Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

verschiedene Ueberzeugungen heftig gegen einander arbeiten, bleibt die persön¬
liche Gereiztheit nicht aus und solche Gemüthsstimmung ist nicht geeignet, die
Kämpfenden einander zu nähern. Es wild also hohe Zeit, zu suchen, ob noch
ein gemeinsamer Boden für Verständigung festzuhalten ist, sowohl innerhalb
der nationalen Partei in Deutschland, zumeist aber zwischen Schleswig-Hol-
steinern und Preußen.

In dieser Zeit sind wir der Indiscretion Dank schuldig, welche detaillirte
Mittheilung über die Forderungen Preußens in die Oeffentlichkeit getragen hat.
Hier ist -- wenn man von dem Wortlaut absieht -- ein genau sormuiirter
officieller Ausdruck des Staatswillens gegeben, und er ist allerdings dazu ge¬
eignet, auch das Programm der preußischen Partei zu werden. Welche weitern
Pläne man auch Herrn v. Bismarck mit gutem Grunde zuschreibe, was er über
diese Forderung hinaus will, sind noch Projecte eines elastischen Geistes, welche
sich jeden Tag nach der innern Lage Preußens oder nach einem Wechsel in den
Stimmungen seines Königs modificiren können.

Die Forderungen sind bekanntlich 1) das Heer ein Theil des preußischen
mit gleicher Aushebungsweise, Organisation und preußischem Fahneneid, 2)Iriegs-
hafen und Landeshoheit über das Terrain, welches für militärische Zwecke be¬
festigt werden muß, 3) Bau des Kanals durch Preußen und preußisches Ober¬
aufsichtsrecht. 4) Post und Telegraphie preußisch, S) Eintritt der Herzogthümer
in den Zollverein. Wohl hätte man preußischerseits die Armecforderung we¬
niger schroff ausdrücken können, aber, wie sie ist, liegt ihre Ausführung in
allen Hauptpunkten ebenso sehr im Interesse der Herzogthümer selbst als Deusch-
lands. Die geographische Lage des Landes ist nicht so, daß ihm das Still¬
leben eines kleinen Bundcscontingents gegönnt werden kann. Wenn die deut¬
schen Großmächte unsere Bundcskriegsverfassung und die kleinen Armeen unserer
Mittelstaaten ertragen, so geschieht das, weil solch kleiner Heerkörper doch nur die
Friedensorganisation einer Landschaft ist, deren Grenzen gegen Osten undMcsten
von preußischen Heeren gedeckt werden. Im Fall eines großen Krieges würde
die Bundeskriegsverfassung und das Kriegshcrrnthum der meisten Mittel- und
Kleinstaaten thatsächlich ein schnelles Ende erreichen, ihre Contingente würden
zu Theilen des östreichischen oder preußischen Heeres. Wozu in den Herzog¬
thümer" die zahlreichen Uebelstände neu organisiren, an denen kleine Heerkörper
bei dem besten Willen der Führer leiden? Immer noch drückt die preußische
Hecresverfassung das edle Princip am reinsten aus, daß jeder Mann Soldat
sein solle und daß die dienende Mannschaft nicht aus Berufssoldaten bestehn
dürfe. Es wird den Schleswig-Holsteincrn ihr Selbstgefühl nicht vermindert
werden, wenn sie als Soldaten den straffen preußischen Dienst erlernen und es
wird nicht wenig zu ihrer militärischen Tüchtigkeit beitragen, wenn wenigstens
einzelne Waffengattungen in preußischen Garnisonen ihren Dienst thun, dem


verschiedene Ueberzeugungen heftig gegen einander arbeiten, bleibt die persön¬
liche Gereiztheit nicht aus und solche Gemüthsstimmung ist nicht geeignet, die
Kämpfenden einander zu nähern. Es wild also hohe Zeit, zu suchen, ob noch
ein gemeinsamer Boden für Verständigung festzuhalten ist, sowohl innerhalb
der nationalen Partei in Deutschland, zumeist aber zwischen Schleswig-Hol-
steinern und Preußen.

In dieser Zeit sind wir der Indiscretion Dank schuldig, welche detaillirte
Mittheilung über die Forderungen Preußens in die Oeffentlichkeit getragen hat.
Hier ist — wenn man von dem Wortlaut absieht — ein genau sormuiirter
officieller Ausdruck des Staatswillens gegeben, und er ist allerdings dazu ge¬
eignet, auch das Programm der preußischen Partei zu werden. Welche weitern
Pläne man auch Herrn v. Bismarck mit gutem Grunde zuschreibe, was er über
diese Forderung hinaus will, sind noch Projecte eines elastischen Geistes, welche
sich jeden Tag nach der innern Lage Preußens oder nach einem Wechsel in den
Stimmungen seines Königs modificiren können.

