Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Die militärische Bedeutung Hamburgs für ganz Norddeutschland und für
die Herzogthümer muß hier besonders hervorgehoben werden. Die dort ange¬
sammelten Massen von Kriegsbedürfnissen, als Holz, Getreide, Vieh und
Schiffe, und die dort concentrirten Verkehrswege sind es nicht allein, welche
die Stadt begehrungswcrth machen. Der Besitz von Hamburg entscheidet
mehr oder minder über den Besitz von Norddeutschland, aber über den Besitz
der Herzogthümer ganz und völlig. Die Wirkungssphäre einer feindlichen
Festung Hamburg würde die Herzogthümer ganz von Deutschland trennen.
Eine preußische Position bei Hamburg flankirt alle Heeresbewegungen auf
Nord und West nach Berlin, eine starke Garnison dieses Ortes ist veren, auf
20 Meilen nach allen Himmelsgegenden die Küsten vor den Erfolgen von Lan¬
dungen zu beschützen, vorausgesetzt, daß Eisenbahnen und Telegraphen zur
Versendung u. s. w. von Truppen bereit sind. Nach den Herzogthümern, nach
Lübeck und Mecklenburg sind letztere Verbindungsmittel bereits vorhanden, siefehlen
aber noch für die hannoverschen Küsten. Belege für diese Bedeutung Hamburgs
bietet das Streben aller im Beginn dieses Jahrhunderts hier auftretenden Heere,
sich dieses Besitzes zu versichern. Darunter ist die Besetzung Hamburgs beim
Beginn der Freiheitskriege und die darauf folgenden Leiden durch die Ein¬
nahme Davousts hinreichend bekannt und durch Erinnerungsfeierlichkeiten auf¬
gefrischt. Eine Befestigung von Hamburg also würde, abgesehen von einer
localen Vertheidigung des noch anzulegenden großen Kanals, allen fortificato-
rischcn Anforderungen genügen, welche man zur Vertheidigung der Herzog¬
thümer und Norddeutschlands zu stellen berechtigt ist.

Hamburg aber entzieht sich unserer Gewalt, es ist einer von den souveränen
Staaten Deutschlands, die ihre Bedürfnisse nach ihren allernächsten Angelegen¬
heiten bestimmen. Einigen Ersatz für Hamburg könnte das holsteinische
Altona gewähren, das in seinem militärischen Werth für die Herzogthümer
bereits erwähnt wurde. Altona befestigt und zu einer Beherrscherin von Ham¬
burg und der Elbe gemacht, würde die Festung Hamburg ersetzen können.

Leider sind Hamburg und Altona nur eine einzige Stadt, und eine militärische
Trennung derselben ist außerordentlich schwierig. Einen Ersatz in dieser Beziehung
würde man also nur erlangen können, wenn man auch Altona aus der Wall¬
linie herausließe und eine Citadelle anlegte, welche beide Städte sowohl, als
auch die Elbe beherrschte, und an welche sich dann im Fall eines Krieges, der ja
alle Grenzen aufhebt, eine in diesem Falle anzulegende passagere Befestigung
von Altona und Hamburg anlehnte. Wenn man den Plan dazu vorher ent¬
wirft und festlegt, das Material zu den Werken soweit als zulässig in der
Citadelle deponirt, was heute, wo man Eisen statt Holz und Mauer zu verwenden
gelernt hat, sehr ausführbar wäre, so darf man hoffen, daß bei der starken,
zur Arbeit disponibeln Bevölkerung die ganze Befestigung im Falle der Noth


Die militärische Bedeutung Hamburgs für ganz Norddeutschland und für
die Herzogthümer muß hier besonders hervorgehoben werden. Die dort ange¬
sammelten Massen von Kriegsbedürfnissen, als Holz, Getreide, Vieh und
Schiffe, und die dort concentrirten Verkehrswege sind es nicht allein, welche
die Stadt begehrungswcrth machen. Der Besitz von Hamburg entscheidet
mehr oder minder über den Besitz von Norddeutschland, aber über den Besitz
der Herzogthümer ganz und völlig. Die Wirkungssphäre einer feindlichen
Festung Hamburg würde die Herzogthümer ganz von Deutschland trennen.
Eine preußische Position bei Hamburg flankirt alle Heeresbewegungen auf
Nord und West nach Berlin, eine starke Garnison dieses Ortes ist veren, auf
20 Meilen nach allen Himmelsgegenden die Küsten vor den Erfolgen von Lan¬
dungen zu beschützen, vorausgesetzt, daß Eisenbahnen und Telegraphen zur
Versendung u. s. w. von Truppen bereit sind. Nach den Herzogthümern, nach
Lübeck und Mecklenburg sind letztere Verbindungsmittel bereits vorhanden, siefehlen
aber noch für die hannoverschen Küsten. Belege für diese Bedeutung Hamburgs
bietet das Streben aller im Beginn dieses Jahrhunderts hier auftretenden Heere,
sich dieses Besitzes zu versichern. Darunter ist die Besetzung Hamburgs beim
Beginn der Freiheitskriege und die darauf folgenden Leiden durch die Ein¬
nahme Davousts hinreichend bekannt und durch Erinnerungsfeierlichkeiten auf¬
gefrischt. Eine Befestigung von Hamburg also würde, abgesehen von einer
localen Vertheidigung des noch anzulegenden großen Kanals, allen fortificato-
rischcn Anforderungen genügen, welche man zur Vertheidigung der Herzog¬
thümer und Norddeutschlands zu stellen berechtigt ist.

