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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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die militärischen Gesetze und Disciplinarvorschriften nicht entgegenstehen. (Art. 39
der Verf. Art.)

Dieses Gesetz ist, nach Beseitigung des lückenhaften Gesetzes vom 24. Sep¬
tember 1848. dasjenige vom 12. Februar 1850. Es regelt in § 1--6 die
Beschränkung der Freiheit auf Grund einer richterlichen und polizeilichen Ver¬
fügung. in § 7--13 das amtliche Eindringen in eine Wohnung. Hier handelt
es sich nur um die erstere Beschränkung, welche nach dem Gesetze in drei Arten
zerfällt, 1) die Verhaftung kraft eines schriftlichen richterlichen Befehles,
2) die vorläufige Ergreifung und Festnahme ohne solchen richterlichen
Befehl durch Beamte oder Privatleute wegen einer strafbaren Handlung, deren
der Verhaftete schuldig oder dringend verdächtig ist, 3) die polizeiliche Ver¬
wahrung aus noch anderen, im Gesetze bestimmten Gründen. Außerdem sind
die Regierungsbehörden vom Ministerium des Innern 1850 und 1864 durch
Rescripte dahin instruirt worden, daß außer den im obigen Gesetze vom 12.
Februar 18S0 behandelten Fällen Gefängnißhaft als Executi onsmitte l
polizeilicher Anordnungen statthaft sei. Wir sprechen zunächst von der
Untersuchungshaft.

Die Verhaftung darf nur kraft eines schriftlichen, die Beschuldigung und
den Beschuldigten bestimmt bezeichnenden richterlichen Befehls bewirkt werden.
Der Befehl muß bei der Verhaftung oder spätestens imLaufedes der Verhaftung fol¬
genden Tages dem Verhafteten zugestellt werden. (Z 1 des Geh. v. 12 Februar 1850.)
Die Gründe einer Verhaftung bestimmt noch heute die alte Criminalordnung
vom 11. December 1805. Gemäß dieser (§ 206 ff.) muß vor der Verhaftung
eines Verdächtigen die Existenz eines Verbrechens wahrscheinlich sein; ob der
Verdacht gegen eine Person aber zu ihrer Verhaftung genüge, muß der Richter
in jedem Falle mit besonderer Sorgfalt erwäge" und hierbei vornehmlich die
Größe des Verbrechens und der Fluchtgefahr des Verdächtigen berücksichtigen.
Diebe, Betrüger und ähnliche Verbrecher sollen in der Regel jederzeit verhaftet
werden, andere Verbrecher in der Regel nur, wenn die Strafe, welche sie zu
erwarten haben, wahrscheinlich einjährige Einsparung übersteigt. Ist durch
Bekenntniß oder sonstigen Beweis der Verbrecher ermittelt, so muß in den eben
genannten Fällen, ferner wenn der Richter die gegründete Besorgniß hat. der
Verbrecher werde fliehen oder die Wahrheit verdunkeln und die Untersuchung
erschweren, der Verbrecher verhaftet werden. Liegt der Verdacht der Flucht
oder der Verdunklung der Wahrheit nicht vor. oder leistet der Verdächtige eine
angemessene Caution, so wird er nicht verhaftet, wenn seine bevorstehende
Strafe eine dreijährige Gefängnißhaft wahrscheinlich nicht erreicht. Erreicht sie
diese, so muß er, im Falle obige Bedingungen vorliegen, stets verhaftet werden.
(§ 206--11.) Wurde bei einem Auflaufe oder einer Schlägerei ein Verbrechen
schwerer Art begangen, und dessen Urheber noch nicht ausgemittelt, so werden


die militärischen Gesetze und Disciplinarvorschriften nicht entgegenstehen. (Art. 39
der Verf. Art.)

Dieses Gesetz ist, nach Beseitigung des lückenhaften Gesetzes vom 24. Sep¬
tember 1848. dasjenige vom 12. Februar 1850. Es regelt in § 1—6 die
Beschränkung der Freiheit auf Grund einer richterlichen und polizeilichen Ver¬
fügung. in § 7—13 das amtliche Eindringen in eine Wohnung. Hier handelt
es sich nur um die erstere Beschränkung, welche nach dem Gesetze in drei Arten
zerfällt, 1) die Verhaftung kraft eines schriftlichen richterlichen Befehles,
2) die vorläufige Ergreifung und Festnahme ohne solchen richterlichen
Befehl durch Beamte oder Privatleute wegen einer strafbaren Handlung, deren
der Verhaftete schuldig oder dringend verdächtig ist, 3) die polizeiliche Ver¬
wahrung aus noch anderen, im Gesetze bestimmten Gründen. Außerdem sind
die Regierungsbehörden vom Ministerium des Innern 1850 und 1864 durch
Rescripte dahin instruirt worden, daß außer den im obigen Gesetze vom 12.
Februar 18S0 behandelten Fällen Gefängnißhaft als Executi onsmitte l
polizeilicher Anordnungen statthaft sei. Wir sprechen zunächst von der
Untersuchungshaft.

