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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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sich einen Namen gemacht hat. Die glogaucr Affaire wurde monatelang zu
diesem Zweck ausgedeutet, aus jedem kleinen Skandal in Preußen ein neuer
schrecklicher Popanz für die gläubigen Leser des Blattes angefertigt. Wieder
und immer wieder, obwohl zehnmal von den berliner Officiösen für Fabel er¬
klärt, tauchte, gewöhnlich von Wien hergeschwommen, die abgeschmackte See¬
schlange von der preußischen Verschwörung mit dem Kaiser Napoleon auf. nach
welcher Herr v. Bismarck sich die Erlaubniß Frankreichs zur Annexion Schleswig-
Holsteins durch das Versprechen gesichert haben sollte, Nordschleswig wieder an
die Dänen abzutreten. Es ist wahr, bisweilen hatte die Zeitung des Herrn
Jessen Anwandlungen, in denen sie Zugeständnisse an Preußen für erlaubt,
richtiger für geboten hielt, Sie hatte einmal die Güte, den Eintritt der
Herzogthümer in den Zollverein für selbstverständlich zu erklären, und sie ließ
sich herbei, einen gewissen maritimen Anschluß an Preußen zu befürworten.
Auch andere Concessionen schienen (kurz vor der letzten Delegirtenversammlung
in Rendsburg und in der Zeit, wo die milderen Particularisten in Kiel sich
mit den schrofferen über ein Programm zu einigen suchten) dem erwähnten
kieler Journalisten nicht gerade in das Capitel des Hochverraths zu gehören.
Aber immer wieder kehrte der Jnstinct des Blattes auf die Straße zurück, die
der hannöversche Correspondent desselben als die allein richtige bezeichnen wird,
und die -- wenn unser Herrgott die Bäume in den Himmel wachsen ließe --
zu einem absolut selbständigen Schleswig-Holstein führen würde, weiches natür¬
lich nach den demokratischen Grundsätzen des Herrn Redacteurs eingerichtet und
verwaltet und vermuthlich von einem nach kolbschem Recept gebackenen Miliz¬
heere vertheidigt werden würde. Die eigentliche Meinung der Zeitung war im
Grunde und trotz eines gelegentlich von Kiel her aus Gründen der Zweck¬
mäßigkeit angeregten freundlicheren Blicks nach Berlin hin identisch mit dem
Programm der großdeutschen Demokratie, und ihr Glaubensbekenntniß ist jetzt
noch das vor einigen Wochen von der politischen Weisheit des Herrn v. Neer-
gaard-Ocvelgönne formulirte. Die Heils g.IIilrveö der Herren May und Neergaard
mit dem Sechsunddreißiger-Ausschuß und etlichen Mitgliedern der preußischen
Fortschrittspartei kann hieran nur scheinbar ein wenig geändert haben --
oxpellAs t'ürea u. s. w. Jenes Glaubensbekenntniß aber lautete ungefähr
(wir haben die betreffende Nummer des Blattes nicht bei der Hand, entsinnen
uns aber des Inhalts ziemlich genau) folgendermaßen:

Preußen hat nur seine Schuldigkeit gethan, als es im vorigen Jahre
Schleswig-Holstein befreite. Es hat nicht das Land, sondern nur seine Verlorne
Ehre wieder erobert. Es hat nicht das Geringste von uns zu fordern. Reden
einige von Anschluß an diesen Staat, um aus dem Provisorium herauszu¬
kommen, so kann man dem nur mit einer sehr bestimmten Einschränkung bei-
Pflichten. Jede Concession an Preußen, jede Einräumung von Einfluß auf


sich einen Namen gemacht hat. Die glogaucr Affaire wurde monatelang zu
diesem Zweck ausgedeutet, aus jedem kleinen Skandal in Preußen ein neuer
schrecklicher Popanz für die gläubigen Leser des Blattes angefertigt. Wieder
und immer wieder, obwohl zehnmal von den berliner Officiösen für Fabel er¬
klärt, tauchte, gewöhnlich von Wien hergeschwommen, die abgeschmackte See¬
schlange von der preußischen Verschwörung mit dem Kaiser Napoleon auf. nach
welcher Herr v. Bismarck sich die Erlaubniß Frankreichs zur Annexion Schleswig-
Holsteins durch das Versprechen gesichert haben sollte, Nordschleswig wieder an
die Dänen abzutreten. Es ist wahr, bisweilen hatte die Zeitung des Herrn
Jessen Anwandlungen, in denen sie Zugeständnisse an Preußen für erlaubt,
richtiger für geboten hielt, Sie hatte einmal die Güte, den Eintritt der
Herzogthümer in den Zollverein für selbstverständlich zu erklären, und sie ließ
sich herbei, einen gewissen maritimen Anschluß an Preußen zu befürworten.
Auch andere Concessionen schienen (kurz vor der letzten Delegirtenversammlung
in Rendsburg und in der Zeit, wo die milderen Particularisten in Kiel sich
mit den schrofferen über ein Programm zu einigen suchten) dem erwähnten
kieler Journalisten nicht gerade in das Capitel des Hochverraths zu gehören.
Aber immer wieder kehrte der Jnstinct des Blattes auf die Straße zurück, die
der hannöversche Correspondent desselben als die allein richtige bezeichnen wird,
und die — wenn unser Herrgott die Bäume in den Himmel wachsen ließe —
zu einem absolut selbständigen Schleswig-Holstein führen würde, weiches natür¬
lich nach den demokratischen Grundsätzen des Herrn Redacteurs eingerichtet und
verwaltet und vermuthlich von einem nach kolbschem Recept gebackenen Miliz¬
heere vertheidigt werden würde. Die eigentliche Meinung der Zeitung war im
Grunde und trotz eines gelegentlich von Kiel her aus Gründen der Zweck¬
mäßigkeit angeregten freundlicheren Blicks nach Berlin hin identisch mit dem
Programm der großdeutschen Demokratie, und ihr Glaubensbekenntniß ist jetzt
noch das vor einigen Wochen von der politischen Weisheit des Herrn v. Neer-
gaard-Ocvelgönne formulirte. Die Heils g.IIilrveö der Herren May und Neergaard
mit dem Sechsunddreißiger-Ausschuß und etlichen Mitgliedern der preußischen
Fortschrittspartei kann hieran nur scheinbar ein wenig geändert haben —
oxpellAs t'ürea u. s. w. Jenes Glaubensbekenntniß aber lautete ungefähr
(wir haben die betreffende Nummer des Blattes nicht bei der Hand, entsinnen
uns aber des Inhalts ziemlich genau) folgendermaßen:

Preußen hat nur seine Schuldigkeit gethan, als es im vorigen Jahre
Schleswig-Holstein befreite. Es hat nicht das Land, sondern nur seine Verlorne
Ehre wieder erobert. Es hat nicht das Geringste von uns zu fordern. Reden
einige von Anschluß an diesen Staat, um aus dem Provisorium herauszu¬
kommen, so kann man dem nur mit einer sehr bestimmten Einschränkung bei-
Pflichten. Jede Concession an Preußen, jede Einräumung von Einfluß auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/61>, abgerufen am 12.12.2024.