Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und eine ungeheuere Menge davon erlegten, zumal auch dessen Flucht durch
den in jenem Jahre gefallenen tiefen Schnee sehr erschwert wurde. Die Land¬
leute, die blos im Kaiser die von Gott bestellte Macht sahen, hielten sich nun
von allen gesetzlichen Banden frei; "da kein Landesfürst wäre," sagten sie,
"hätten die Herren des Regiments jetzt keine Gewalt mehr." Man verbreitete
das Gerücht, König Karl werde aus dem fernen Spanien gar nicht nach Tirol
kommen.

Der zu Innsbruck am 9. Februar versammelte, ständische Ausschuß ge¬
stattete zwar zur Beruhigung der Gemüther, daß jeder sein Feld mit gespaltenem
Holz einzäunen, Hunde halten und schädliche Thiere, wie Bären. Luxe, Wölfe,
lagen und fangen dürfe. Allein dies fruchtete so wenig, als die Bemühungen
der Abgeordneten, die man ins Unter- und Oberinnthal sandte, sie wurden
von den Bauern mit Spießen und Waffen umringt und entkamen nur mit
genauer Noth. Auch um Buxen war die Aufregung so stark, daß die von
Rodeneck ihren Richter verjagten, weil er einen Mann, der mit geladener
Büchse und brennender Lunte auf dem Markt umging, hart anließ, der Pfleger
brachte sie nur mit Mühe vom Sturm auf das Schloß ab.

Die Herren des Regiments und die Mächtigen vom Adel versuchten die
Unruhen dadurch niederzuhalten, daß sie auf den 24. Januar 1520 wieder einen
Landtag nach Innsbruck beriefen und auf diesem die Stände dem zum deutschen
Kaiser erwählten Karl von Spanien und dessen Bruder Erzherzog Ferdinand
die Erbhuldigung versprechen ließen. Dagegen sollte auch von Seite der Fürsten
die Bestätigung der alten Privilegien und Gebräuche, Besetzung der Regierung
mit Personen, die der Landschaft angenehm, Bewerthung der ausländischen
Münzen nach ihrem Gehalte, Abstellung der fremden Kaufmannsgesellschaften,
Aufhebung der neuen Zölle und Aufzeigung von Holz an die Gerichte des
Innthals zu ihrer Hausnothdurft zugesichert werden. Neben der Bestätigung
der von der Landschaft mit Rath der Regierung verfaßten Polizeiordnung wurde
an das Versprechen einer verbesserten Landesordnung erinnert, und ein Aus¬
schuß von vier ständischen Abgeordneten und je zweien der beiden Stifte vor¬
geschlagen, die über diese und die Beschwerden gegen die Geistlichen zu berathen
hätten. Betreffs des Wildes verlangte man, daß dessen Vertreibung aus den
Feldern gestattet, die Frevler begnadigt und das Verbot der Jagd auf das
Roth- und Schwarzwild beschränkt werde. Bei der ersten Übertretung wurde
blos eine Strafe von 10 Mark Perner oder zwei Monaten Gefängniß, bei der
zweiten die Landesverweisung beantragt. Ein Theil der Gerichte ließ sich auf
vieles Zudringen zur Huldigung herbei, andere hingegen, besonders die am
Eisack, wollten den Landtagsbescheid nicht annehmen und weder Zins noch
Steuern und alte Schulden zahlen, da der Landesfürst nicht komme.

Es trat eine völlige Auflösung aller Ordnung ein, .aus öffentlichen Straßen


und eine ungeheuere Menge davon erlegten, zumal auch dessen Flucht durch
den in jenem Jahre gefallenen tiefen Schnee sehr erschwert wurde. Die Land¬
leute, die blos im Kaiser die von Gott bestellte Macht sahen, hielten sich nun
von allen gesetzlichen Banden frei; „da kein Landesfürst wäre," sagten sie,
„hätten die Herren des Regiments jetzt keine Gewalt mehr." Man verbreitete
das Gerücht, König Karl werde aus dem fernen Spanien gar nicht nach Tirol
kommen.

Der zu Innsbruck am 9. Februar versammelte, ständische Ausschuß ge¬
stattete zwar zur Beruhigung der Gemüther, daß jeder sein Feld mit gespaltenem
Holz einzäunen, Hunde halten und schädliche Thiere, wie Bären. Luxe, Wölfe,
lagen und fangen dürfe. Allein dies fruchtete so wenig, als die Bemühungen
der Abgeordneten, die man ins Unter- und Oberinnthal sandte, sie wurden
von den Bauern mit Spießen und Waffen umringt und entkamen nur mit
genauer Noth. Auch um Buxen war die Aufregung so stark, daß die von
Rodeneck ihren Richter verjagten, weil er einen Mann, der mit geladener
Büchse und brennender Lunte auf dem Markt umging, hart anließ, der Pfleger
brachte sie nur mit Mühe vom Sturm auf das Schloß ab.

