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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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auszuführen. Diese für die Zukunft höchst wichtige Billigung der obigen Aus¬
legung an entscheidender Stelle verdient hier einen Augenblick nähere Auf¬
merksamkeit.

Der Abgeordnete der zweiten Kammer Aldenhoven äußerte in der Sitzung
des Hauses vom 1. Februar 18S3 in seiner Rede über einen Bericht des Ministers
des Innern: "das ist eine Handlungsweise des Ministers, wofür ich keinen
parlamentarischen Ausdruck finde, weil ich keinen kenne für die absichtliche Ent¬
stellung der Wahrheit." Als über den Sinn dieser Worte Streit entstand,
sagte Aldenhoven: "Ich habe mich bemüht, darzuthun, daß nach meiner Aus¬
fassung der Minister des Innern durch die Vorgänge in der zweiten Kammer
die Ueberzeugung hätte haben müssen, daß dasjenige, was er am 17. Juni 1862
berichtet hatte, nicht die Wahrheit gewesen, und ich habe daran anknüpfend
gesagt, daß ich mich alsdann außer Stande. finde, einen parlamentarischen
Ausdruck zu finden, der für die absichtliche Entstellung der Wahrheit Paßt."
Darauf erklärte derselbe, er habe hiermit eine Beleidigung nicht aussprechen
wollen. Der Präsident der Kammer erachtete hiermit die Sache für erledigt;
die Worte Aldenhovens hätten den Ordnungsruf verdient und würden ihn er¬
halten haben, wenn er, der Präsident, sie gehört hätte, was-nicht der Fall sei.
Der Ministerpräsident behielt sich eine anderweite Verfolgung der Sache
vor, und suchte dann um Genehmigung des Hauses zur gerichtlichen Verfolgung
Aldenhovens wegen Beleidigung und Verleumdung des Ministers des Innern
nach. Die Verfassungscvmmission des notorisch damals gegen die Regierung all¬
gefügigen Hauses beantragte im Bericht vom 22. April 18S3, diese Genehmigung
Seitens des Hauses zu ertheilen, indem sie darzuthun suchte, daß laut unsrer
Verfassung die Abgeordneten für die in ihren Kammerreden begangenen straf¬
baren Handlungen verantwortlich seien. Das Plenum des Hauses konnte sich
damals über die Frage nicht erklären, weil zuvor das Staatsministerium den
obigen Antrag zurückzog. Nach dem Schluß der Sitzungsperiode wurde darauf
die Anklage gegen Aldenhoven erhoben, dieser verneinte vor dem Untersuchungs¬
richter die Absicht der Verleumdung des Ministers, berief sich aber gegen jedes
gerichtliche Verfahren auf Art. 84 der Verfassung, nach welchem über seine
straffälligen Worte bereits in der Sitzung vom 1. Februar 1883 das Präsidium
des Hauses entschieden habe.

Die Nathskammer des Landgerichts zu Düsseldorf lehnte hierauf den An¬
trag der Staatsanwaltschaft auf Verweisung vor das Zuchtpolizeigericht ab und
sistirte das Verfahren durch Beschluß, weil die fraglichen Worte die Meinung des
Abgeordneten A. über die Handlungsweise des Ministers enthielten, die nach
Art. 84 der Verfassungsmkunde kein Gegenstand der gerichtlichen Verfolgung
werden könne. Hiergegen beschult die Staatsanwaltschaft die zweite Instanz,
allein der Anklagesenat des Appellationsgerichtshofes zu Köln verwarf am 1. Juli


auszuführen. Diese für die Zukunft höchst wichtige Billigung der obigen Aus¬
legung an entscheidender Stelle verdient hier einen Augenblick nähere Auf¬
merksamkeit.

Der Abgeordnete der zweiten Kammer Aldenhoven äußerte in der Sitzung
des Hauses vom 1. Februar 18S3 in seiner Rede über einen Bericht des Ministers
des Innern: „das ist eine Handlungsweise des Ministers, wofür ich keinen
parlamentarischen Ausdruck finde, weil ich keinen kenne für die absichtliche Ent¬
stellung der Wahrheit." Als über den Sinn dieser Worte Streit entstand,
sagte Aldenhoven: „Ich habe mich bemüht, darzuthun, daß nach meiner Aus¬
fassung der Minister des Innern durch die Vorgänge in der zweiten Kammer
die Ueberzeugung hätte haben müssen, daß dasjenige, was er am 17. Juni 1862
berichtet hatte, nicht die Wahrheit gewesen, und ich habe daran anknüpfend
gesagt, daß ich mich alsdann außer Stande. finde, einen parlamentarischen
Ausdruck zu finden, der für die absichtliche Entstellung der Wahrheit Paßt."
Darauf erklärte derselbe, er habe hiermit eine Beleidigung nicht aussprechen
wollen. Der Präsident der Kammer erachtete hiermit die Sache für erledigt;
die Worte Aldenhovens hätten den Ordnungsruf verdient und würden ihn er¬
halten haben, wenn er, der Präsident, sie gehört hätte, was-nicht der Fall sei.
Der Ministerpräsident behielt sich eine anderweite Verfolgung der Sache
vor, und suchte dann um Genehmigung des Hauses zur gerichtlichen Verfolgung
Aldenhovens wegen Beleidigung und Verleumdung des Ministers des Innern
nach. Die Verfassungscvmmission des notorisch damals gegen die Regierung all¬
gefügigen Hauses beantragte im Bericht vom 22. April 18S3, diese Genehmigung
Seitens des Hauses zu ertheilen, indem sie darzuthun suchte, daß laut unsrer
Verfassung die Abgeordneten für die in ihren Kammerreden begangenen straf¬
baren Handlungen verantwortlich seien. Das Plenum des Hauses konnte sich
damals über die Frage nicht erklären, weil zuvor das Staatsministerium den
obigen Antrag zurückzog. Nach dem Schluß der Sitzungsperiode wurde darauf
die Anklage gegen Aldenhoven erhoben, dieser verneinte vor dem Untersuchungs¬
richter die Absicht der Verleumdung des Ministers, berief sich aber gegen jedes
gerichtliche Verfahren auf Art. 84 der Verfassung, nach welchem über seine
straffälligen Worte bereits in der Sitzung vom 1. Februar 1883 das Präsidium
des Hauses entschieden habe.

