Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einen Anfang gemacht wissen mit der Zusammenfassung ihrer Wehrkraft und
mit einer einheitlichen staatlichen Organisation. Sie will dies kraft ihres Selbst¬
bestimmungsrechts, wenn man dies Wort zu brauchen liebt, und weit mehr
noch, sie hat sich im Lauf der Zeiten im preußischen Staat einen Organismus
geschaffen, der die Macht hat, diesen Willen und dieses Recht wenigstens bis
zu einem gewissen Grade zu verwirklichen. Sich diesem mit Macht bekleideten
Rechte der Nation unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht des Schles-
wig-holsteimschcn Volkes, d. h. höchstens eines dreißigsten Theiles diese-r Nation,
entgegenstemmen zu wollen, wäre ein Versuch, der, falls er überhaupt angestellt
würde, nothwendig scheitern müßte."

Wir halten dieses Räsonnement für durchaus richtig. Wirft man ein, die
Schleswig-Hvlsteiner hätten ja 1848 bis 1850 tapfer und opfermüthig für
ihre Selbständigkeit gestritten, so sind wir die letzten, die das bestreiten, aber
die damalige Erhebung hätte sich ohne die Preußen kein halbes Jahr gehalten,
und als später ein gutes Heer geschaffen war, und zwar wieder mit Hilfe der
Preußen, hätte dasselbe vielleicht Holstein, nimmermehr aber auch ganz Schles¬
wig den Dänen abgenommen. Einnvch geringeres Resultat aber würde jetzt er¬
reicht worden sein, wenn Preußen nach Einmarsch der Bundestruppen in
Holstein den Schleswig-Holsteinern überlassen hätte, den besser als damals ge¬
rüsteten Landesfeind aus Schleswig zu verjagen. Die Jugend des Landes hätte
sich in kühnen Stürmen verblutet, aber noch heute läge man vordem Danne-
werk, der Düppclstellung nicht zu gedenken.

Wir schließen unsern Bericht mit einem Auszug aus dem von Advocat
Johannsen in Schleswig redigirten und die äußerste Linke der Anschlußpartei,
soweit sie sich öffentlich aussprechen kann, vertretenden "Schleswiger Nach-
ri es tendie wöchentlich dreimal erscheinen und zwischen ö und 600 Abonnenten
haben sollen. Die betreffende Stelle charakterisier die aus den rein nationalen
Elementen sich jetzt organisirende Anschlußpartei, die wir bis zu einem gewissen
Grade mit ihren Gegnern (welche auch die unseren sind) die preußische nennen
dürfen, folgendermaßen: Sie versteht darunter nur diejenigen, welche "den
Anschluß an Preußen als Selbstzweck verfolgen, nicht nur wider Willen als
Concession einräumen, und die unter Anschluß eine wirkliche militärische Ein¬
heit Schleswig-Holsteins mit Preußen begreifen. Die Berechtigung dieses
Strebens bedarf jetzt keines Nachweises mehr, die Partei hat aber wohl bis¬
her zu viel Kraft damit vergeudet, die Idee eines selbständigen Schleswig-
Holstein und die straffere staatliche Gestaltung Deutschlands möglichst schonend
mit einander zu verbinden. Solches Ausgleichungsbestreben erzeugt nothwendig
eine gewisse Schwäche. Erst da, wo jener Anschluß an Preußen, die militärische
Einheit, unbedingt als Ziel und Programm aufgestellt wird, kann diese Partei
wirklich wieder politisches Leben gewinnen. Wir glauben, daß die letzten parti-


einen Anfang gemacht wissen mit der Zusammenfassung ihrer Wehrkraft und
mit einer einheitlichen staatlichen Organisation. Sie will dies kraft ihres Selbst¬
bestimmungsrechts, wenn man dies Wort zu brauchen liebt, und weit mehr
noch, sie hat sich im Lauf der Zeiten im preußischen Staat einen Organismus
geschaffen, der die Macht hat, diesen Willen und dieses Recht wenigstens bis
zu einem gewissen Grade zu verwirklichen. Sich diesem mit Macht bekleideten
Rechte der Nation unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht des Schles-
wig-holsteimschcn Volkes, d. h. höchstens eines dreißigsten Theiles diese-r Nation,
entgegenstemmen zu wollen, wäre ein Versuch, der, falls er überhaupt angestellt
würde, nothwendig scheitern müßte."