Die Forderungen sind bekanntlich 1) das Heer ein Theil des preußischen
mit gleicher Aushebungsweise, Organisation und preußischem Fahneneid, 2)Iriegs-
hafen und Landeshoheit über das Terrain, welches für militärische Zwecke be¬
festigt werden muß, 3) Bau des Kanals durch Preußen und preußisches Ober¬
aufsichtsrecht. 4) Post und Telegraphie preußisch, S) Eintritt der Herzogthümer
in den Zollverein. Wohl hätte man preußischerseits die Armecforderung we¬
niger schroff ausdrücken können, aber, wie sie ist, liegt ihre Ausführung in
allen Hauptpunkten ebenso sehr im Interesse der Herzogthümer selbst als Deusch-
lands. Die geographische Lage des Landes ist nicht so, daß ihm das Still¬
leben eines kleinen Bundcscontingents gegönnt werden kann. Wenn die deut¬
schen Großmächte unsere Bundcskriegsverfassung und die kleinen Armeen unserer
Mittelstaaten ertragen, so geschieht das, weil solch kleiner Heerkörper doch nur die
Friedensorganisation einer Landschaft ist, deren Grenzen gegen Osten undMcsten
von preußischen Heeren gedeckt werden. Im Fall eines großen Krieges würde
die Bundeskriegsverfassung und das Kriegshcrrnthum der meisten Mittel- und
Kleinstaaten thatsächlich ein schnelles Ende erreichen, ihre Contingente würden
zu Theilen des östreichischen oder preußischen Heeres. Wozu in den Herzog¬
thümer» die zahlreichen Uebelstände neu organisiren, an denen kleine Heerkörper
bei dem besten Willen der Führer leiden? Immer noch drückt die preußische
Hecresverfassung das edle Princip am reinsten aus, daß jeder Mann Soldat
sein solle und daß die dienende Mannschaft nicht aus Berufssoldaten bestehn
dürfe. Es wird den Schleswig-Holsteincrn ihr Selbstgefühl nicht vermindert
werden, wenn sie als Soldaten den straffen preußischen Dienst erlernen und es
wird nicht wenig zu ihrer militärischen Tüchtigkeit beitragen, wenn wenigstens
einzelne Waffengattungen in preußischen Garnisonen ihren Dienst thun, dem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0042" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282839"/>
          <p xml:id="ID_125" prev="#ID_124"> verschiedene Ueberzeugungen heftig gegen einander arbeiten, bleibt die persön¬<lb/>
liche Gereiztheit nicht aus und solche Gemüthsstimmung ist nicht geeignet, die<lb/>
Kämpfenden einander zu nähern. Es wild also hohe Zeit, zu suchen, ob noch<lb/>
ein gemeinsamer Boden für Verständigung festzuhalten ist, sowohl innerhalb<lb/>
der nationalen Partei in Deutschland, zumeist aber zwischen Schleswig-Hol-<lb/>
steinern und Preußen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_126"> In dieser Zeit sind wir der Indiscretion Dank schuldig, welche detaillirte<lb/>
Mittheilung über die Forderungen Preußens in die Oeffentlichkeit getragen hat.<lb/>
Hier ist &#x2014; wenn man von dem Wortlaut absieht &#x2014; ein genau sormuiirter<lb/>
officieller Ausdruck des Staatswillens gegeben, und er ist allerdings dazu ge¬<lb/>
eignet, auch das Programm der preußischen Partei zu werden. Welche weitern<lb/>
Pläne man auch Herrn v. Bismarck mit gutem Grunde zuschreibe, was er über<lb/>
diese Forderung hinaus will, sind noch Projecte eines elastischen Geistes, welche<lb/>
sich jeden Tag nach der innern Lage Preußens oder nach einem Wechsel in den<lb/>
Stimmungen seines Königs modificiren können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_127" next="#ID_128"> Die Forderungen sind bekanntlich 1) das Heer ein Theil des preußischen<lb/>
mit gleicher Aushebungsweise, Organisation und preußischem Fahneneid, 2)Iriegs-<lb/>
hafen und Landeshoheit über das Terrain, welches für militärische Zwecke be¬<lb/>
festigt werden muß, 3) Bau des Kanals durch Preußen und preußisches Ober¬<lb/>
aufsichtsrecht. 4) Post und Telegraphie preußisch, S) Eintritt der Herzogthümer<lb/>
in den Zollverein. Wohl hätte man preußischerseits die Armecforderung we¬<lb/>
niger schroff ausdrücken können, aber, wie sie ist, liegt ihre Ausführung in<lb/>
allen Hauptpunkten ebenso sehr im Interesse der Herzogthümer selbst als Deusch-<lb/>
lands. Die geographische Lage des Landes ist nicht so, daß ihm das Still¬<lb/>
leben eines kleinen Bundcscontingents gegönnt werden kann. Wenn die deut¬<lb/>
schen Großmächte unsere Bundcskriegsverfassung und die kleinen Armeen unserer<lb/>