Die Verhaftung darf nur kraft eines schriftlichen, die Beschuldigung und
den Beschuldigten bestimmt bezeichnenden richterlichen Befehls bewirkt werden.
Der Befehl muß bei der Verhaftung oder spätestens imLaufedes der Verhaftung fol¬
genden Tages dem Verhafteten zugestellt werden. (Z 1 des Geh. v. 12 Februar 1850.)
Die Gründe einer Verhaftung bestimmt noch heute die alte Criminalordnung
vom 11. December 1805. Gemäß dieser (§ 206 ff.) muß vor der Verhaftung
eines Verdächtigen die Existenz eines Verbrechens wahrscheinlich sein; ob der
Verdacht gegen eine Person aber zu ihrer Verhaftung genüge, muß der Richter
in jedem Falle mit besonderer Sorgfalt erwäge» und hierbei vornehmlich die
Größe des Verbrechens und der Fluchtgefahr des Verdächtigen berücksichtigen.
Diebe, Betrüger und ähnliche Verbrecher sollen in der Regel jederzeit verhaftet
werden, andere Verbrecher in der Regel nur, wenn die Strafe, welche sie zu
erwarten haben, wahrscheinlich einjährige Einsparung übersteigt. Ist durch
Bekenntniß oder sonstigen Beweis der Verbrecher ermittelt, so muß in den eben
genannten Fällen, ferner wenn der Richter die gegründete Besorgniß hat. der
Verbrecher werde fliehen oder die Wahrheit verdunkeln und die Untersuchung
erschweren, der Verbrecher verhaftet werden. Liegt der Verdacht der Flucht
oder der Verdunklung der Wahrheit nicht vor. oder leistet der Verdächtige eine
angemessene Caution, so wird er nicht verhaftet, wenn seine bevorstehende
Strafe eine dreijährige Gefängnißhaft wahrscheinlich nicht erreicht. Erreicht sie
diese, so muß er, im Falle obige Bedingungen vorliegen, stets verhaftet werden.
(§ 206—11.) Wurde bei einem Auflaufe oder einer Schlägerei ein Verbrechen
schwerer Art begangen, und dessen Urheber noch nicht ausgemittelt, so werden


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[0078] die militärischen Gesetze und Disciplinarvorschriften nicht entgegenstehen. (Art. 39 der Verf. Art.) Dieses Gesetz ist, nach Beseitigung des lückenhaften Gesetzes vom 24. Sep¬ tember 1848. dasjenige vom 12. Februar 1850. Es regelt in § 1—6 die Beschränkung der Freiheit auf Grund einer richterlichen und polizeilichen Ver¬ fügung. in § 7—13 das amtliche Eindringen in eine Wohnung. Hier handelt es sich nur um die erstere Beschränkung, welche nach dem Gesetze in drei Arten zerfällt, 1) die Verhaftung kraft eines schriftlichen richterlichen Befehles, 2) die vorläufige Ergreifung und Festnahme ohne solchen richterlichen Befehl durch Beamte oder Privatleute wegen einer strafbaren Handlung, deren der Verhaftete schuldig oder dringend verdächtig ist, 3) die polizeiliche Ver¬ wahrung aus noch anderen, im Gesetze bestimmten Gründen. Außerdem sind die Regierungsbehörden vom Ministerium des Innern 1850 und 1864 durch Rescripte dahin instruirt worden, daß außer den im obigen Gesetze vom 12. Februar 18S0 behandelten Fällen Gefängnißhaft als Executi onsmitte l polizeilicher Anordnungen statthaft sei. Wir sprechen zunächst von der Untersuchungshaft. Die Verhaftung darf nur kraft eines schriftlichen, die Beschuldigung und den Beschuldigten bestimmt bezeichnenden richterlichen Befehls bewirkt werden. Der Befehl muß bei der Verhaftung oder spätestens imLaufedes der Verhaftung fol¬ genden Tages dem Verhafteten zugestellt werden. (Z 1 des Geh. v. 12 Februar 1850.) Die Gründe einer Verhaftung bestimmt noch heute die alte Criminalordnung vom 11. December 1805. Gemäß dieser (§ 206 ff.) muß vor der Verhaftung eines Verdächtigen die Existenz eines Verbrechens wahrscheinlich sein; ob der Verdacht gegen eine Person aber zu ihrer Verhaftung genüge, muß der Richter in jedem Falle mit besonderer Sorgfalt erwäge» und hierbei vornehmlich die Größe des Verbrechens und der Fluchtgefahr des Verdächtigen berücksichtigen. Diebe, Betrüger und ähnliche Verbrecher sollen in der Regel jederzeit verhaftet werden, andere Verbrecher in der Regel nur, wenn die Strafe, welche sie zu erwarten haben, wahrscheinlich einjährige Einsparung übersteigt. Ist durch Bekenntniß oder sonstigen Beweis der Verbrecher ermittelt, so muß in den eben genannten Fällen, ferner wenn der Richter die gegründete Besorgniß hat. der Verbrecher werde fliehen oder die Wahrheit verdunkeln und die Untersuchung erschweren, der Verbrecher verhaftet werden. Liegt der Verdacht der Flucht oder der Verdunklung der Wahrheit nicht vor. oder leistet der Verdächtige eine angemessene Caution, so wird er nicht verhaftet, wenn seine bevorstehende Strafe eine dreijährige Gefängnißhaft wahrscheinlich nicht erreicht. Erreicht sie diese, so muß er, im Falle obige Bedingungen vorliegen, stets verhaftet werden. (§ 206—11.) Wurde bei einem Auflaufe oder einer Schlägerei ein Verbrechen schwerer Art begangen, und dessen Urheber noch nicht ausgemittelt, so werden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/78>, abgerufen am 12.12.2024.