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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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ausgearbeiteten, bis jetzt (Mitte März) wohl nur Wenigen zugänglichen
Denkschrift*) nicht unwillkommen zu sein.

Es ist wahr, besser wäre gewesen, wenn Nichtkieler die Sache vertreten
hätten; denn immer erweckt es ungünstige Vorurtheile, wenn jemand einen
Plan für den besten unter mehren angesehen wissen will, der ihm Nutzen ver¬
heißt. Auch wird man die berliner Gegenpartei erst mit allem, was sie vor¬
zubringen hat, hören müssen, bevor sich ein vollkommen sicheres Urtheil bilden
läßt. Indeß sind die Verfasser unserer Schrift mit lobenswerther Gründlichkeit
und nicht weniger gewinnender Mäßigung zu Werke gegangen, ihre Darstellung
der Sachlage, auf wiederholter sorgfältiger Prüfung aller einschlagenden Ver¬
hältnisse beruhend, leuchtet in allen Punkten ein und möchte kaum in irgend¬
einem ihrer Hauptpunkte zu entkräften sein, und so stehen wir nicht an, uns
im Voraus für bis auf Weiteres mit ihnen einverstanden zu erklären. Jeden¬
falls werden sie das Verdienst behalten, die Gegner zu gleich ausführlicher Be¬
gründung ihrer Ansicht genöthigt und vortreffliches Material geliefert zu haben,
wenn es deren Ansicht weiter zu würdigen gilt.

Die Kanalfrage steht jetzt so. Von mehr als einem Dutzend Projecten,
die im Laufe der Zeit auftraten, handelt es sich eigentlich und im Ernst nur
noch um drei: um die Linien Eckernförde-Schleswig-Husum, Eckernförde-
St. Margarethen und kieler Hafen-brunsbüitler Koog. Die erste, schon früher
wiederholt empfohlen, ist jetzt wieder von einem Herrn v. Puttkammer aus
Pommern befürwortet und von einem holländischen Ingenieur untersucht worden.
Die zweite, das Project eines in Berlin zusammengetretenen Comites, wurde
im vorigen Spätherbst von dem Geh. Baurath Lentzc geprüft und für die
geeignetste erklärt. Die dritte ist der Wunsch der Kieler (wir glauben, mit
alleiniger Ausnahme der Umgebung des Herzogs, welche die Preußen mit ihren
Hafen- und Kanalplänen am liebsten möglichst weit weg von Kiel hätte) und
ihre Wahl Ziel und Zweck unsrer Denkschrift.

Die wenigste Aussicht auf Verwirklichung hat die zuerst genannte Linie.
Die zweite würde zunächst wegen der zu nördlichen Lage ihrer östlichen Hälfte
politisch-militärische Gründe gegen sich haben und, falls der Kanal so auf ihr
ausgeführt würde, wie Herr Leutze ihn zu bauen gedenkt, sich auch damit an¬
fechten lassen, daß sie nicht rentabel wäre. Die dritte scheint allen Anforderugen
zu entsprechen.



') Dieselbe ist eben erst versandt und trägt den Titel: "Denkschrift über den großen
norddeutschen Kanal zwischen brunsbüttlcr Koog an der Elbe und dem kieler Hafen, Heraus¬
gegeben von dem kieler Comite für den Kannlbau. 14 Bogen 4°. Mit 9 Blatt Karten und
Plänen. Kiel, Schwerssche Buchhandlung. Der Verfasser des Haupttheilö derselben ist nicht
genannt; der angehängte technische Bericht rührt von dem Oberbaudircctor E. Christcnsen her.

ausgearbeiteten, bis jetzt (Mitte März) wohl nur Wenigen zugänglichen
Denkschrift*) nicht unwillkommen zu sein.

Es ist wahr, besser wäre gewesen, wenn Nichtkieler die Sache vertreten
hätten; denn immer erweckt es ungünstige Vorurtheile, wenn jemand einen
Plan für den besten unter mehren angesehen wissen will, der ihm Nutzen ver¬
heißt. Auch wird man die berliner Gegenpartei erst mit allem, was sie vor¬
zubringen hat, hören müssen, bevor sich ein vollkommen sicheres Urtheil bilden
läßt. Indeß sind die Verfasser unserer Schrift mit lobenswerther Gründlichkeit
und nicht weniger gewinnender Mäßigung zu Werke gegangen, ihre Darstellung
der Sachlage, auf wiederholter sorgfältiger Prüfung aller einschlagenden Ver¬
hältnisse beruhend, leuchtet in allen Punkten ein und möchte kaum in irgend¬
einem ihrer Hauptpunkte zu entkräften sein, und so stehen wir nicht an, uns
im Voraus für bis auf Weiteres mit ihnen einverstanden zu erklären. Jeden¬
falls werden sie das Verdienst behalten, die Gegner zu gleich ausführlicher Be¬
gründung ihrer Ansicht genöthigt und vortreffliches Material geliefert zu haben,
wenn es deren Ansicht weiter zu würdigen gilt.

