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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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tigem Wortes. Im Gewissen der Deutschen lag der fruchtbare Boden, in der
es bald kräftige Wurzeln trieb.

Die meisten Fürsten hatten davon so wenig als der mit ihnen verbündete
Klerus. Erzherzog Sigmund von Tirol entblödete sich nicht 1490 öffentlich aus
dem Landtag in Gegenwart des Königs Maximilian zu klagen, daß man seine
natürlichen Kinder Mangel leiden lasse, und mußte die Erwiderung hinnehmen,
er habe über vierzig uneheliche Söhne und Töchter, die meisten der ersteren
seien mit 1000 si., Roß und Harnisch oder einem Jahrgeld von 30 si. versehen
worden, sie kämen aber immer wieder um Aushilfe. Maximilian selbst hatte
mehre natürliche Kinder, wovon wir nur jene Gräfin Margarethe von Helfen¬
stein, deren Gatte zu Weinsberg in die Spieße gejagt wurde, und Georg von
Oesterreich, der auf die Empfehlung seines Vetters, des Erzherzogs Ferdinand
als Bischof von Brixen postulirt wurde (1525), erwähnen. Gleichwohl verordnete
er in seiner Halsgerichtsordnung für die Grafschaft Tirol von 1499, daß die
Kindsmörderinnen lebendig begraben und ihnen ein Pfahl durch den Leib ge¬
schlagen werde, eine grausame Härte, auf der wir ihn auch gegen jene betreten,
die seine Hirsche bürschten und dafür mit ihrem Leben büßen mußten. Ein
anderer deutscher Fürst, Herzog Ulrich von Würtemberg, der mit des Kaisers
Nichte Sabina von Bayern-München verehlicht war, lebte in Ehebruch mit der
Frau seines Hofbeamten Hans von Hütten, und ermordete diesen, als erdessen
Verhältniß zu seiner eigenen Gattin entdeckte.

Nicht besser als um die sittlichen stand es um die rechtlichen Verhältnisse
im deutschen Reiche, der Feudalstaat hatte die Fürsten wie die Ritter zu eigen¬
mächtigen Herren herangezogen, die keine andere Schranke kannten als die
äußere Gewalt, viele dieser kleinen souveraine lauschten nur auf den günstigen
Augenblick, um das gegebene Wort zu brechen, fremdes Gut zu rauben und
neue Abgaben zu ertrotzen. Die Erblichkeit der Lehen ließ ihre Besitzer zu fast
unumschränkter Macht gelangen, Rom schürte die Gluth der Zwietracht, indem
es dem Scheine nach die Freiheit der Fürsten in Schutz nahm, dabei aber die
treuherzigen Deutschen als Mittel benutzte, um seine Herrschaft zu befestigen
und ihre Säckel zu leeren; die Macht der Kaiser wurde immer kleiner und
schwächer, schon die Uebertragung der Krone mußten sie durch Capitulationen
mit den Kurfürsten, jede spätere Hilfe mit neuen Zugeständnissen erkaufen.
Wie sollten sie da das gute Recht mit rücksichtsloser Strenge üben? Beim
Versuche, den Landfrieden durch ein Kammergericht herzustellen, gewann es den
Anschein, als wollte Maximilian nur seine Hausmacht erweitern, man sah im
gemeinen Pfennig, der jene Kosten decken, in der Aushebung der Mannschaft,
die zur Execution der Urtheile dienen sollte, nur die Mittel, seinen Einfluß
im Innern zu mehren, seine auswärtigen Unternehmungen zu unterstützen.
An diesem Mißtrauen, dieser fortwährenden Reibung zwischen dem Kaiser und


tigem Wortes. Im Gewissen der Deutschen lag der fruchtbare Boden, in der
es bald kräftige Wurzeln trieb.

Die meisten Fürsten hatten davon so wenig als der mit ihnen verbündete
Klerus. Erzherzog Sigmund von Tirol entblödete sich nicht 1490 öffentlich aus
dem Landtag in Gegenwart des Königs Maximilian zu klagen, daß man seine
natürlichen Kinder Mangel leiden lasse, und mußte die Erwiderung hinnehmen,
er habe über vierzig uneheliche Söhne und Töchter, die meisten der ersteren
seien mit 1000 si., Roß und Harnisch oder einem Jahrgeld von 30 si. versehen
worden, sie kämen aber immer wieder um Aushilfe. Maximilian selbst hatte
mehre natürliche Kinder, wovon wir nur jene Gräfin Margarethe von Helfen¬
stein, deren Gatte zu Weinsberg in die Spieße gejagt wurde, und Georg von
Oesterreich, der auf die Empfehlung seines Vetters, des Erzherzogs Ferdinand
als Bischof von Brixen postulirt wurde (1525), erwähnen. Gleichwohl verordnete
er in seiner Halsgerichtsordnung für die Grafschaft Tirol von 1499, daß die
Kindsmörderinnen lebendig begraben und ihnen ein Pfahl durch den Leib ge¬
schlagen werde, eine grausame Härte, auf der wir ihn auch gegen jene betreten,
die seine Hirsche bürschten und dafür mit ihrem Leben büßen mußten. Ein
anderer deutscher Fürst, Herzog Ulrich von Würtemberg, der mit des Kaisers
Nichte Sabina von Bayern-München verehlicht war, lebte in Ehebruch mit der
Frau seines Hofbeamten Hans von Hütten, und ermordete diesen, als erdessen
Verhältniß zu seiner eigenen Gattin entdeckte.

