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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Nordschleswig war kein glücklicher Gedanke, oder sollte Frankreichs Stellung
zur Sache sie nothwendig gemacht haben? Wo nicht, so hat man sich damit
nur geschadet; denn ein großer Theil der dcutschgesinnten Schleswiger ist da¬
durch erbittert worden, während kaum anzunehmen ist, daß die dänischge¬
sinnten dadurch gewonnen worden sind. Freilich kommt zuletzt auf den guten
oder bösen Willen jener nicht allzuviel an, aber man hat den Kielern Gelegen¬
heit geschaffen, wieder einmal in den Mantel der Tugend gehüllt mit Fingern
auf das böse Preußen zu weisen, welches immer noch an Abtretung eines
Stücks von Schleswig denkt, um sich Napoleons Einwilligung zur Annectirung
des Rehes zu erkaufen. Der Brief Schleidens riß ein garstiges Loch in jenen
schönen Mantel, ich fürchte aber, daß es bei der fast allgemeinen Verblendung hier
nur die sehen, die über das, was erverhüllt, über das Streben, den Erbprinzen umjeden
Preis zum souveränen Herzog zu machen, schon vorMonaten rieseln Zweifel waren.

Ein anderes Beispiel preußischen Ungeschicks in der Behandlung der
hiesigen öffentlichen Meinung ist folgendes. Wie Sie vielleicht wissen, soll hier
am 18. Juli die Wauderversammlung deutscher Kunstgenossen stattfinden. Nun
hatte sich zu dem Zwecke hier ein Comite gebildet, welches ein sehr anerkennens-
wertheS Programm entwarf, so daß das Fest, wenn dieses Programm zur Aus-
führung käme, recht gut ausfallen würde. Dazu gehören aber 6000 Mark;
denn es ist eine Tour nach Schleswig zur Enthüllung des Karstens-Denkmals
und eine Seefahrt nach den Düppelhöhen projectirt, und so war man genöthigt,
sich um eine Beihilfe an die Regierung zu wenden. Die zu dem Zwecke ab¬
geordnete Deputation traf Zedlitz auf dem Bahnhof im Begriff abzureisen,
hatte aber noch Zeit, ihm ihren Wunsch vorzutragen. Sie erhielt zur Antwort,
die Geldbewilligung hinge davon ab, wie die Kieler sich am 6. Juli verhalten
würden; kämen wieder ungehörige Demonstrationen vor, so verabfolge er nicht
einen Schilling. Hierauf verabschiedeten sich die Herren in aller Kürze und
gingen zu Halbhuber, der sehr leutselig war, sich dahin äußerte, sein Herr
College habe sich die Sache wohl nicht recht überlegt, und daran die erfreuliche
Bemerkung knüpfte, wenn er allein zu entscheiden hätte, so wäre die Angelegen¬
heit in ein paar Minuten geordnet. Nun bestand aber die Deputation keines¬
wegs aus Preußenfeinden. Im Comite war ein Vorschlag Pastor Schraders,
bei dem Festmahl den ersten Toast auf den Herzog auszubringen, trotzdem,
daß Professor Behn ihn unterstützt, ohne Weiteres abgewiesen worden, und
man hatte beschlossen, von der Feier überhaupt alle augustenburgischen Demon¬
strationen fernzuhalten. Es war also hier jedenfalls unpolitisch, zu drohen
und eine Bedingung zu stellen, die überflüssig war. Die Augustenburgischen
wurden damit herausgefordert, nun den 6. Juli erst recht zu feiern, und die
Wanderversammlung wird in ihren etwaigen Sympathien für Preußen dadurch
auch nicht gerade bestärkt werden, endlich aber ist Gefahr vorhanden, daß das


Nordschleswig war kein glücklicher Gedanke, oder sollte Frankreichs Stellung
zur Sache sie nothwendig gemacht haben? Wo nicht, so hat man sich damit
nur geschadet; denn ein großer Theil der dcutschgesinnten Schleswiger ist da¬
durch erbittert worden, während kaum anzunehmen ist, daß die dänischge¬
sinnten dadurch gewonnen worden sind. Freilich kommt zuletzt auf den guten
oder bösen Willen jener nicht allzuviel an, aber man hat den Kielern Gelegen¬
heit geschaffen, wieder einmal in den Mantel der Tugend gehüllt mit Fingern
auf das böse Preußen zu weisen, welches immer noch an Abtretung eines
Stücks von Schleswig denkt, um sich Napoleons Einwilligung zur Annectirung
des Rehes zu erkaufen. Der Brief Schleidens riß ein garstiges Loch in jenen
schönen Mantel, ich fürchte aber, daß es bei der fast allgemeinen Verblendung hier
nur die sehen, die über das, was erverhüllt, über das Streben, den Erbprinzen umjeden
Preis zum souveränen Herzog zu machen, schon vorMonaten rieseln Zweifel waren.

Ein anderes Beispiel preußischen Ungeschicks in der Behandlung der
hiesigen öffentlichen Meinung ist folgendes. Wie Sie vielleicht wissen, soll hier
am 18. Juli die Wauderversammlung deutscher Kunstgenossen stattfinden. Nun
hatte sich zu dem Zwecke hier ein Comite gebildet, welches ein sehr anerkennens-
wertheS Programm entwarf, so daß das Fest, wenn dieses Programm zur Aus-
führung käme, recht gut ausfallen würde. Dazu gehören aber 6000 Mark;
denn es ist eine Tour nach Schleswig zur Enthüllung des Karstens-Denkmals
und eine Seefahrt nach den Düppelhöhen projectirt, und so war man genöthigt,
sich um eine Beihilfe an die Regierung zu wenden. Die zu dem Zwecke ab¬
geordnete Deputation traf Zedlitz auf dem Bahnhof im Begriff abzureisen,
hatte aber noch Zeit, ihm ihren Wunsch vorzutragen. Sie erhielt zur Antwort,
die Geldbewilligung hinge davon ab, wie die Kieler sich am 6. Juli verhalten
würden; kämen wieder ungehörige Demonstrationen vor, so verabfolge er nicht
einen Schilling. Hierauf verabschiedeten sich die Herren in aller Kürze und
gingen zu Halbhuber, der sehr leutselig war, sich dahin äußerte, sein Herr
College habe sich die Sache wohl nicht recht überlegt, und daran die erfreuliche
Bemerkung knüpfte, wenn er allein zu entscheiden hätte, so wäre die Angelegen¬
heit in ein paar Minuten geordnet. Nun bestand aber die Deputation keines¬
wegs aus Preußenfeinden. Im Comite war ein Vorschlag Pastor Schraders,
bei dem Festmahl den ersten Toast auf den Herzog auszubringen, trotzdem,
daß Professor Behn ihn unterstützt, ohne Weiteres abgewiesen worden, und
man hatte beschlossen, von der Feier überhaupt alle augustenburgischen Demon¬
strationen fernzuhalten. Es war also hier jedenfalls unpolitisch, zu drohen
und eine Bedingung zu stellen, die überflüssig war. Die Augustenburgischen
wurden damit herausgefordert, nun den 6. Juli erst recht zu feiern, und die
Wanderversammlung wird in ihren etwaigen Sympathien für Preußen dadurch
auch nicht gerade bestärkt werden, endlich aber ist Gefahr vorhanden, daß das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/122>, abgerufen am 15.01.2025.