Die Kanalfrage steht jetzt so. Von mehr als einem Dutzend Projecten,
die im Laufe der Zeit auftraten, handelt es sich eigentlich und im Ernst nur
noch um drei: um die Linien Eckernförde-Schleswig-Husum, Eckernförde-
St. Margarethen und kieler Hafen-brunsbüitler Koog. Die erste, schon früher
wiederholt empfohlen, ist jetzt wieder von einem Herrn v. Puttkammer aus
Pommern befürwortet und von einem holländischen Ingenieur untersucht worden.
Die zweite, das Project eines in Berlin zusammengetretenen Comites, wurde
im vorigen Spätherbst von dem Geh. Baurath Lentzc geprüft und für die
geeignetste erklärt. Die dritte ist der Wunsch der Kieler (wir glauben, mit
alleiniger Ausnahme der Umgebung des Herzogs, welche die Preußen mit ihren
Hafen- und Kanalplänen am liebsten möglichst weit weg von Kiel hätte) und
ihre Wahl Ziel und Zweck unsrer Denkschrift.

Die wenigste Aussicht auf Verwirklichung hat die zuerst genannte Linie.
Die zweite würde zunächst wegen der zu nördlichen Lage ihrer östlichen Hälfte
politisch-militärische Gründe gegen sich haben und, falls der Kanal so auf ihr
ausgeführt würde, wie Herr Leutze ihn zu bauen gedenkt, sich auch damit an¬
fechten lassen, daß sie nicht rentabel wäre. Die dritte scheint allen Anforderugen
zu entsprechen.



') Dieselbe ist eben erst versandt und trägt den Titel: „Denkschrift über den großen
norddeutschen Kanal zwischen brunsbüttlcr Koog an der Elbe und dem kieler Hafen, Heraus¬
gegeben von dem kieler Comite für den Kannlbau. 14 Bogen 4°. Mit 9 Blatt Karten und
Plänen. Kiel, Schwerssche Buchhandlung. Der Verfasser des Haupttheilö derselben ist nicht
genannt; der angehängte technische Bericht rührt von dem Oberbaudircctor E. Christcnsen her.
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[0097] ausgearbeiteten, bis jetzt (Mitte März) wohl nur Wenigen zugänglichen Denkschrift*) nicht unwillkommen zu sein. Es ist wahr, besser wäre gewesen, wenn Nichtkieler die Sache vertreten hätten; denn immer erweckt es ungünstige Vorurtheile, wenn jemand einen Plan für den besten unter mehren angesehen wissen will, der ihm Nutzen ver¬ heißt. Auch wird man die berliner Gegenpartei erst mit allem, was sie vor¬ zubringen hat, hören müssen, bevor sich ein vollkommen sicheres Urtheil bilden läßt. Indeß sind die Verfasser unserer Schrift mit lobenswerther Gründlichkeit und nicht weniger gewinnender Mäßigung zu Werke gegangen, ihre Darstellung der Sachlage, auf wiederholter sorgfältiger Prüfung aller einschlagenden Ver¬ hältnisse beruhend, leuchtet in allen Punkten ein und möchte kaum in irgend¬ einem ihrer Hauptpunkte zu entkräften sein, und so stehen wir nicht an, uns im Voraus für bis auf Weiteres mit ihnen einverstanden zu erklären. Jeden¬ falls werden sie das Verdienst behalten, die Gegner zu gleich ausführlicher Be¬ gründung ihrer Ansicht genöthigt und vortreffliches Material geliefert zu haben, wenn es deren Ansicht weiter zu würdigen gilt. Die Kanalfrage steht jetzt so. Von mehr als einem Dutzend Projecten, die im Laufe der Zeit auftraten, handelt es sich eigentlich und im Ernst nur noch um drei: um die Linien Eckernförde-Schleswig-Husum, Eckernförde- St. Margarethen und kieler Hafen-brunsbüitler Koog. Die erste, schon früher wiederholt empfohlen, ist jetzt wieder von einem Herrn v. Puttkammer aus Pommern befürwortet und von einem holländischen Ingenieur untersucht worden. Die zweite, das Project eines in Berlin zusammengetretenen Comites, wurde im vorigen Spätherbst von dem Geh. Baurath Lentzc geprüft und für die geeignetste erklärt. Die dritte ist der Wunsch der Kieler (wir glauben, mit alleiniger Ausnahme der Umgebung des Herzogs, welche die Preußen mit ihren Hafen- und Kanalplänen am liebsten möglichst weit weg von Kiel hätte) und ihre Wahl Ziel und Zweck unsrer Denkschrift. Die wenigste Aussicht auf Verwirklichung hat die zuerst genannte Linie. Die zweite würde zunächst wegen der zu nördlichen Lage ihrer östlichen Hälfte politisch-militärische Gründe gegen sich haben und, falls der Kanal so auf ihr ausgeführt würde, wie Herr Leutze ihn zu bauen gedenkt, sich auch damit an¬ fechten lassen, daß sie nicht rentabel wäre. Die dritte scheint allen Anforderugen zu entsprechen. ') Dieselbe ist eben erst versandt und trägt den Titel: „Denkschrift über den großen norddeutschen Kanal zwischen brunsbüttlcr Koog an der Elbe und dem kieler Hafen, Heraus¬ gegeben von dem kieler Comite für den Kannlbau. 14 Bogen 4°. Mit 9 Blatt Karten und Plänen. Kiel, Schwerssche Buchhandlung. Der Verfasser des Haupttheilö derselben ist nicht genannt; der angehängte technische Bericht rührt von dem Oberbaudircctor E. Christcnsen her.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/97>, abgerufen am 12.12.2024.