Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.und verhindert, dah die Sorge um das persönliche Schicksal in so vielen un¬ Wenn so in den Formen die Anarchie einreiht, ohne daß doch die wesent- Auf gleiche Art sollten die National gesinnten, d. h. diejenigen, Die Gesammtheit aber, die liberale Majorität, sollte neben solchen engern und verhindert, dah die Sorge um das persönliche Schicksal in so vielen un¬ Wenn so in den Formen die Anarchie einreiht, ohne daß doch die wesent- Auf gleiche Art sollten die National gesinnten, d. h. diejenigen, Die Gesammtheit aber, die liberale Majorität, sollte neben solchen engern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0012" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283365"/> <p xml:id="ID_14" prev="#ID_13"> und verhindert, dah die Sorge um das persönliche Schicksal in so vielen un¬<lb/> bemittelten Beamten ansteckend übermächtig werde. Mit Ausnahme dieses<lb/> Unterschiedes aber und seiner unvermeidlichen Folgen wird niemand eine wesent¬<lb/> liche, charakteristische Differenz zwischen den beiden großen liberalen Clubs an¬<lb/> zugeben im Stande sein. Ihre selbständige Bedeutung hat sich während dieser<lb/> Session bis auf den letzten Rest verflüchtigt; die politische Anziehungskraft hat<lb/> sich in kleinere Kreise verlegt, die zum Theil nicht viel anders entstanden sein<lb/> mögen als durch den zufälligen Verkehr am Mittagstisch oder in der Abend¬<lb/> kneipe.</p><lb/> <p xml:id="ID_15"> Wenn so in den Formen die Anarchie einreiht, ohne daß doch die wesent-<lb/> lichen sachlichen Gründe für das Zusammengehen aufgehört hätten zu wirken,<lb/> so bedarf es vor allem einer neuen Gruppirung und Organisation. Es muß<lb/> eine frische Vertheilung der Massen vorgenommen werden, und eine feste<lb/> Führerschaft muß sich bilden. Waldeck und Schulze-Delitzsch, Tochter und<lb/> Ziegler, Löwe und Becker gehören vielleicht immer noch in dieselbe allgemeine<lb/> Partei, solange die Verfassung nicht in ihre volle Kraft und Geltung wieder¬<lb/> eingesetzt worden ist, — aber nicht in denselben parlamentarischen Club. Ihre<lb/> Vereinigung zu einem solchen stärkt nicht, sondern schwächt die Gesammtkraft<lb/> der Partei, weil es die nothwendige Ausgleichung zwischen den in ihr coope-<lb/> rirenden verschiedenen Richtungen in zahllose Einzelkampfe zerreißt, anstatt daß<lb/> sie lediglich einmal, von Fraction zu Fraction stattfinden sollte. Es ist mög¬<lb/> lich, daß sich die Grundgedanken bisher noch nicht in allen Einzelnen hinläng¬<lb/> lich klar herausgebildet hatten. Die Schleswig.holsteinische Krisis mag auch hier<lb/> die Entwickelung für eine Weile unterbrochen und abgelenkt haben. Aber jetzt<lb/> haben sich die Dinge wieder nach ihrer natürlichen Schwerkraft zurechtgerückt,<lb/> das neue Element hat Zeit gehabt auch von einer trägeren Verdauung verar¬<lb/> beitet zu werden, und die lange aufgeschobene Auseinandersetzung in der Fort¬<lb/> schrittspartei, begleitet und erleichtert durch eine ähnliche im linken Centrum,<lb/> wird nun endlich erfolgen müssen. Die radicalen Freihändler Prince-Smith,<lb/> Faucher, Michaelis und Genossen sind ja bereits mit gutem Beispiel voran¬<lb/> gegangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_16"> Auf gleiche Art sollten die National gesinnten, d. h. diejenigen,<lb/> denen das Vorwärtskommen Preußens in Deutschland und