Mittelstaaten ertragen, so geschieht das, weil solch kleiner Heerkörper doch nur die<lb/>
Friedensorganisation einer Landschaft ist, deren Grenzen gegen Osten undMcsten<lb/>
von preußischen Heeren gedeckt werden. Im Fall eines großen Krieges würde<lb/>
die Bundeskriegsverfassung und das Kriegshcrrnthum der meisten Mittel- und<lb/>
Kleinstaaten thatsächlich ein schnelles Ende erreichen, ihre Contingente würden<lb/>
zu Theilen des östreichischen oder preußischen Heeres. Wozu in den Herzog¬<lb/>
thümer» die zahlreichen Uebelstände neu organisiren, an denen kleine Heerkörper<lb/>
bei dem besten Willen der Führer leiden? Immer noch drückt die preußische<lb/>
Hecresverfassung das edle Princip am reinsten aus, daß jeder Mann Soldat<lb/>
sein solle und daß die dienende Mannschaft nicht aus Berufssoldaten bestehn<lb/>
dürfe. Es wird den Schleswig-Holsteincrn ihr Selbstgefühl nicht vermindert<lb/>
werden, wenn sie als Soldaten den straffen preußischen Dienst erlernen und es<lb/>
wird nicht wenig zu ihrer militärischen Tüchtigkeit beitragen, wenn wenigstens<lb/>
einzelne Waffengattungen in preußischen Garnisonen ihren Dienst thun, dem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0042] verschiedene Ueberzeugungen heftig gegen einander arbeiten, bleibt die persön¬ liche Gereiztheit nicht aus und solche Gemüthsstimmung ist nicht geeignet, die Kämpfenden einander zu nähern. Es wild also hohe Zeit, zu suchen, ob noch ein gemeinsamer Boden für Verständigung festzuhalten ist, sowohl innerhalb der nationalen Partei in Deutschland, zumeist aber zwischen Schleswig-Hol- steinern und Preußen. In dieser Zeit sind wir der Indiscretion Dank schuldig, welche detaillirte Mittheilung über die Forderungen Preußens in die Oeffentlichkeit getragen hat. Hier ist — wenn man von dem Wortlaut absieht — ein genau sormuiirter officieller Ausdruck des Staatswillens gegeben, und er ist allerdings dazu ge¬ eignet, auch das Programm der preußischen Partei zu werden. Welche weitern Pläne man auch Herrn v. Bismarck mit gutem Grunde zuschreibe, was er über diese Forderung hinaus will, sind noch Projecte eines elastischen Geistes, welche sich jeden Tag nach der innern Lage Preußens oder nach einem Wechsel in den Stimmungen seines Königs modificiren können. Die Forderungen sind bekanntlich 1) das Heer ein Theil des preußischen mit gleicher Aushebungsweise, Organisation und preußischem Fahneneid, 2)Iriegs- hafen und Landeshoheit über das Terrain, welches für militärische Zwecke be¬ festigt werden muß, 3) Bau des Kanals durch Preußen und preußisches Ober¬ aufsichtsrecht. 4) Post und Telegraphie preußisch, S) Eintritt der Herzogthümer in den Zollverein. Wohl hätte man preußischerseits die Armecforderung we¬ niger schroff ausdrücken können, aber, wie sie ist, liegt ihre Ausführung in allen Hauptpunkten ebenso sehr im Interesse der Herzogthümer selbst als Deusch- lands. Die geographische Lage des Landes ist nicht so, daß ihm das Still¬ leben eines kleinen Bundcscontingents gegönnt werden kann. Wenn die deut¬ schen Großmächte unsere Bundcskriegsverfassung und die kleinen Armeen unserer Mittelstaaten ertragen, so geschieht das, weil solch kleiner Heerkörper doch nur die Friedensorganisation einer Landschaft ist, deren Grenzen gegen Osten undMcsten von preußischen Heeren gedeckt werden. Im Fall eines großen Krieges würde die Bundeskriegsverfassung und das Kriegshcrrnthum der meisten Mittel- und Kleinstaaten thatsächlich ein schnelles Ende erreichen, ihre Contingente würden zu Theilen des östreichischen oder preußischen Heeres. Wozu in den Herzog¬ thümer» die zahlreichen Uebelstände neu organisiren, an denen kleine Heerkörper bei dem besten Willen der Führer leiden? Immer noch drückt die preußische Hecresverfassung das edle Princip am reinsten aus, daß jeder Mann Soldat sein solle und daß die dienende Mannschaft nicht aus Berufssoldaten bestehn dürfe. Es wird den Schleswig-Holsteincrn ihr Selbstgefühl nicht vermindert werden, wenn sie als Soldaten den straffen preußischen Dienst erlernen und es wird nicht wenig zu ihrer militärischen Tüchtigkeit beitragen, wenn wenigstens einzelne Waffengattungen in preußischen Garnisonen ihren Dienst thun, dem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/42
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/42>, abgerufen am 05.12.2024.