Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.nisse wohl dazu angethan, ihn zu einem großen Lustspieldichter zu machen. nisse wohl dazu angethan, ihn zu einem großen Lustspieldichter zu machen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0139" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283492"/> <p xml:id="ID_409" prev="#ID_408" next="#ID_410"> nisse wohl dazu angethan, ihn zu einem großen Lustspieldichter zu machen.<lb/> Wie er zum Reformator der heitern dramatischen Kunst wurde, ist aber dock<lb/> sehr merkwürdig. Er sing auf seiner Wanderbühne mit den Possen an, welche<lb/> sich an den Masken der alten italienischen Komödie entwickelt hatten. Die<lb/> typischen Figuren derselben wurden zuerst in kleinen Stücken, die nach dama¬<lb/> ligem Zeitgeschmack nicht arm an Zweideutigkeiten und gewagten Situationen sind,<lb/> dadurch idealisirt. daß er das französische Costüm derselben zeitgemäß verfeinerte<lb/> und sie zu Menschen umformte mit einem hervorstechenden charakteristischen Zug,<lb/> seine Situation, die drollige Laune des Dialogs und die graziöse Erfindung einer<lb/> kurzen Handlung erschien schon damals bei ihm bewundernswerth. Aber er blieb<lb/> dabei nicht stehen. Noch während er in den Provinzialstädten Frankreichs bei<lb/> Honoratioren seine Aufwartung machte und für Zulassung seiner Truppe mit<lb/> tausend Schwierigkeiten kämpfte, studirte er unermüdlich seine Vorbilder, die<lb/> Römer, und suchte von Terenz zu lernen, wie sich ein größeres Stück aufbaut,<lb/> und von Plautus, wie Menschennatur bei lustiger Darstellung das Innere<lb/> nach außen kehrt. Wenig ist von den Einwirkungen der spanischen Bühne auf<lb/> ihn zu merken, aber überall erkennt man aus den Komödien seiner zweiten<lb/> Periode die Antike. Er componirte seine Handlung, indem er die grotesken<lb/> Masken, die er in Franzosen seiner Zeit umgeformt hatte, in eine kunstvolle<lb/> gegliederte Handlung hineinsetzte, welche er wieder auf den hervorstechenden Cha¬<lb/> rakterzug einer komischen Figur aufbaute. Von den Stücken der vorliegenden<lb/> Sammlung gehören dahin: die Schule der Ehemänner, und die Schule der<lb/> Frauen. Noch ist das Foppen und der Selbstbetrug eines verschrobenen, wun¬<lb/> derlichen, lächerlichen Gesellen der Scherz, noch ist es eine Intrigue, in welcher<lb/> die einzelnen Situationen verhältnißmäßig schwach motivirt sind, aber schon<lb/> zeigt sich in dem sichern Gegensatz der Charaktere und in den geistvollen Va¬<lb/> riationen der Intrigue die Meisterschaft eines großen und sichern Dichters. Schon<lb/> sieht man in dieser Periode, wie es ihm besondere Freude ist, die Charaktere<lb/> sich Präsentiren zu lassen, und wie er es liebt", aus ihnen den Verlauf der Hand¬<lb/> lung zu erklären. Aber auch dabei blieb er nicht stehen. In den besten Stücken<lb/> seiner reifsten Zeit tritt der gewohnte Apparat der Jntriguenstücke mehr in den<lb/> Hintergrund, die Handlung wird einfacher, sie verläuft in wenigen Momenten,<lb/> es ist nicht mehr ein wunderlicher Einfall oder eine der Caricatur nahestehende<lb/> groteske Gestalt, welche den Mittelpunkt bildet, sondern es sind sorgfältig aus-<lb/> gearbeitete Charaktere, allerdings noch mit einem stark hervorstechenden Zug, Tar-<lb/> tüffe, der Heuchler, die gelehrten Frauen, der Misanthrop, der Geizige, der ein¬<lb/> gebildete Kranke; sehr fein ist die Charakteristik geworden, auf sie ist das Hauptgewicht<lb/> gelegt, wie der Charakter sich geistreich und originell präsentirt, ist ihm in den<lb/> reich ausgeführten Situationen das Reizvolle. Diese Stücke sind es auch, in denen<lb/> sich seine hohe Bildung und die ausgezeichnete Kenntniß der Menschen am glän-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0139]
nisse wohl dazu angethan, ihn zu einem großen Lustspieldichter zu machen.
