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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Ueberzeuzt die Staatsregierung sich dann, daß in Wahrheit die Verfassung
ihrem Vorgehen entgegensteht, so bleibt ihr, wie Herr von Bismark oben
sagt, nur noch der Weg der Gesetzesänderung. Nun, wähle das preußische
Volk nur seine verfassungstreuen Vertreter, unbeirrt durch neue Wahlgesetze,
wieder, so zweifeln wir heute nicht mehr, daß auch dieser Weg der Regierung
versagt und daß der Artikel 84 der Verfassung siegreich bestehen bleibt. Ueber¬
windet er diesen Angriff, so ist er künftig unangreifbar; denn jeder Preuße
weiß dann, was er uns ist.

So gewinnt unsere ganze Verfassung nur durch den Verfassungskampf wahres
Leben im Volke.




CorresMoenz aus

Wenn ich Ihnen eine längere Zeit nicht über unsere Zustände berichtet
habe, so war es, weit sich nichts Wichtiges berichten ließ. Auch jetzt ist nicht
viel mehr zu sagen, als daß die Lage der Dinge, soweit wir darunter nur
die innern Verhältnisse verstehen, sich wenig geändert hat, wie sie sich denn
überhaupt nicht eher viel anders gestalten wird, als bis Preußen sich entweder
durch Verständigung mit Oestreich oder trotz Oestreich und seinemßetwaigen An¬
hang die Möglichkeit verschafft, mit ernsten durchgreifenden Maßregeln gegen
die dynastisch-particularistische Partei und den von derselben geübten Terroris¬
mus vorzugehen. Die Meinung, daß der gesunde Menschenverstand sich all-
mälig von selbst Bahn brechen und zu seinem Rechte gelangen werde, daß das
Volk endlich wenigstens in der Mehrzahl der an politischen Angelegenheiten
Theilnehmenden erkennen werde, was die in Kiel verfolgten Zwecke in Wahrheit
sind, und wie wenig Aussicht diese Zwecke auf Verwirklichung haben, wie wenig
sie dem Interesse des Landes entsprechen -- diese vermuthlich auch in Berlin ge¬
hegte Meinung beruht auf einem Irrthum, mindestens geht es mit ihrer Ver¬
wirklichung sehr langsam, und zwar, wie ich wiederholen muß, nicht so sehr,
weil es an Verstand, als weil es der seit lange schon mit allen demagogischen
Künsten bearbeiteten und fortwährend in Vereinen und Versammlungen von
Neuem gegen die preußischen Ansprüche aufgestachelter gedankenlosen Masse
gegenüber an Muth fehlt.

Wagt jemand, sich zu dem Programm der nationalen zu bekennen, so hat


Ueberzeuzt die Staatsregierung sich dann, daß in Wahrheit die Verfassung
ihrem Vorgehen entgegensteht, so bleibt ihr, wie Herr von Bismark oben
sagt, nur noch der Weg der Gesetzesänderung. Nun, wähle das preußische
Volk nur seine verfassungstreuen Vertreter, unbeirrt durch neue Wahlgesetze,
wieder, so zweifeln wir heute nicht mehr, daß auch dieser Weg der Regierung
versagt und daß der Artikel 84 der Verfassung siegreich bestehen bleibt. Ueber¬
windet er diesen Angriff, so ist er künftig unangreifbar; denn jeder Preuße
weiß dann, was er uns ist.

So gewinnt unsere ganze Verfassung nur durch den Verfassungskampf wahres
Leben im Volke.