zu¬<lb/> nächst in Schleswig-Holstein höher steht als der Ausbau des<lb/> preuß isch en Rechtsstaats, ihre Stärke in ein er Absonderung suchen,<lb/> die ihnen erlauben würde, die Güte ihrer Sache ungebrochen dar¬<lb/> zuthun, bevor sie sich etwa, um praktische Ergebnisse zu ge¬<lb/> winnen, mit weniger patriotischen Tendenzen auf Compromisse<lb/> einlassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_17" next="#ID_18"> Die Gesammtheit aber, die liberale Majorität, sollte neben solchen engern</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
und verhindert, dah die Sorge um das persönliche Schicksal in so vielen un¬
bemittelten Beamten ansteckend übermächtig werde. Mit Ausnahme dieses
Unterschiedes aber und seiner unvermeidlichen Folgen wird niemand eine wesent¬
liche, charakteristische Differenz zwischen den beiden großen liberalen Clubs an¬
zugeben im Stande sein. Ihre selbständige Bedeutung hat sich während dieser
Session bis auf den letzten Rest verflüchtigt; die politische Anziehungskraft hat
sich in kleinere Kreise verlegt, die zum Theil nicht viel anders entstanden sein
mögen als durch den zufälligen Verkehr am Mittagstisch oder in der Abend¬
kneipe.
Wenn so in den Formen die Anarchie einreiht, ohne daß doch die wesent-
lichen sachlichen Gründe für das Zusammengehen aufgehört hätten zu wirken,
so bedarf es vor allem einer neuen Gruppirung und Organisation. Es muß
eine frische Vertheilung der Massen vorgenommen werden, und eine feste
Führerschaft muß sich bilden. Waldeck und Schulze-Delitzsch, Tochter und
Ziegler, Löwe und Becker gehören vielleicht immer noch in dieselbe allgemeine
Partei, solange die Verfassung nicht in ihre volle Kraft und Geltung wieder¬
eingesetzt worden ist, — aber nicht in denselben parlamentarischen Club. Ihre
Vereinigung zu einem solchen stärkt nicht, sondern schwächt die Gesammtkraft
der Partei, weil es die nothwendige Ausgleichung zwischen den in ihr coope-
rirenden verschiedenen Richtungen in zahllose Einzelkampfe zerreißt, anstatt daß
sie lediglich einmal, von Fraction zu Fraction stattfinden sollte. Es ist mög¬
lich, daß sich die Grundgedanken bisher noch nicht in allen Einzelnen hinläng¬
lich klar herausgebildet hatten. Die Schleswig.holsteinische Krisis mag auch hier
die Entwickelung für eine Weile unterbrochen und abgelenkt haben. Aber jetzt
haben sich die Dinge wieder nach ihrer natürlichen Schwerkraft zurechtgerückt,
das neue Element hat Zeit gehabt auch von einer trägeren Verdauung verar¬
beitet zu werden, und die lange aufgeschobene Auseinandersetzung in der Fort¬
schrittspartei, begleitet und erleichtert durch eine ähnliche im linken Centrum,
wird nun endlich erfolgen müssen. Die radicalen Freihändler Prince-Smith,
Faucher, Michaelis und Genossen sind ja bereits mit gutem Beispiel voran¬
gegangen.
Auf gleiche Art sollten die National gesinnten, d. h. diejenigen,
denen das Vorwärtskommen Preußens in Deutschland und zu¬
nächst in Schleswig-Holstein höher steht als der Ausbau des
preuß isch en Rechtsstaats, ihre Stärke in ein er Absonderung suchen,
die ihnen erlauben würde, die Güte ihrer Sache ungebrochen dar¬
zuthun, bevor sie sich etwa, um praktische Ergebnisse zu ge¬
winnen, mit weniger patriotischen Tendenzen auf Compromisse
einlassen.
Die Gesammtheit aber, die liberale Majorität, sollte neben solchen engern
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