Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.versucht, der Unordnung zu steuern, andere dagegen hätte man vor Schmerz Es waren strenge Maßregeln nöthig, und Blücher war der Mann, sie zu Auch bei der preußischen Armee blieb der unselige Vorgang nicht ohne versucht, der Unordnung zu steuern, andere dagegen hätte man vor Schmerz Es waren strenge Maßregeln nöthig, und Blücher war der Mann, sie zu Auch bei der preußischen Armee blieb der unselige Vorgang nicht ohne <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0532" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283329"/> <p xml:id="ID_1675" prev="#ID_1674"> versucht, der Unordnung zu steuern, andere dagegen hätte man vor Schmerz<lb/> weinen sehen über die Schande, die den sächsischen Namen getroffen. Willkür,<lb/> Zügellosigkeit, Widersetzlichkeit herrschten noch die nächsten Tage. In den<lb/> Quartieren unaufhörliches Lärmen und allerlei Unfug, Weigerung der Mann¬<lb/> schaften, die befohlenen Bivouacs zu beziehen, dazu Hochrufe auf Friedrich<lb/> August und abermalige Vivats auf Napoleon.</p><lb/> <p xml:id="ID_1676"> Es waren strenge Maßregeln nöthig, und Blücher war der Mann, sie zu<lb/> treffen. Er befahl Auflösung des Gardebataillons und Verbrennung der Fahne<lb/> desselben. Die beiden Grenadierbataillone, die sich bis zu Thätlichkeiten ver¬<lb/> gessen, mußten ausrücken und wurden von preußischen Truppen umringt, wo¬<lb/> rauf sie zur Nennung der Rädelsführer aufgefordert wurden. Als sie sich dessen<lb/> weigerten, wurde von jeder Compagnie der zehnte Mann abgezählt, um dem<lb/> Standrecht überwiesen zu werden, falls man bei der Weigerung beharrte. Da<lb/> gaben sieben Compagnien je einen Hauptschuldigen an, lauter Leute, gegen<lb/> die auch sonst Beweise vorlagen. Nachdem sie ihre Schuld bekannt, wurden<lb/> sie vor der Fronte erschossen. Die Uebrigen waren tief erschüttert, viele weinten<lb/> laut und fluchten den Verführern.</p><lb/> <p xml:id="ID_1677"> Auch bei der preußischen Armee blieb der unselige Vorgang nicht ohne<lb/> Folgen. Der General v. Borstell, Commandeur des zweiten Armeecorps, hatte<lb/> die Sachsen beim Feldzug in Flandern kennen und schätzen gelernt. Er<lb/> maß von Anfang an nicht ihnen, sondern den unglücklichen Verhältnissen<lb/> und dem etwas taktlosen Benehmen Thietmarus die Hauptschuld bei. Als die<lb/> Meuterei in Lüttich stattfand, hatte Borstell sein Hauptquartier in Namur,<lb/> wohin, wie gemeldet, zuerst das Gardebataillon gewiesen wurde, dessen Fahne<lb/> nach Blüchers Befehl verbrannt werden sollte. Der General erhielt am S. Mai<lb/> den Auftrag, dies zu vollziehen. Er aber, nur unvollkommen von dem Vorfall<lb/> in Lüttich unterrichtet, hatte den Offizieren des Bataillons versprochen, sich für<lb/> dasselbe zu verwenden, auch schien ihm die gedachte Strafe zu hart. Er machte<lb/> Vorstellungen im Hauptquartier und gab inzwischen dem sächsischen Major<lb/> v. Römer die Zusage, so lange er zu befehlen habe, solle der Fahne nichts<lb/> geschehen. Indeß hatte der Feldmarschall die Verbrennung derselben der Armee<lb/> bereits durch Tagesbefehl vom 6. Mai verkündigt. Er blieb bei seiner ersten<lb/> Verfügung und entsetzte Borstell, als dieser jetzt den Vollzug des Befehls<lb/> verweigerte, seines Commandos. Borstell war ein sehr tüchtiger General und<lb/> persönlich beim König angesehen; dennoch wurde er durch Spruch des Kriegs¬<lb/> gerichts wegen Insubordination zu einem Jahre Festungsarrest verurtheilt, doch<lb/> erließ ihm später Friedrich Wilhelm auf Blüchers Bitte diese Strafe. Er<lb/> hatte aber, wie er selbst in einem Schreiben an den König sagt, eine härtere<lb/> Strafe tragen müssen: er hatte keinen Theil an den Kämpfen und Siegen des<lb/> ruhmreichen Krieges nehmen dürfen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0532]
versucht, der Unordnung zu steuern, andere dagegen hätte man vor Schmerz
weinen sehen über die Schande, die den sächsischen Namen getroffen. Willkür,
Zügellosigkeit, Widersetzlichkeit herrschten noch die nächsten Tage. In den
Quartieren unaufhörliches Lärmen und allerlei Unfug, Weigerung der Mann¬
schaften, die befohlenen Bivouacs zu beziehen, dazu Hochrufe auf Friedrich
August und abermalige Vivats auf Napoleon.
