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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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setzte der Erzherzog eine provisorische Verwaltung ein, die aus dem Statthalter,
je zweien von der Negierung und der Kammer bestand, nahm dazu, weil man
über die Ausländer klagte. "Landleute" und ertheilte ihnen Gewalt, während
seiner Abwesenheit in Kriegsfällen und zur Erhaltung des Landfriedens zu
handeln. Diejenigen, die vom Rath als dem katholischen Glauben abtrünnig
erkannt würden, sollten dem Malesizrichter und den Geschwornen überantwortet,
ebenso die Uebertreter gemeiner Landessatzungen an Leib und Gut gestraft
werden. Um den Beschwerden über das Verfahren nach dem geschriebenen,
nämlich dem römischen Recht, und der Verletzung der Landesbräuche zu be¬
gegnen, wurde dem Statthalter, den Hofräthen und Landleuten, je vier aus
jedem Stande, aufgetragen, eine Landesordnung aufzurichten, auch stellte man
den Städten und Gerichten frei, eine Copie von den vorhandenen Landesfrei¬
heiten für 24 si. auf Pergament und für 12 si. auf Papier zu nehmen. Die
Austragung des Streites über den Auf- und Abzug im Viertel Eisack, den
die Stände nicht entscheiden wollten, wurde dem Statthalter und den Hofräthen
überlassen.

Auf die Siege des Aufstandes im Reiche, der sich durch das Allgäu mit
Tirol in Verbindung gesetzt, folgte nun auch hier der Ausbruch der Empörung.
Daß es da losgehen werde, war dort schon bekannt. Zuerst brach sie im Mai
zu Brixen aus, wo eine große Erbitterung gegen den Klerus herrschte. Am
8. begannen die Bauern bei Ratz einen See des Probstes zu Neustift gewalt¬
sam aufzufischen, und als zwei Tage nachher der oben erwähnte Peter Päßler,
von den weither geholten Geschwornen zum Feuertode verurtheilt, dann aber
zum Schwert begnadigt, auf den Richtplatz geführt wurde, befreiten ihn die von
Nodeneck und Andreasberg mit gewaffneter Hand aus den Händen der Richter,
welche die Flucht ergriffen. Durch so leichten Sieg übermüthig geworden, ver¬
sammelten sich die Bauern am 11. in der milander An und beschlossen, ihre
Beschwerden und großen Auflagen selbst abzuthun. Vergebens versuchte der
Pfleger von Rodeneck, Sigmund Brandeis, der sich unter den stürmischen
Haufen wagte, sie zu einer Vorstellung an den Landesfürsten zu bewegen, noch
in derselben Nacht, schwuren sie, gleich am nächsten Tage aus ein Glockenzeichen
wiederzukehren und im Einverständniß mit einigen Bürgern nach Brixen zu
rücken. Bei ihrem Einzug in die Stadt durch Zutrinken ermuthigt, sielen sie,
mehr als 6000 Mann stark, zuerst in die Pfaffcnhäuser. plünderten, zerschlugen
den Hausrath, ließen den Wein, dessen ihnen zu viel wurde, ausrinnen,
drangen in die Wohnungen der Adeligen, verschonten weder Weiber noch
Mädchen, und zogen, als es nichts mehr zu rauben gab, mit den Brixnern
vereint unter Anführung des Keserer, eines Bruders des letzthin Gerichteten,
gegen das Kloster Neustift. Der dortige Amtmann, jener Chronist Kirchmayr.
wollte zwar die Plünderung mit S000 si. abkaufen, die Bauern ließen sich


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setzte der Erzherzog eine provisorische Verwaltung ein, die aus dem Statthalter,
je zweien von der Negierung und der Kammer bestand, nahm dazu, weil man
über die Ausländer klagte. „Landleute" und ertheilte ihnen Gewalt, während
seiner Abwesenheit in Kriegsfällen und zur Erhaltung des Landfriedens zu
handeln. Diejenigen, die vom Rath als dem katholischen Glauben abtrünnig
erkannt würden, sollten dem Malesizrichter und den Geschwornen überantwortet,
ebenso die Uebertreter gemeiner Landessatzungen an Leib und Gut gestraft
werden. Um den Beschwerden über das Verfahren nach dem geschriebenen,
nämlich dem römischen Recht, und der Verletzung der Landesbräuche zu be¬
gegnen, wurde dem Statthalter, den Hofräthen und Landleuten, je vier aus
jedem Stande, aufgetragen, eine Landesordnung aufzurichten, auch stellte man
den Städten und Gerichten frei, eine Copie von den vorhandenen Landesfrei¬
heiten für 24 si. auf Pergament und für 12 si. auf Papier zu nehmen. Die
Austragung des Streites über den Auf- und Abzug im Viertel Eisack, den
die Stände nicht entscheiden wollten, wurde dem Statthalter und den Hofräthen
überlassen.

Auf die Siege des Aufstandes im Reiche, der sich durch das Allgäu mit
Tirol in Verbindung gesetzt, folgte nun auch hier der Ausbruch der Empörung.
Daß es da losgehen werde, war dort schon bekannt. Zuerst brach sie im Mai
zu Brixen aus, wo eine große Erbitterung gegen den Klerus herrschte. Am
8. begannen die Bauern bei Ratz einen See des Probstes zu Neustift gewalt¬
sam aufzufischen, und als zwei Tage nachher der oben erwähnte Peter Päßler,
von den weither geholten Geschwornen zum Feuertode verurtheilt, dann aber
zum Schwert begnadigt, auf den Richtplatz geführt wurde, befreiten ihn die von
Nodeneck und Andreasberg mit gewaffneter Hand aus den Händen der Richter,
welche die Flucht ergriffen. Durch so leichten Sieg übermüthig geworden, ver¬
sammelten sich die Bauern am 11. in der milander An und beschlossen, ihre
Beschwerden und großen Auflagen selbst abzuthun. Vergebens versuchte der
Pfleger von Rodeneck, Sigmund Brandeis, der sich unter den stürmischen
Haufen wagte, sie zu einer Vorstellung an den Landesfürsten zu bewegen, noch
in derselben Nacht, schwuren sie, gleich am nächsten Tage aus ein Glockenzeichen
wiederzukehren und im Einverständniß mit einigen Bürgern nach Brixen zu
rücken. Bei ihrem Einzug in die Stadt durch Zutrinken ermuthigt, sielen sie,
mehr als 6000 Mann stark, zuerst in die Pfaffcnhäuser. plünderten, zerschlugen
den Hausrath, ließen den Wein, dessen ihnen zu viel wurde, ausrinnen,
drangen in die Wohnungen der Adeligen, verschonten weder Weiber noch
Mädchen, und zogen, als es nichts mehr zu rauben gab, mit den Brixnern
vereint unter Anführung des Keserer, eines Bruders des letzthin Gerichteten,
gegen das Kloster Neustift. Der dortige Amtmann, jener Chronist Kirchmayr.
wollte zwar die Plünderung mit S000 si. abkaufen, die Bauern ließen sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/167>, abgerufen am 15.01.2025.