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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Der Bauernkrieg in Tirol.
i.

Nicht immer war man im Lande der Alpen so glaubenseinheitlich, wie die
Klerikalen dort vorgeben. Gerade als sie hier ihre schönsten Tage verlebten,
regte sich mit einem Male der Drang, sie los zu werden. Es mag für sie
bitter sein, sich nachweisen lassen zu müssen, wie viel sie selbst zur Bewegung
beitrugen, die sich, zu Luthers Zeiten gegen sie erhob, dies ändert aber nichts
an der Thatsache. In München und Innsbruck wollte man diese verdrehen und
fälschen, um so mehr ist eine schlichte und wahrhafte Darstellung jener Vor¬
gänge angezeigt.

Auf dem päpstlichen Stuhle faß 1492--1503 Alexander der Vierte, oder,
wie wir ihn nennen wollen, der Lasterhafte. Rom war ein Pfuhl des Mordes
und der Unzucht, der Grausamkeit und unerhörter Habgier. Schon 1501 wur¬
den Opferbüchsen zur Gewinnung eines Jubelablasses aufgestellt, sein Ertrag
sollte die Kosten eines Kreuzzugs gegen die Türken decken, der aber nie zu
Stande kam. Noch kecker und umfangreicher betrieben das Geschäft des Abla߬
verkaufs jene Commissionen, die 1517 für den Bau von Se. Peter Deutschland
durchzogen. Reue und Beichte schienen Nebensache, denn es gab Jndulgenzen,
die man sich auch ohne sie durch Geld erkaufen konnte. Die Werkheiligkeit,
der Ceremoniendienst hatten die höchste Stufe erreicht, und wenn auch kein
Luther erstanden wäre, die Nothwendigkeit einer Reform lag in jenem un¬
wandelbaren Gesetze, dem die Welt durch eine weise Fügung unterworfen ist.
Schien es doch, als ob, wie aus jenen Beschwerden der deutschen Nation er¬
hellt, die 1510 auf dem Reichstag zu Augsburg dem Kaiser übergeben wurden,
ganz Deutschland dem römischen Hofe tributpflichtig und die geistlichen Pfründen
nur dazu geschaffen wären, um Leute von vornehmer Abstammung zu versorgen,
oder dem Wohlleben einzelner Bevorzugter zu stöhnen, während sie ihren Dienst
durch karg bestellte Vicare versehen ließen. Die Klage über das ausgelassene
Leben der Geistlichen war allgemein, einen der vielen Beweise dafür liefert die
1522 zu Mühldorf gehaltene Synode, welche die Thatsache auch von geistlicher
Seite feststellt; der Unterricht des gemeinen Mannes wurde vernachlässigt, böses
Beispiel trat an seine Stelle. Daß sich gegen diese Verkehrtheit und die starren
Dogmen der Scholastik die Gebildeten erhoben und den Kampf mit der Ver¬
finsterung aufnahmen, war selbstverständlich, ihre Wirkung auf die Menge, die
im Aberglauben erzogen, aber kaum in hohe Rechnung zu stellen. Zur Er¬
nüchterung des Volkes bedürfte es nicht des geschriebenen, sondern des leben-


Der Bauernkrieg in Tirol.
i.

Nicht immer war man im Lande der Alpen so glaubenseinheitlich, wie die
Klerikalen dort vorgeben. Gerade als sie hier ihre schönsten Tage verlebten,
regte sich mit einem Male der Drang, sie los zu werden. Es mag für sie
bitter sein, sich nachweisen lassen zu müssen, wie viel sie selbst zur Bewegung
beitrugen, die sich, zu Luthers Zeiten gegen sie erhob, dies ändert aber nichts
an der Thatsache. In München und Innsbruck wollte man diese verdrehen und
fälschen, um so mehr ist eine schlichte und wahrhafte Darstellung jener Vor¬
gänge angezeigt.