Hamburg aber entzieht sich unserer Gewalt, es ist einer von den souveränen
Staaten Deutschlands, die ihre Bedürfnisse nach ihren allernächsten Angelegen¬
heiten bestimmen. Einigen Ersatz für Hamburg könnte das holsteinische
Altona gewähren, das in seinem militärischen Werth für die Herzogthümer
bereits erwähnt wurde. Altona befestigt und zu einer Beherrscherin von Ham¬
burg und der Elbe gemacht, würde die Festung Hamburg ersetzen können.

Leider sind Hamburg und Altona nur eine einzige Stadt, und eine militärische
Trennung derselben ist außerordentlich schwierig. Einen Ersatz in dieser Beziehung
würde man also nur erlangen können, wenn man auch Altona aus der Wall¬
linie herausließe und eine Citadelle anlegte, welche beide Städte sowohl, als
auch die Elbe beherrschte, und an welche sich dann im Fall eines Krieges, der ja
alle Grenzen aufhebt, eine in diesem Falle anzulegende passagere Befestigung
von Altona und Hamburg anlehnte. Wenn man den Plan dazu vorher ent¬
wirft und festlegt, das Material zu den Werken soweit als zulässig in der
Citadelle deponirt, was heute, wo man Eisen statt Holz und Mauer zu verwenden
gelernt hat, sehr ausführbar wäre, so darf man hoffen, daß bei der starken,
zur Arbeit disponibeln Bevölkerung die ganze Befestigung im Falle der Noth