Wie er zum Reformator der heitern dramatischen Kunst wurde, ist aber dock
sehr merkwürdig. Er sing auf seiner Wanderbühne mit den Possen an, welche
sich an den Masken der alten italienischen Komödie entwickelt hatten. Die
typischen Figuren derselben wurden zuerst in kleinen Stücken, die nach dama¬
ligem Zeitgeschmack nicht arm an Zweideutigkeiten und gewagten Situationen sind,
dadurch idealisirt. daß er das französische Costüm derselben zeitgemäß verfeinerte
und sie zu Menschen umformte mit einem hervorstechenden charakteristischen Zug,
seine Situation, die drollige Laune des Dialogs und die graziöse Erfindung einer
kurzen Handlung erschien schon damals bei ihm bewundernswerth. Aber er blieb
dabei nicht stehen. Noch während er in den Provinzialstädten Frankreichs bei
Honoratioren seine Aufwartung machte und für Zulassung seiner Truppe mit
tausend Schwierigkeiten kämpfte, studirte er unermüdlich seine Vorbilder, die
Römer, und suchte von Terenz zu lernen, wie sich ein größeres Stück aufbaut,
und von Plautus, wie Menschennatur bei lustiger Darstellung das Innere
nach außen kehrt. Wenig ist von den Einwirkungen der spanischen Bühne auf
ihn zu merken, aber überall erkennt man aus den Komödien seiner zweiten
Periode die Antike. Er componirte seine Handlung, indem er die grotesken
Masken, die er in Franzosen seiner Zeit umgeformt hatte, in eine kunstvolle
gegliederte Handlung hineinsetzte, welche er wieder auf den hervorstechenden Cha¬
rakterzug einer komischen Figur aufbaute. Von den Stücken der vorliegenden
Sammlung gehören dahin: die Schule der Ehemänner, und die Schule der
Frauen. Noch ist das Foppen und der Selbstbetrug eines verschrobenen, wun¬
derlichen, lächerlichen Gesellen der Scherz, noch ist es eine Intrigue, in welcher
die einzelnen Situationen verhältnißmäßig schwach motivirt sind, aber schon
zeigt sich in dem sichern Gegensatz der Charaktere und in den geistvollen Va¬
riationen der Intrigue die Meisterschaft eines großen und sichern Dichters. Schon
sieht man in dieser Periode, wie es ihm besondere Freude ist, die Charaktere
sich Präsentiren zu lassen, und wie er es liebt", aus ihnen den Verlauf der Hand¬
lung zu erklären. Aber auch dabei blieb er nicht stehen. In den besten Stücken
seiner reifsten Zeit tritt der gewohnte Apparat der Jntriguenstücke mehr in den
Hintergrund, die Handlung wird einfacher, sie verläuft in wenigen Momenten,
es ist nicht mehr ein wunderlicher Einfall oder eine der Caricatur nahestehende
groteske Gestalt, welche den Mittelpunkt bildet, sondern es sind sorgfältig aus-
gearbeitete Charaktere, allerdings noch mit einem stark hervorstechenden Zug, Tar-
tüffe, der Heuchler, die gelehrten Frauen, der Misanthrop, der Geizige, der ein¬
gebildete Kranke; sehr fein ist die Charakteristik geworden, auf sie ist das Hauptgewicht
gelegt, wie der Charakter sich geistreich und originell präsentirt, ist ihm in den
reich ausgeführten Situationen das Reizvolle. Diese Stücke sind es auch, in denen
sich seine hohe Bildung und die ausgezeichnete Kenntniß der Menschen am glän-
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