selbst die<lb/>
Aussicht draußen, welche ihm erst die neuste Zeit gegeben hat. trägt wesentlich<lb/>
dazu bei. Es fügt sich nämlich so. daß jene brillante, goldglänzende maurische<lb/>
Kuppel der von Knoblauch in der oranienburger Straße während der letzten<lb/>
Jahre erbauten neuen Synagoge hier vor der Mitte des Fensters in nicht zu<lb/>
entlegner Form aus der prächtigsten Baumgruppe des viel näher gelegnen Mon-<lb/>
bijouparks gleichsam unmittelbar aufragend erscheint, ein landschaftlicher Blick<lb/>
so reich, so eigenthümlich, so malerisch Stil- und effectvoll, so anscheinend mit<lb/>
künstlerischer Weisheit componirt, wie ich wenige in Berlin kenne.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_530" next="#ID_531"> Die ganze überwiegende Masse der Stiche und Holzschnitte, darunter auch<lb/>
die große Bildnißsammlung des Cabinets und noch manches Andre haben wir<lb/>
in dem dritten großen Saal, dem blauen, von diesem grünen durch einen schmalen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzten III. 1866. 22</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0183] der Fisch nicht, sieht es der Herr." — Verlangten wir eines der großen Sammel¬ werke aller Art, welche das Museum besitzt, zu sehen, von Gallerien, Von Architekturen (vorhandenen und Entwürfen), von Feierlichkeiten, von Militär¬ actionen, von Photographien, von Farbendrucken, von Reisebildern, von Alter¬ thümern, oder wollten wir uns am Genuß und Studium der größten und prächtigsten Kunstdrucke erlaben, so sucht der Beamte das geforderte Werk oder Blatt in dem genannten, an jenen Durchgangsraum grenzenden, grünen Saal, wo drei niedere Schränke mitten in seinem Raum und achtundzwanzig in fortlaufender Reihe sich an seinen vier Wänden entlang ziehende von gleicher Höhe die zu jenen Abtheilungen gehörigen, in jene Rubriken einzuordnenden Mappen und Bände enthalten. Der bereits geschilderte allgemeine Eindruck, welchen das ganze Cabinet der Kupferstiche und Handzeichnungen aus den nur einigermaßen dafür empfänglichen Besucher hervorbringt, muß in diesem Saal eigentlich seine größte Stärke erreichen. Man kann hier mit vollstem Recht das populäre Wort anwenden: „es geht Einem das Herz auf", wenn man hineintritt. Die Wände, von einem milden lichtgrünen Farbenton, durchaus bedeckt mit Oel- skizzen, Aquarellen, Pastellen, Handzeichnungen aller Art, die Einrahmungen, deren unendlich mannigfaltige Schönheit, deren von Kunst und Geschmack ge¬ adelter Reichthum des Schnitzwerks, deren oft ganz originelle Seltsamkeiten der Form und des Zierraths zuerst den Blick fast ablenken von den erlesenen Künstler¬ arbeiten, welche sie umfassen; die Decke, ein freiliegendes flaches Tonnengewölbe, mit leichten Arabeskenmalereien geschmückt. Ranken mit schwebenden Gestalten, Vögeln, Blumen :c., zwei wenig bedeutende allegorische auf Kupferstecherkunst bezügliche Compositionen, und innen grau in grau gemalte Brustbilder großer Meister derselben umgebend. Das mächtige eine Fenster in der nach Norden gerichteten schmalen Wand läßt in diesen weiten schönen Raum das klarste, ruhigste, reflcxlose Tageslicht strömen, das jedem der Blätter und Bilder an den Wänden zur entsprechendsten Wirkung verhilft. Es ist, als ob sich alles ver¬ einigte, den „idealen Raum" dieses Saales mit Reiz zu schmücken. Selbst die Aussicht draußen, welche ihm erst die neuste Zeit gegeben hat. trägt wesentlich dazu bei. Es fügt sich nämlich so. daß jene brillante, goldglänzende maurische Kuppel der von Knoblauch in der oranienburger Straße während der letzten Jahre erbauten neuen Synagoge hier vor der Mitte des Fensters in nicht zu entlegner Form aus der prächtigsten Baumgruppe des viel näher gelegnen Mon- bijouparks gleichsam unmittelbar aufragend erscheint, ein landschaftlicher Blick so reich, so eigenthümlich, so malerisch Stil- und effectvoll, so anscheinend mit künstlerischer Weisheit componirt, wie ich wenige in Berlin kenne. Die ganze überwiegende Masse der Stiche und Holzschnitte, darunter auch die große Bildnißsammlung des Cabinets und noch manches Andre haben wir in dem dritten großen Saal, dem blauen, von diesem grünen durch einen schmalen Grenzten III. 1866. 22

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/183
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/183>, abgerufen am 15.01.2025.