Nicht besser als um die sittlichen stand es um die rechtlichen Verhältnisse
im deutschen Reiche, der Feudalstaat hatte die Fürsten wie die Ritter zu eigen¬
mächtigen Herren herangezogen, die keine andere Schranke kannten als die
äußere Gewalt, viele dieser kleinen souveraine lauschten nur auf den günstigen
Augenblick, um das gegebene Wort zu brechen, fremdes Gut zu rauben und
neue Abgaben zu ertrotzen. Die Erblichkeit der Lehen ließ ihre Besitzer zu fast
unumschränkter Macht gelangen, Rom schürte die Gluth der Zwietracht, indem
es dem Scheine nach die Freiheit der Fürsten in Schutz nahm, dabei aber die
treuherzigen Deutschen als Mittel benutzte, um seine Herrschaft zu befestigen
und ihre Säckel zu leeren; die Macht der Kaiser wurde immer kleiner und
schwächer, schon die Uebertragung der Krone mußten sie durch Capitulationen
mit den Kurfürsten, jede spätere Hilfe mit neuen Zugeständnissen erkaufen.
Wie sollten sie da das gute Recht mit rücksichtsloser Strenge üben? Beim
Versuche, den Landfrieden durch ein Kammergericht herzustellen, gewann es den
Anschein, als wollte Maximilian nur seine Hausmacht erweitern, man sah im
gemeinen Pfennig, der jene Kosten decken, in der Aushebung der Mannschaft,
die zur Execution der Urtheile dienen sollte, nur die Mittel, seinen Einfluß
im Innern zu mehren, seine auswärtigen Unternehmungen zu unterstützen.
An diesem Mißtrauen, dieser fortwährenden Reibung zwischen dem Kaiser und


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[0155] tigem Wortes. Im Gewissen der Deutschen lag der fruchtbare Boden, in der es bald kräftige Wurzeln trieb. Die meisten Fürsten hatten davon so wenig als der mit ihnen verbündete Klerus. Erzherzog Sigmund von Tirol entblödete sich nicht 1490 öffentlich aus dem Landtag in Gegenwart des Königs Maximilian zu klagen, daß man seine natürlichen Kinder Mangel leiden lasse, und mußte die Erwiderung hinnehmen, er habe über vierzig uneheliche Söhne und Töchter, die meisten der ersteren seien mit 1000 si., Roß und Harnisch oder einem Jahrgeld von 30 si. versehen worden, sie kämen aber immer wieder um Aushilfe. Maximilian selbst hatte mehre natürliche Kinder, wovon wir nur jene Gräfin Margarethe von Helfen¬ stein, deren Gatte zu Weinsberg in die Spieße gejagt wurde, und Georg von Oesterreich, der auf die Empfehlung seines Vetters, des Erzherzogs Ferdinand als Bischof von Brixen postulirt wurde (1525), erwähnen. Gleichwohl verordnete er in seiner Halsgerichtsordnung für die Grafschaft Tirol von 1499, daß die Kindsmörderinnen lebendig begraben und ihnen ein Pfahl durch den Leib ge¬ schlagen werde, eine grausame Härte, auf der wir ihn auch gegen jene betreten, die seine Hirsche bürschten und dafür mit ihrem Leben büßen mußten. Ein anderer deutscher Fürst, Herzog Ulrich von Würtemberg, der mit des Kaisers Nichte Sabina von Bayern-München verehlicht war, lebte in Ehebruch mit der Frau seines Hofbeamten Hans von Hütten, und ermordete diesen, als erdessen Verhältniß zu seiner eigenen Gattin entdeckte. Nicht besser als um die sittlichen stand es um die rechtlichen Verhältnisse im deutschen Reiche, der Feudalstaat hatte die Fürsten wie die Ritter zu eigen¬ mächtigen Herren herangezogen, die keine andere Schranke kannten als die äußere Gewalt, viele dieser kleinen souveraine lauschten nur auf den günstigen Augenblick, um das gegebene Wort zu brechen, fremdes Gut zu rauben und neue Abgaben zu ertrotzen. Die Erblichkeit der Lehen ließ ihre Besitzer zu fast unumschränkter Macht gelangen, Rom schürte die Gluth der Zwietracht, indem es dem Scheine nach die Freiheit der Fürsten in Schutz nahm, dabei aber die treuherzigen Deutschen als Mittel benutzte, um seine Herrschaft zu befestigen und ihre Säckel zu leeren; die Macht der Kaiser wurde immer kleiner und schwächer, schon die Uebertragung der Krone mußten sie durch Capitulationen mit den Kurfürsten, jede spätere Hilfe mit neuen Zugeständnissen erkaufen. Wie sollten sie da das gute Recht mit rücksichtsloser Strenge üben? Beim Versuche, den Landfrieden durch ein Kammergericht herzustellen, gewann es den Anschein, als wollte Maximilian nur seine Hausmacht erweitern, man sah im gemeinen Pfennig, der jene Kosten decken, in der Aushebung der Mannschaft, die zur Execution der Urtheile dienen sollte, nur die Mittel, seinen Einfluß im Innern zu mehren, seine auswärtigen Unternehmungen zu unterstützen. An diesem Mißtrauen, dieser fortwährenden Reibung zwischen dem Kaiser und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/155>, abgerufen am 15.01.2025.