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0212" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283009"/>
          <p xml:id="ID_700"> Die militärische Bedeutung Hamburgs für ganz Norddeutschland und für<lb/>
die Herzogthümer muß hier besonders hervorgehoben werden. Die dort ange¬<lb/>
sammelten Massen von Kriegsbedürfnissen, als Holz, Getreide, Vieh und<lb/>
Schiffe, und die dort concentrirten Verkehrswege sind es nicht allein, welche<lb/>
die Stadt begehrungswcrth machen. Der Besitz von Hamburg entscheidet<lb/>
mehr oder minder über den Besitz von Norddeutschland, aber über den Besitz<lb/>
der Herzogthümer ganz und völlig. Die Wirkungssphäre einer feindlichen<lb/>
Festung Hamburg würde die Herzogthümer ganz von Deutschland trennen.<lb/>
Eine preußische Position bei Hamburg flankirt alle Heeresbewegungen auf<lb/>
Nord und West nach Berlin, eine starke Garnison dieses Ortes ist veren, auf<lb/>
20 Meilen nach allen Himmelsgegenden die Küsten vor den Erfolgen von Lan¬<lb/>
dungen zu beschützen, vorausgesetzt, daß Eisenbahnen und Telegraphen zur<lb/>
Versendung u. s. w. von Truppen bereit sind. Nach den Herzogthümern, nach<lb/>
Lübeck und Mecklenburg sind letztere Verbindungsmittel bereits vorhanden, siefehlen<lb/>
aber noch für die hannoverschen Küsten. Belege für diese Bedeutung Hamburgs<lb/>
bietet das Streben aller im Beginn dieses Jahrhunderts hier auftretenden Heere,<lb/>
sich dieses Besitzes zu versichern. Darunter ist die Besetzung Hamburgs beim<lb/>
Beginn der Freiheitskriege und die darauf folgenden Leiden durch die Ein¬<lb/>
nahme Davousts hinreichend bekannt und durch Erinnerungsfeierlichkeiten auf¬<lb/>
gefrischt. Eine Befestigung von Hamburg also würde, abgesehen von einer<lb/>
localen Vertheidigung des noch anzulegenden großen Kanals, allen fortificato-<lb/>
rischcn Anforderungen genügen, welche man zur Vertheidigung der Herzog¬<lb/>
thümer und Norddeutschlands zu stellen berechtigt ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_701"> Hamburg aber entzieht sich unserer Gewalt, es ist einer von den souveränen<lb/>
Staaten Deutschlands, die ihre Bedürfnisse nach ihren allernächsten Angelegen¬<lb/>
heiten bestimmen. Einigen Ersatz für Hamburg könnte das holsteinische<lb/>
Altona gewähren, das in seinem militärischen Werth für die Herzogthümer<lb/>
bereits erwähnt wurde. Altona befestigt und zu einer Beherrscherin von Ham¬<lb/>
burg und der Elbe gemacht, würde die Festung Hamburg ersetzen können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_702" next="#ID_703"> Leider sind Hamburg und Altona nur eine einzige Stadt, und eine militärische<lb/>
Trennung derselben ist außerordentlich schwierig. Einen Ersatz in dieser Beziehung<lb/>
würde man also nur erlangen können, wenn man auch Altona aus der Wall¬<lb/>
linie herausließe und eine Citadelle anlegte, welche beide Städte sowohl, als<lb/>
auch die Elbe beherrschte, und an welche sich dann im Fall eines Krieges, der ja<lb/>
alle Grenzen aufhebt, eine in diesem Falle anzulegende passagere Befestigung<lb/>
von Altona und Hamburg anlehnte. Wenn man den Plan dazu vorher ent¬<lb/>
wirft und festlegt, das Material zu den Werken soweit als zulässig in der<lb/>
Citadelle deponirt, was heute, wo man Eisen statt Holz und Mauer zu verwenden<lb/>
gelernt hat, sehr ausführbar wäre, so darf man hoffen, daß bei der starken,<lb/>
zur Arbeit disponibeln Bevölkerung die ganze Befestigung im Falle der Noth</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0212] Die militärische Bedeutung Hamburgs für ganz Norddeutschland und für die Herzogthümer muß hier besonders hervorgehoben werden. Die dort ange¬ sammelten Massen von Kriegsbedürfnissen, als Holz, Getreide, Vieh und Schiffe, und die dort concentrirten Verkehrswege sind es nicht allein, welche die Stadt begehrungswcrth machen. Der Besitz von Hamburg entscheidet mehr oder minder über den Besitz von Norddeutschland, aber über den Besitz der Herzogthümer ganz und völlig. Die Wirkungssphäre einer feindlichen Festung Hamburg würde die Herzogthümer ganz von Deutschland trennen. Eine preußische Position bei Hamburg flankirt alle Heeresbewegungen auf Nord und West nach Berlin, eine starke Garnison dieses Ortes ist veren, auf 20 Meilen nach allen Himmelsgegenden die Küsten vor den Erfolgen von Lan¬ dungen zu beschützen, vorausgesetzt, daß Eisenbahnen und Telegraphen zur Versendung u. s. w. von Truppen bereit sind. Nach den Herzogthümern, nach Lübeck und Mecklenburg sind letztere Verbindungsmittel bereits vorhanden, siefehlen aber noch für die hannoverschen Küsten. Belege für diese Bedeutung Hamburgs bietet das Streben aller im Beginn dieses Jahrhunderts hier auftretenden Heere, sich dieses Besitzes zu versichern. Darunter ist die Besetzung Hamburgs beim Beginn der Freiheitskriege und die darauf folgenden Leiden durch die Ein¬ nahme Davousts hinreichend bekannt und durch Erinnerungsfeierlichkeiten auf¬ gefrischt. Eine Befestigung von Hamburg also würde, abgesehen von einer localen Vertheidigung des noch anzulegenden großen Kanals, allen fortificato- rischcn Anforderungen genügen, welche man zur Vertheidigung der Herzog¬ thümer und Norddeutschlands zu stellen berechtigt ist. Hamburg aber entzieht sich unserer Gewalt, es ist einer von den souveränen Staaten Deutschlands, die ihre Bedürfnisse nach ihren allernächsten Angelegen¬ heiten bestimmen. Einigen Ersatz für Hamburg könnte das holsteinische Altona gewähren, das in seinem militärischen Werth für die Herzogthümer bereits erwähnt wurde. Altona befestigt und zu einer Beherrscherin von Ham¬ burg und der Elbe gemacht, würde die Festung Hamburg ersetzen können. Leider sind Hamburg und Altona nur eine einzige Stadt, und eine militärische Trennung derselben ist außerordentlich schwierig. Einen Ersatz in dieser Beziehung würde man also nur erlangen können, wenn man auch Altona aus der Wall¬ linie herausließe und eine Citadelle anlegte, welche beide Städte sowohl, als auch die Elbe beherrschte, und an welche sich dann im Fall eines Krieges, der ja alle Grenzen aufhebt, eine in diesem Falle anzulegende passagere Befestigung von Altona und Hamburg anlehnte. Wenn man den Plan dazu vorher ent¬ wirft und festlegt, das Material zu den Werken soweit als zulässig in der Citadelle deponirt, was heute, wo man Eisen statt Holz und Mauer zu verwenden gelernt hat, sehr ausführbar wäre, so darf man hoffen, daß bei der starken, zur Arbeit disponibeln Bevölkerung die ganze Befestigung im Falle der Noth

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/212
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/212>, abgerufen am 29.09.2024.