Wir halten dieses Räsonnement für durchaus richtig. Wirft man ein, die
Schleswig-Hvlsteiner hätten ja 1848 bis 1850 tapfer und opfermüthig für
ihre Selbständigkeit gestritten, so sind wir die letzten, die das bestreiten, aber
die damalige Erhebung hätte sich ohne die Preußen kein halbes Jahr gehalten,
und als später ein gutes Heer geschaffen war, und zwar wieder mit Hilfe der
Preußen, hätte dasselbe vielleicht Holstein, nimmermehr aber auch ganz Schles¬
wig den Dänen abgenommen. Einnvch geringeres Resultat aber würde jetzt er¬
reicht worden sein, wenn Preußen nach Einmarsch der Bundestruppen in
Holstein den Schleswig-Holsteinern überlassen hätte, den besser als damals ge¬
rüsteten Landesfeind aus Schleswig zu verjagen. Die Jugend des Landes hätte
sich in kühnen Stürmen verblutet, aber noch heute läge man vordem Danne-
werk, der Düppclstellung nicht zu gedenken.

Wir schließen unsern Bericht mit einem Auszug aus dem von Advocat
Johannsen in Schleswig redigirten und die äußerste Linke der Anschlußpartei,
soweit sie sich öffentlich aussprechen kann, vertretenden „Schleswiger Nach-
ri es tendie wöchentlich dreimal erscheinen und zwischen ö und 600 Abonnenten
haben sollen. Die betreffende Stelle charakterisier die aus den rein nationalen
Elementen sich jetzt organisirende Anschlußpartei, die wir bis zu einem gewissen
Grade mit ihren Gegnern (welche auch die unseren sind) die preußische nennen
dürfen, folgendermaßen: Sie versteht darunter nur diejenigen, welche „den
Anschluß an Preußen als Selbstzweck verfolgen, nicht nur wider Willen als
Concession einräumen, und die unter Anschluß eine wirkliche militärische Ein¬
heit Schleswig-Holsteins mit Preußen begreifen. Die Berechtigung dieses
Strebens bedarf jetzt keines Nachweises mehr, die Partei hat aber wohl bis¬
her zu viel Kraft damit vergeudet, die Idee eines selbständigen Schleswig-
Holstein und die straffere staatliche Gestaltung Deutschlands möglichst schonend
mit einander zu verbinden. Solches Ausgleichungsbestreben erzeugt nothwendig
eine gewisse Schwäche. Erst da, wo jener Anschluß an Preußen, die militärische
Einheit, unbedingt als Ziel und Programm aufgestellt wird, kann diese Partei
wirklich wieder politisches Leben gewinnen. Wir glauben, daß die letzten parti-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0066" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282863"/>
          <p xml:id="ID_205" prev="#ID_204"> einen Anfang gemacht wissen mit der Zusammenfassung ihrer Wehrkraft und<lb/>
mit einer einheitlichen staatlichen Organisation. Sie will dies kraft ihres Selbst¬<lb/>
bestimmungsrechts, wenn man dies Wort zu brauchen liebt, und weit mehr<lb/>
noch, sie hat sich im Lauf der Zeiten im preußischen Staat einen Organismus<lb/>
geschaffen, der die Macht hat, diesen Willen und dieses Recht wenigstens bis<lb/>
zu einem gewissen Grade zu verwirklichen. Sich diesem mit Macht bekleideten<lb/>
Rechte der Nation unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht des Schles-<lb/>
wig-holsteimschcn Volkes, d. h. höchstens eines dreißigsten Theiles diese-r Nation,<lb/>
entgegenstemmen zu wollen, wäre ein Versuch, der, falls er überhaupt angestellt<lb/>
würde, nothwendig scheitern müßte."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_206"> Wir halten dieses Räsonnement für durchaus richtig. Wirft man ein, die<lb/>
Schleswig-Hvlsteiner hätten ja 1848 bis 1850 tapfer und opfermüthig für<lb/>
ihre Selbständigkeit gestritten, so sind wir die letzten, die das bestreiten, aber<lb/>
die damalige Erhebung hätte sich ohne die Preußen kein halbes Jahr gehalten,<lb/>
und als später ein gutes Heer geschaffen war, und zwar wieder mit Hilfe der<lb/>
Preußen, hätte dasselbe vielleicht Holstein, nimmermehr aber auch ganz Schles¬<lb/>
wig den Dänen abgenommen. Einnvch geringeres Resultat aber würde jetzt er¬<lb/>
reicht worden sein, wenn Preußen nach Einmarsch der Bundestruppen in<lb/>
Holstein den Schleswig-Holsteinern überlassen hätte, den besser als damals ge¬<lb/>
rüsteten Landesfeind aus Schleswig zu verjagen. Die Jugend des Landes hätte<lb/>
sich in kühnen Stürmen verblutet, aber noch heute läge man vordem Danne-<lb/>
werk, der Düppclstellung nicht zu gedenken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_207" next="#ID_208"> Wir schließen unsern Bericht mit einem Auszug aus dem von Advocat<lb/>
Johannsen in Schleswig redigirten und die äußerste Linke der Anschlußpartei,<lb/>
soweit sie sich öffentlich aussprechen kann, vertretenden &#x201E;Schleswiger Nach-<lb/>