Die Herren des Regiments und die Mächtigen vom Adel versuchten die
Unruhen dadurch niederzuhalten, daß sie auf den 24. Januar 1520 wieder einen
Landtag nach Innsbruck beriefen und auf diesem die Stände dem zum deutschen
Kaiser erwählten Karl von Spanien und dessen Bruder Erzherzog Ferdinand
die Erbhuldigung versprechen ließen. Dagegen sollte auch von Seite der Fürsten
die Bestätigung der alten Privilegien und Gebräuche, Besetzung der Regierung
mit Personen, die der Landschaft angenehm, Bewerthung der ausländischen
Münzen nach ihrem Gehalte, Abstellung der fremden Kaufmannsgesellschaften,
Aufhebung der neuen Zölle und Aufzeigung von Holz an die Gerichte des
Innthals zu ihrer Hausnothdurft zugesichert werden. Neben der Bestätigung
der von der Landschaft mit Rath der Regierung verfaßten Polizeiordnung wurde
an das Versprechen einer verbesserten Landesordnung erinnert, und ein Aus¬
schuß von vier ständischen Abgeordneten und je zweien der beiden Stifte vor¬
geschlagen, die über diese und die Beschwerden gegen die Geistlichen zu berathen
hätten. Betreffs des Wildes verlangte man, daß dessen Vertreibung aus den
Feldern gestattet, die Frevler begnadigt und das Verbot der Jagd auf das
Roth- und Schwarzwild beschränkt werde. Bei der ersten Übertretung wurde
blos eine Strafe von 10 Mark Perner oder zwei Monaten Gefängniß, bei der
zweiten die Landesverweisung beantragt. Ein Theil der Gerichte ließ sich auf
vieles Zudringen zur Huldigung herbei, andere hingegen, besonders die am
Eisack, wollten den Landtagsbescheid nicht annehmen und weder Zins noch
Steuern und alte Schulden zahlen, da der Landesfürst nicht komme.