CorresMoenz aus

Wenn ich Ihnen eine längere Zeit nicht über unsere Zustände berichtet
habe, so war es, weit sich nichts Wichtiges berichten ließ. Auch jetzt ist nicht
viel mehr zu sagen, als daß die Lage der Dinge, soweit wir darunter nur
die innern Verhältnisse verstehen, sich wenig geändert hat, wie sie sich denn
überhaupt nicht eher viel anders gestalten wird, als bis Preußen sich entweder
durch Verständigung mit Oestreich oder trotz Oestreich und seinemßetwaigen An¬
hang die Möglichkeit verschafft, mit ernsten durchgreifenden Maßregeln gegen
die dynastisch-particularistische Partei und den von derselben geübten Terroris¬
mus vorzugehen. Die Meinung, daß der gesunde Menschenverstand sich all-
mälig von selbst Bahn brechen und zu seinem Rechte gelangen werde, daß das
Volk endlich wenigstens in der Mehrzahl der an politischen Angelegenheiten
Theilnehmenden erkennen werde, was die in Kiel verfolgten Zwecke in Wahrheit
sind, und wie wenig Aussicht diese Zwecke auf Verwirklichung haben, wie wenig
sie dem Interesse des Landes entsprechen — diese vermuthlich auch in Berlin ge¬
hegte Meinung beruht auf einem Irrthum, mindestens geht es mit ihrer Ver¬
wirklichung sehr langsam, und zwar, wie ich wiederholen muß, nicht so sehr,
weil es an Verstand, als weil es der seit lange schon mit allen demagogischen
Künsten bearbeiteten und fortwährend in Vereinen und Versammlungen von
Neuem gegen die preußischen Ansprüche aufgestachelter gedankenlosen Masse
gegenüber an Muth fehlt.

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[0120] Ueberzeuzt die Staatsregierung sich dann, daß in Wahrheit die Verfassung ihrem Vorgehen entgegensteht, so bleibt ihr, wie Herr von Bismark oben sagt, nur noch der Weg der Gesetzesänderung. Nun, wähle das preußische Volk nur seine verfassungstreuen Vertreter, unbeirrt durch neue Wahlgesetze, wieder, so zweifeln wir heute nicht mehr, daß auch dieser Weg der Regierung versagt und daß der Artikel 84 der Verfassung siegreich bestehen bleibt. Ueber¬ windet er diesen Angriff, so ist er künftig unangreifbar; denn jeder Preuße weiß dann, was er uns ist. So gewinnt unsere ganze Verfassung nur durch den Verfassungskampf wahres Leben im Volke. CorresMoenz aus Wenn ich Ihnen eine längere Zeit nicht über unsere Zustände berichtet habe, so war es, weit sich nichts Wichtiges berichten ließ. Auch jetzt ist nicht viel mehr zu sagen, als daß die Lage der Dinge, soweit wir darunter nur die innern Verhältnisse verstehen, sich wenig geändert hat, wie sie sich denn überhaupt nicht eher viel anders gestalten wird, als bis Preußen sich entweder durch Verständigung mit Oestreich oder trotz Oestreich und seinemßetwaigen An¬ hang die Möglichkeit verschafft, mit ernsten durchgreifenden Maßregeln gegen die dynastisch-particularistische Partei und den von derselben geübten Terroris¬ mus vorzugehen. Die Meinung, daß der gesunde Menschenverstand sich all- mälig von selbst Bahn brechen und zu seinem Rechte gelangen werde, daß das Volk endlich wenigstens in der Mehrzahl der an politischen Angelegenheiten Theilnehmenden erkennen werde, was die in Kiel verfolgten Zwecke in Wahrheit sind, und wie wenig Aussicht diese Zwecke auf Verwirklichung haben, wie wenig sie dem Interesse des Landes entsprechen — diese vermuthlich auch in Berlin ge¬ hegte Meinung beruht auf einem Irrthum, mindestens geht es mit ihrer Ver¬ wirklichung sehr langsam, und zwar, wie ich wiederholen muß, nicht so sehr, weil es an Verstand, als weil es der seit lange schon mit allen demagogischen Künsten bearbeiteten und fortwährend in Vereinen und Versammlungen von Neuem gegen die preußischen Ansprüche aufgestachelter gedankenlosen Masse gegenüber an Muth fehlt. Wagt jemand, sich zu dem Programm der nationalen zu bekennen, so hat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/120>, abgerufen am 15.01.2025.