Die Nathskammer des Landgerichts zu Düsseldorf lehnte hierauf den An¬
trag der Staatsanwaltschaft auf Verweisung vor das Zuchtpolizeigericht ab und
sistirte das Verfahren durch Beschluß, weil die fraglichen Worte die Meinung des
Abgeordneten A. über die Handlungsweise des Ministers enthielten, die nach
Art. 84 der Verfassungsmkunde kein Gegenstand der gerichtlichen Verfolgung
werden könne. Hiergegen beschult die Staatsanwaltschaft die zweite Instanz,
allein der Anklagesenat des Appellationsgerichtshofes zu Köln verwarf am 1. Juli


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[0116] auszuführen. Diese für die Zukunft höchst wichtige Billigung der obigen Aus¬ legung an entscheidender Stelle verdient hier einen Augenblick nähere Auf¬ merksamkeit. Der Abgeordnete der zweiten Kammer Aldenhoven äußerte in der Sitzung des Hauses vom 1. Februar 18S3 in seiner Rede über einen Bericht des Ministers des Innern: „das ist eine Handlungsweise des Ministers, wofür ich keinen parlamentarischen Ausdruck finde, weil ich keinen kenne für die absichtliche Ent¬ stellung der Wahrheit." Als über den Sinn dieser Worte Streit entstand, sagte Aldenhoven: „Ich habe mich bemüht, darzuthun, daß nach meiner Aus¬ fassung der Minister des Innern durch die Vorgänge in der zweiten Kammer die Ueberzeugung hätte haben müssen, daß dasjenige, was er am 17. Juni 1862 berichtet hatte, nicht die Wahrheit gewesen, und ich habe daran anknüpfend gesagt, daß ich mich alsdann außer Stande. finde, einen parlamentarischen Ausdruck zu finden, der für die absichtliche Entstellung der Wahrheit Paßt." Darauf erklärte derselbe, er habe hiermit eine Beleidigung nicht aussprechen wollen. Der Präsident der Kammer erachtete hiermit die Sache für erledigt; die Worte Aldenhovens hätten den Ordnungsruf verdient und würden ihn er¬ halten haben, wenn er, der Präsident, sie gehört hätte, was-nicht der Fall sei. Der Ministerpräsident behielt sich eine anderweite Verfolgung der Sache vor, und suchte dann um Genehmigung des Hauses zur gerichtlichen Verfolgung Aldenhovens wegen Beleidigung und Verleumdung des Ministers des Innern nach. Die Verfassungscvmmission des notorisch damals gegen die Regierung all¬ gefügigen Hauses beantragte im Bericht vom 22. April 18S3, diese Genehmigung Seitens des Hauses zu ertheilen, indem sie darzuthun suchte, daß laut unsrer Verfassung die Abgeordneten für die in ihren Kammerreden begangenen straf¬ baren Handlungen verantwortlich seien. Das Plenum des Hauses konnte sich damals über die Frage nicht erklären, weil zuvor das Staatsministerium den obigen Antrag zurückzog. Nach dem Schluß der Sitzungsperiode wurde darauf die Anklage gegen Aldenhoven erhoben, dieser verneinte vor dem Untersuchungs¬ richter die Absicht der Verleumdung des Ministers, berief sich aber gegen jedes gerichtliche Verfahren auf Art. 84 der Verfassung, nach welchem über seine straffälligen Worte bereits in der Sitzung vom 1. Februar 1883 das Präsidium des Hauses entschieden habe. Die Nathskammer des Landgerichts zu Düsseldorf lehnte hierauf den An¬ trag der Staatsanwaltschaft auf Verweisung vor das Zuchtpolizeigericht ab und sistirte das Verfahren durch Beschluß, weil die fraglichen Worte die Meinung des Abgeordneten A. über die Handlungsweise des Ministers enthielten, die nach Art. 84 der Verfassungsmkunde kein Gegenstand der gerichtlichen Verfolgung werden könne. Hiergegen beschult die Staatsanwaltschaft die zweite Instanz, allein der Anklagesenat des Appellationsgerichtshofes zu Köln verwarf am 1. Juli

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/116>, abgerufen am 24.01.2025.