Es trat eine völlige Auflösung aller Ordnung ein, .aus öffentlichen Straßen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0160" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283513"/>
          <p xml:id="ID_481" prev="#ID_480"> und eine ungeheuere Menge davon erlegten, zumal auch dessen Flucht durch<lb/>
den in jenem Jahre gefallenen tiefen Schnee sehr erschwert wurde. Die Land¬<lb/>
leute, die blos im Kaiser die von Gott bestellte Macht sahen, hielten sich nun<lb/>
von allen gesetzlichen Banden frei; &#x201E;da kein Landesfürst wäre," sagten sie,<lb/>
&#x201E;hätten die Herren des Regiments jetzt keine Gewalt mehr." Man verbreitete<lb/>
das Gerücht, König Karl werde aus dem fernen Spanien gar nicht nach Tirol<lb/>
kommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_482"> Der zu Innsbruck am 9. Februar versammelte, ständische Ausschuß ge¬<lb/>
stattete zwar zur Beruhigung der Gemüther, daß jeder sein Feld mit gespaltenem<lb/>
Holz einzäunen, Hunde halten und schädliche Thiere, wie Bären. Luxe, Wölfe,<lb/>
lagen und fangen dürfe. Allein dies fruchtete so wenig, als die Bemühungen<lb/>
der Abgeordneten, die man ins Unter- und Oberinnthal sandte, sie wurden<lb/>
von den Bauern mit Spießen und Waffen umringt und entkamen nur mit<lb/>
genauer Noth. Auch um Buxen war die Aufregung so stark, daß die von<lb/>
Rodeneck ihren Richter verjagten, weil er einen Mann, der mit geladener<lb/>
Büchse und brennender Lunte auf dem Markt umging, hart anließ, der Pfleger<lb/>
brachte sie nur mit Mühe vom Sturm auf das Schloß ab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_483"> Die Herren des Regiments und die Mächtigen vom Adel versuchten die<lb/>
Unruhen dadurch niederzuhalten, daß sie auf den 24. Januar 1520 wieder einen<lb/>
Landtag nach Innsbruck beriefen und auf diesem die Stände dem zum deutschen<lb/>
Kaiser erwählten Karl von Spanien und dessen Bruder Erzherzog Ferdinand<lb/>
die Erbhuldigung versprechen ließen. Dagegen sollte auch von Seite der Fürsten<lb/>
die Bestätigung der alten Privilegien und Gebräuche, Besetzung der Regierung<lb/>
mit Personen, die der Landschaft angenehm, Bewerthung der ausländischen<lb/>
Münzen nach ihrem Gehalte, Abstellung der fremden Kaufmannsgesellschaften,<lb/>
Aufhebung der neuen Zölle und Aufzeigung von Holz an die Gerichte des<lb/>
Innthals zu ihrer Hausnothdurft zugesichert werden. Neben der Bestätigung<lb/>
der von der Landschaft mit Rath der Regierung verfaßten Polizeiordnung wurde<lb/>
an das Versprechen einer verbesserten Landesordnung erinnert, und ein Aus¬<lb/>
schuß von vier ständischen Abgeordneten und je zweien der beiden Stifte vor¬<lb/>
geschlagen, die über diese und die Beschwerden gegen die Geistlichen zu berathen<lb/>
hätten. Betreffs des Wildes verlangte man, daß dessen Vertreibung aus den<lb/>
Feldern gestattet, die Frevler begnadigt und das Verbot der Jagd auf das<lb/>
Roth- und Schwarzwild beschränkt werde. Bei der ersten Übertretung wurde<lb/>
blos eine Strafe von 10 Mark Perner oder zwei Monaten Gefängniß, bei der<lb/>
zweiten die Landesverweisung beantragt. Ein Theil der Gerichte ließ sich auf<lb/>
vieles Zudringen zur Huldigung herbei, andere hingegen, besonders die am<lb/>
Eisack, wollten den Landtagsbescheid nicht annehmen und weder Zins noch<lb/>
Steuern und alte Schulden zahlen, da der Landesfürst nicht komme.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_484" next="#ID_485"> Es trat eine völlige Auflösung aller Ordnung ein, .aus öffentlichen Straßen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0160] und eine ungeheuere Menge davon erlegten, zumal auch dessen Flucht durch den in jenem Jahre gefallenen tiefen Schnee sehr erschwert wurde. Die Land¬ leute, die blos im Kaiser die von Gott bestellte Macht sahen, hielten sich nun von allen gesetzlichen Banden frei; „da kein Landesfürst wäre," sagten sie, „hätten die Herren des Regiments jetzt keine Gewalt mehr." Man verbreitete das Gerücht, König Karl werde aus dem fernen Spanien gar nicht nach Tirol kommen. Der zu Innsbruck am 9. Februar versammelte, ständische Ausschuß ge¬ stattete zwar zur Beruhigung der Gemüther, daß jeder sein Feld mit gespaltenem Holz einzäunen, Hunde halten und schädliche Thiere, wie Bären. Luxe, Wölfe, lagen und fangen dürfe. Allein dies fruchtete so wenig, als die Bemühungen der Abgeordneten, die man ins Unter- und Oberinnthal sandte, sie wurden von den Bauern mit Spießen und Waffen umringt und entkamen nur mit genauer Noth. Auch um Buxen war die Aufregung so stark, daß die von Rodeneck ihren Richter verjagten, weil er einen Mann, der mit geladener Büchse und brennender Lunte auf dem Markt umging, hart anließ, der Pfleger brachte sie nur mit Mühe vom Sturm auf das Schloß ab. Die Herren des Regiments und die Mächtigen vom Adel versuchten die Unruhen dadurch niederzuhalten, daß sie auf den 24. Januar 1520 wieder einen Landtag nach Innsbruck beriefen und auf diesem die Stände dem zum deutschen Kaiser erwählten Karl von Spanien und dessen Bruder Erzherzog Ferdinand die Erbhuldigung versprechen ließen. Dagegen sollte auch von Seite der Fürsten die Bestätigung der alten Privilegien und Gebräuche, Besetzung der Regierung mit Personen, die der Landschaft angenehm, Bewerthung der ausländischen Münzen nach ihrem Gehalte, Abstellung der fremden Kaufmannsgesellschaften, Aufhebung der neuen Zölle und Aufzeigung von Holz an die Gerichte des Innthals zu ihrer Hausnothdurft zugesichert werden. Neben der Bestätigung der von der Landschaft mit Rath der Regierung verfaßten Polizeiordnung wurde an das Versprechen einer verbesserten Landesordnung erinnert, und ein Aus¬ schuß von vier ständischen Abgeordneten und je zweien der beiden Stifte vor¬ geschlagen, die über diese und die Beschwerden gegen die Geistlichen zu berathen hätten. Betreffs des Wildes verlangte man, daß dessen Vertreibung aus den Feldern gestattet, die Frevler begnadigt und das Verbot der Jagd auf das Roth- und Schwarzwild beschränkt werde. Bei der ersten Übertretung wurde blos eine Strafe von 10 Mark Perner oder zwei Monaten Gefängniß, bei der zweiten die Landesverweisung beantragt. Ein Theil der Gerichte ließ sich auf vieles Zudringen zur Huldigung herbei, andere hingegen, besonders die am Eisack, wollten den Landtagsbescheid nicht annehmen und weder Zins noch Steuern und alte Schulden zahlen, da der Landesfürst nicht komme. Es trat eine völlige Auflösung aller Ordnung ein, .aus öffentlichen Straßen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/160
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/160>, abgerufen am 15.01.2025.