Es waren strenge Maßregeln nöthig, und Blücher war der Mann, sie zu
treffen. Er befahl Auflösung des Gardebataillons und Verbrennung der Fahne
desselben. Die beiden Grenadierbataillone, die sich bis zu Thätlichkeiten ver¬
gessen, mußten ausrücken und wurden von preußischen Truppen umringt, wo¬
rauf sie zur Nennung der Rädelsführer aufgefordert wurden. Als sie sich dessen
weigerten, wurde von jeder Compagnie der zehnte Mann abgezählt, um dem
Standrecht überwiesen zu werden, falls man bei der Weigerung beharrte. Da
gaben sieben Compagnien je einen Hauptschuldigen an, lauter Leute, gegen
die auch sonst Beweise vorlagen. Nachdem sie ihre Schuld bekannt, wurden
sie vor der Fronte erschossen. Die Uebrigen waren tief erschüttert, viele weinten
laut und fluchten den Verführern.
Auch bei der preußischen Armee blieb der unselige Vorgang nicht ohne
Folgen. Der General v. Borstell, Commandeur des zweiten Armeecorps, hatte
die Sachsen beim Feldzug in Flandern kennen und schätzen gelernt. Er
maß von Anfang an nicht ihnen, sondern den unglücklichen Verhältnissen
und dem etwas taktlosen Benehmen Thietmarus die Hauptschuld bei. Als die
Meuterei in Lüttich stattfand, hatte Borstell sein Hauptquartier in Namur,
wohin, wie gemeldet, zuerst das Gardebataillon gewiesen wurde, dessen Fahne
nach Blüchers Befehl verbrannt werden sollte. Der General erhielt am S. Mai
den Auftrag, dies zu vollziehen. Er aber, nur unvollkommen von dem Vorfall
in Lüttich unterrichtet, hatte den Offizieren des Bataillons versprochen, sich für
dasselbe zu verwenden, auch schien ihm die gedachte Strafe zu hart. Er machte
Vorstellungen im Hauptquartier und gab inzwischen dem sächsischen Major
v. Römer die Zusage, so lange er zu befehlen habe, solle der Fahne nichts
geschehen. Indeß hatte der Feldmarschall die Verbrennung derselben der Armee
bereits durch Tagesbefehl vom 6. Mai verkündigt. Er blieb bei seiner ersten
Verfügung und entsetzte Borstell, als dieser jetzt den Vollzug des Befehls
verweigerte, seines Commandos. Borstell war ein sehr tüchtiger General und
persönlich beim König angesehen; dennoch wurde er durch Spruch des Kriegs¬
gerichts wegen Insubordination zu einem Jahre Festungsarrest verurtheilt, doch
erließ ihm später Friedrich Wilhelm auf Blüchers Bitte diese Strafe. Er
hatte aber, wie er selbst in einem Schreiben an den König sagt, eine härtere
Strafe tragen müssen: er hatte keinen Theil an den Kämpfen und Siegen des
ruhmreichen Krieges nehmen dürfen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |