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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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alter Jungfrauen nicht E. K. M. staatsmütterliches Herz bewegen den König zu
bitten, auf Kleins graues Haupt den Geheimrathstitel unmittelbar vom königl.
Himmel doch ohne die Schwere der Stempel, und Chargenjura fallen zu
lassen."

Die Perle der Sammlung endlich ist einer der Briefe der Königin an
Scheffner, der für die obengedachte Uebersendung von Heften der süvcrnschen
Vorlesungen dankt, die Empfindungen Louisens bei Lectüre derselben darstellt und
sich über einige ihr dunkel gebliebne Stellen Aufklärung erbittet. Er ist sehr
charakteristisch sowohl für die Denk- und Empfindungsweise, wie für die
Bildungsstufe der hohen Briefschreiberin, und so lassen wir ihn ganz folgen.
Die Königin schreibt:

"Guten Morgen Herr Scheffner, Ich wünsche, daß Sie sich besser befänden,
wie ich. Heute schicke ich Iren die 4. und 6. Vorlesung zurück, die mir un¬
aussprechlichen Genuß verschafften. Könnt ich nur einmahl selber Professor
Süvern dafür danken, allein ich schäme mich geradezu Ihnen herausgesagt
meiner Unwissenheit. Ich empfinde recht tief die schöne Wahrheiten, auf
der seyn ganzes Princip ruht; und doppelt fühl ich mich hingerißen. die Auf"
gäbe meines Lebens: mich mit klarem Bewußtseyn zur innern Harmonie
zu bilden nicht zu verfehlen, sondern ihr zu genügen.

, Recht schade ist. daß die schöne Griechen Welle voll Unschuld, und die
kräftige Welle nicht hat dauren können, die Zeit des Abfalls und ihre Niedrig¬
keit hat mich wahrlich ergriffen, weil leider die jetzige ihr sehr gleicht. --
Wollten nur die Menschen die Augen nach innen wenden, vielleicht fänden
Sie noch Kraft das Sclaven Joch abzuschütteln; aber thun sie es nicht so
sieben keine alte Ritter auf, für das Recht, den Glauben und die Liebe zu
kämpfen. Mit wahrer Andacht kniete ich in Gedanken, an dem Altar der
Burg Capelle und bettete für beßere Zeiten zu dem Allmächtigen. Erlebe ich
sie auch nicht mehr, geht es nur meinen Kindern und durch ihnen meinem
Volk einmal wohl! Ich weiß die Zeiten machen sich nicht selbst, sondern die
Menschen machen die Zeit, deswegen sollen meine Kinder gute Menschen werden
um wohlthätig auf ihr Zeitalter zu wirken. --

Wenn ich so die OaKiers ansehe, wie sie mit Bleystift besudelt sind, so
schäme ich mich schon wieder, weil M. Stein sie so lesen wird. Er kennt mich
noch weniger als Sie, was wird er denken. Die Hyroglyfen meines Herzens
kann der nur rathen, der mich genau kennt. Vergangenheit, eigene Erfahrungen
und Schicksaale, Gegenwart, Zukunft, Hoffnung alles hab'ich darin angedeutet,
und hätt' es noch viel mehr gethan, wüßt ich nicht, daß außer Ihnen noch
Jemand sie sehe. Doch einige Fragen. Welche Kriege nennt man die punischen
Kriege? Gingen diese alle gegen Carthago? Die Gracchischen Unruhen, welche
sind die? Verzeihen Sie. Sie haben es mir aber erlaubt. Dann bitt ich Sie


alter Jungfrauen nicht E. K. M. staatsmütterliches Herz bewegen den König zu
bitten, auf Kleins graues Haupt den Geheimrathstitel unmittelbar vom königl.
Himmel doch ohne die Schwere der Stempel, und Chargenjura fallen zu
lassen."

Die Perle der Sammlung endlich ist einer der Briefe der Königin an
Scheffner, der für die obengedachte Uebersendung von Heften der süvcrnschen
Vorlesungen dankt, die Empfindungen Louisens bei Lectüre derselben darstellt und
sich über einige ihr dunkel gebliebne Stellen Aufklärung erbittet. Er ist sehr
charakteristisch sowohl für die Denk- und Empfindungsweise, wie für die
Bildungsstufe der hohen Briefschreiberin, und so lassen wir ihn ganz folgen.
Die Königin schreibt:

„Guten Morgen Herr Scheffner, Ich wünsche, daß Sie sich besser befänden,
wie ich. Heute schicke ich Iren die 4. und 6. Vorlesung zurück, die mir un¬
aussprechlichen Genuß verschafften. Könnt ich nur einmahl selber Professor
Süvern dafür danken, allein ich schäme mich geradezu Ihnen herausgesagt
meiner Unwissenheit. Ich empfinde recht tief die schöne Wahrheiten, auf
der seyn ganzes Princip ruht; und doppelt fühl ich mich hingerißen. die Auf«
gäbe meines Lebens: mich mit klarem Bewußtseyn zur innern Harmonie
zu bilden nicht zu verfehlen, sondern ihr zu genügen.

, Recht schade ist. daß die schöne Griechen Welle voll Unschuld, und die
kräftige Welle nicht hat dauren können, die Zeit des Abfalls und ihre Niedrig¬
keit hat mich wahrlich ergriffen, weil leider die jetzige ihr sehr gleicht. —
Wollten nur die Menschen die Augen nach innen wenden, vielleicht fänden
Sie noch Kraft das Sclaven Joch abzuschütteln; aber thun sie es nicht so
sieben keine alte Ritter auf, für das Recht, den Glauben und die Liebe zu
kämpfen. Mit wahrer Andacht kniete ich in Gedanken, an dem Altar der
Burg Capelle und bettete für beßere Zeiten zu dem Allmächtigen. Erlebe ich
sie auch nicht mehr, geht es nur meinen Kindern und durch ihnen meinem
Volk einmal wohl! Ich weiß die Zeiten machen sich nicht selbst, sondern die
Menschen machen die Zeit, deswegen sollen meine Kinder gute Menschen werden
um wohlthätig auf ihr Zeitalter zu wirken. —

Wenn ich so die OaKiers ansehe, wie sie mit Bleystift besudelt sind, so
schäme ich mich schon wieder, weil M. Stein sie so lesen wird. Er kennt mich
noch weniger als Sie, was wird er denken. Die Hyroglyfen meines Herzens
kann der nur rathen, der mich genau kennt. Vergangenheit, eigene Erfahrungen
und Schicksaale, Gegenwart, Zukunft, Hoffnung alles hab'ich darin angedeutet,
und hätt' es noch viel mehr gethan, wüßt ich nicht, daß außer Ihnen noch
Jemand sie sehe. Doch einige Fragen. Welche Kriege nennt man die punischen
Kriege? Gingen diese alle gegen Carthago? Die Gracchischen Unruhen, welche
sind die? Verzeihen Sie. Sie haben es mir aber erlaubt. Dann bitt ich Sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/151>, abgerufen am 15.01.2025.