Auf dem päpstlichen Stuhle faß 1492—1503 Alexander der Vierte, oder,
wie wir ihn nennen wollen, der Lasterhafte. Rom war ein Pfuhl des Mordes
und der Unzucht, der Grausamkeit und unerhörter Habgier. Schon 1501 wur¬
den Opferbüchsen zur Gewinnung eines Jubelablasses aufgestellt, sein Ertrag
sollte die Kosten eines Kreuzzugs gegen die Türken decken, der aber nie zu
Stande kam. Noch kecker und umfangreicher betrieben das Geschäft des Abla߬
verkaufs jene Commissionen, die 1517 für den Bau von Se. Peter Deutschland
durchzogen. Reue und Beichte schienen Nebensache, denn es gab Jndulgenzen,
die man sich auch ohne sie durch Geld erkaufen konnte. Die Werkheiligkeit,
der Ceremoniendienst hatten die höchste Stufe erreicht, und wenn auch kein
Luther erstanden wäre, die Nothwendigkeit einer Reform lag in jenem un¬
wandelbaren Gesetze, dem die Welt durch eine weise Fügung unterworfen ist.
Schien es doch, als ob, wie aus jenen Beschwerden der deutschen Nation er¬
hellt, die 1510 auf dem Reichstag zu Augsburg dem Kaiser übergeben wurden,
ganz Deutschland dem römischen Hofe tributpflichtig und die geistlichen Pfründen
nur dazu geschaffen wären, um Leute von vornehmer Abstammung zu versorgen,
oder dem Wohlleben einzelner Bevorzugter zu stöhnen, während sie ihren Dienst
durch karg bestellte Vicare versehen ließen. Die Klage über das ausgelassene
Leben der Geistlichen war allgemein, einen der vielen Beweise dafür liefert die
1522 zu Mühldorf gehaltene Synode, welche die Thatsache auch von geistlicher
Seite feststellt; der Unterricht des gemeinen Mannes wurde vernachlässigt, böses
Beispiel trat an seine Stelle. Daß sich gegen diese Verkehrtheit und die starren
Dogmen der Scholastik die Gebildeten erhoben und den Kampf mit der Ver¬
finsterung aufnahmen, war selbstverständlich, ihre Wirkung auf die Menge, die
im Aberglauben erzogen, aber kaum in hohe Rechnung zu stellen. Zur Er¬
nüchterung des Volkes bedürfte es nicht des geschriebenen, sondern des leben-


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[0154] Der Bauernkrieg in Tirol. i. Nicht immer war man im Lande der Alpen so glaubenseinheitlich, wie die Klerikalen dort vorgeben. Gerade als sie hier ihre schönsten Tage verlebten, regte sich mit einem Male der Drang, sie los zu werden. Es mag für sie bitter sein, sich nachweisen lassen zu müssen, wie viel sie selbst zur Bewegung beitrugen, die sich, zu Luthers Zeiten gegen sie erhob, dies ändert aber nichts an der Thatsache. In München und Innsbruck wollte man diese verdrehen und fälschen, um so mehr ist eine schlichte und wahrhafte Darstellung jener Vor¬ gänge angezeigt. Auf dem päpstlichen Stuhle faß 1492—1503 Alexander der Vierte, oder, wie wir ihn nennen wollen, der Lasterhafte. Rom war ein Pfuhl des Mordes und der Unzucht, der Grausamkeit und unerhörter Habgier. Schon 1501 wur¬ den Opferbüchsen zur Gewinnung eines Jubelablasses aufgestellt, sein Ertrag sollte die Kosten eines Kreuzzugs gegen die Türken decken, der aber nie zu Stande kam. Noch kecker und umfangreicher betrieben das Geschäft des Abla߬ verkaufs jene Commissionen, die 1517 für den Bau von Se. Peter Deutschland durchzogen. Reue und Beichte schienen Nebensache, denn es gab Jndulgenzen, die man sich auch ohne sie durch Geld erkaufen konnte. Die Werkheiligkeit, der Ceremoniendienst hatten die höchste Stufe erreicht, und wenn auch kein Luther erstanden wäre, die Nothwendigkeit einer Reform lag in jenem un¬ wandelbaren Gesetze, dem die Welt durch eine weise Fügung unterworfen ist. Schien es doch, als ob, wie aus jenen Beschwerden der deutschen Nation er¬ hellt, die 1510 auf dem Reichstag zu Augsburg dem Kaiser übergeben wurden, ganz Deutschland dem römischen Hofe tributpflichtig und die geistlichen Pfründen nur dazu geschaffen wären, um Leute von vornehmer Abstammung zu versorgen, oder dem Wohlleben einzelner Bevorzugter zu stöhnen, während sie ihren Dienst durch karg bestellte Vicare versehen ließen. Die Klage über das ausgelassene Leben der Geistlichen war allgemein, einen der vielen Beweise dafür liefert die 1522 zu Mühldorf gehaltene Synode, welche die Thatsache auch von geistlicher Seite feststellt; der Unterricht des gemeinen Mannes wurde vernachlässigt, böses Beispiel trat an seine Stelle. Daß sich gegen diese Verkehrtheit und die starren Dogmen der Scholastik die Gebildeten erhoben und den Kampf mit der Ver¬ finsterung aufnahmen, war selbstverständlich, ihre Wirkung auf die Menge, die im Aberglauben erzogen, aber kaum in hohe Rechnung zu stellen. Zur Er¬ nüchterung des Volkes bedürfte es nicht des geschriebenen, sondern des leben-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/154>, abgerufen am 15.01.2025.