Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Bei der Versammlung baltischer Aerzte waren alle politischen Demonstrationen, Gestern brauchte man sich keinerlei Zwang anzuthun, und so gab es denn Is*
Bei der Versammlung baltischer Aerzte waren alle politischen Demonstrationen, Gestern brauchte man sich keinerlei Zwang anzuthun, und so gab es denn Is*
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Bei der Versammlung baltischer Aerzte waren alle politischen Demonstrationen,
wie billig, verbeten. Indeß überströmende Gefühle ließen sich nicht ganz im
Busen verschließen, und so brachte nach den beiden officiellen Toasten ein von
solcher Empfindung übermeisterter Doctor aus Bornhöft richtig auch sein Hoch
auf Friedrich den Achten an den Mann.
Gestern brauchte man sich keinerlei Zwang anzuthun, und so gab es denn
hierund in den übrigen Städten des Landes reichlichste legitimistische Begeisterung
mit allem, was dazu gehört. Kein Liebhaber von derartigem unnützem Lärm,
hatte ichs vorgezogen, mich aufs Land hinaus zu begeben, wo es so still und
behaglich gleichgiltig war, wie überall, wo die Natur die Kunst überwiegt,
und so könnte ich Ihnen unsere Feier nur nach Hörensagen schildern, wenn ich
Sie überhaupt mit solcher Schilderung glücklich zu machen hoffte. Ohne diese
Hoffnung, beschränke ich mich auf einige Zage des Geburtstagsfestes. Bei dem
Festmahl auf Bellevue speiste Staatsrath Francke die Geister der Anwesenden
mit einem Toast auf das „deutsche", will sagen, nicht von Preußen abhängige,
nach dem Willen Oestreichs und des Herrn v. d. Pfordten constituirte Schleswig-
Holstein — eine Art oratorischen Plumpuddings derbster Art, in welchem
Rosinen wie „Rechtsverdrehung". „Lug und Trug", „Soldatcndruck", „Schwarm
von Kronjuristen" und ähnliche Liebenswürdigkeiten gegen Preußen dick bei
einander saßen, und dem der Herr Redner mit dem ihm eigenen Takt und
Zartgefühl eine Sauce von der „kleinen Partei im Lande, welche sich in ihrem
Hochmuth die nationale nenne", beizugeben beliebte, obwohl ein Mitglied dieser
Partei ihm fast gerade gegenübersaß. Und bei der Feier, welche die Universität
in der Aula abhielt, kriegten wir's wieder; denn Herr Professor Forchhammer
bewies hier in längerem Vortrag, daß die nationalen „nichts als eine Elite
unklarer Köpfe" sind. Der Gelehrte, der uns die griechischen Götter in
Wasser aufgelöst, der Mitarbeiter der Kieler Zeitung, der uns so scharfsinnig
am Stettiner Polizeidirector die staatenbildende Kraft des Schleswig-holsteinischen
„Stammes" nachgewiesen, der Redner, der auch jetzt wieder höchst weise über
deutsche Stämme und Staatenbildung sprach, hatte unzweifelhaft ein Recht, von
Unklarheit bei uns zu reden. Aber es war doch ein eigenes Zusammentreffen,
daß gerade an dem Tage dieser Leistung die Nummer der Elberfelder Zeitung mit
dem häßlichen Brief Schleidens hier eintreffen mußte, in welchem gebeten wird,
Professor Forchhammer sofort von London abzuberufen, weil „es ihm an po¬
litischer Einsicht fehlt", weil er „hier überhaupt mehr schadet als nützt", und
weil „das Geld, welches sein hiesiger Aufenthalt kostet, nicht nur weggeworfen,
sondern geradezu schädlich angewendet ist". Böser Schleiden! Armer Peter
Forchhammer!
Is*
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