ri es tendie wöchentlich dreimal erscheinen und zwischen ö und 600 Abonnenten<lb/>
haben sollen. Die betreffende Stelle charakterisier die aus den rein nationalen<lb/>
Elementen sich jetzt organisirende Anschlußpartei, die wir bis zu einem gewissen<lb/>
Grade mit ihren Gegnern (welche auch die unseren sind) die preußische nennen<lb/>
dürfen, folgendermaßen: Sie versteht darunter nur diejenigen, welche &#x201E;den<lb/>
Anschluß an Preußen als Selbstzweck verfolgen, nicht nur wider Willen als<lb/>
Concession einräumen, und die unter Anschluß eine wirkliche militärische Ein¬<lb/>
heit Schleswig-Holsteins mit Preußen begreifen. Die Berechtigung dieses<lb/>
Strebens bedarf jetzt keines Nachweises mehr, die Partei hat aber wohl bis¬<lb/>
her zu viel Kraft damit vergeudet, die Idee eines selbständigen Schleswig-<lb/>
Holstein und die straffere staatliche Gestaltung Deutschlands möglichst schonend<lb/>
mit einander zu verbinden. Solches Ausgleichungsbestreben erzeugt nothwendig<lb/>
eine gewisse Schwäche. Erst da, wo jener Anschluß an Preußen, die militärische<lb/>
Einheit, unbedingt als Ziel und Programm aufgestellt wird, kann diese Partei<lb/>
wirklich wieder politisches Leben gewinnen. Wir glauben, daß die letzten parti-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0066] einen Anfang gemacht wissen mit der Zusammenfassung ihrer Wehrkraft und mit einer einheitlichen staatlichen Organisation. Sie will dies kraft ihres Selbst¬ bestimmungsrechts, wenn man dies Wort zu brauchen liebt, und weit mehr noch, sie hat sich im Lauf der Zeiten im preußischen Staat einen Organismus geschaffen, der die Macht hat, diesen Willen und dieses Recht wenigstens bis zu einem gewissen Grade zu verwirklichen. Sich diesem mit Macht bekleideten Rechte der Nation unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht des Schles- wig-holsteimschcn Volkes, d. h. höchstens eines dreißigsten Theiles diese-r Nation, entgegenstemmen zu wollen, wäre ein Versuch, der, falls er überhaupt angestellt würde, nothwendig scheitern müßte." Wir halten dieses Räsonnement für durchaus richtig. Wirft man ein, die Schleswig-Hvlsteiner hätten ja 1848 bis 1850 tapfer und opfermüthig für ihre Selbständigkeit gestritten, so sind wir die letzten, die das bestreiten, aber die damalige Erhebung hätte sich ohne die Preußen kein halbes Jahr gehalten, und als später ein gutes Heer geschaffen war, und zwar wieder mit Hilfe der Preußen, hätte dasselbe vielleicht Holstein, nimmermehr aber auch ganz Schles¬ wig den Dänen abgenommen. Einnvch geringeres Resultat aber würde jetzt er¬ reicht worden sein, wenn Preußen nach Einmarsch der Bundestruppen in Holstein den Schleswig-Holsteinern überlassen hätte, den besser als damals ge¬ rüsteten Landesfeind aus Schleswig zu verjagen. Die Jugend des Landes hätte sich in kühnen Stürmen verblutet, aber noch heute läge man vordem Danne- werk, der Düppclstellung nicht zu gedenken. Wir schließen unsern Bericht mit einem Auszug aus dem von Advocat Johannsen in Schleswig redigirten und die äußerste Linke der Anschlußpartei, soweit sie sich öffentlich aussprechen kann, vertretenden „Schleswiger Nach- ri es tendie wöchentlich dreimal erscheinen und zwischen ö und 600 Abonnenten haben sollen. Die betreffende Stelle charakterisier die aus den rein nationalen Elementen sich jetzt organisirende Anschlußpartei, die wir bis zu einem gewissen Grade mit ihren Gegnern (welche auch die unseren sind) die preußische nennen dürfen, folgendermaßen: Sie versteht darunter nur diejenigen, welche „den Anschluß an Preußen als Selbstzweck verfolgen, nicht nur wider Willen als Concession einräumen, und die unter Anschluß eine wirkliche militärische Ein¬ heit Schleswig-Holsteins mit Preußen begreifen. Die Berechtigung dieses Strebens bedarf jetzt keines Nachweises mehr, die Partei hat aber wohl bis¬ her zu viel Kraft damit vergeudet, die Idee eines selbständigen Schleswig- Holstein und die straffere staatliche Gestaltung Deutschlands möglichst schonend mit einander zu verbinden. Solches Ausgleichungsbestreben erzeugt nothwendig eine gewisse Schwäche. Erst da, wo jener Anschluß an Preußen, die militärische Einheit, unbedingt als Ziel und Programm aufgestellt wird, kann diese Partei wirklich wieder politisches Leben gewinnen. Wir glauben, daß die letzten parti-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/66
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/66>, abgerufen am 29.09.2024.